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„STOP THE BOMB“ sagen und „DROP THE BOMBS“ meinen

6. März 2008

Antiimperialistische Koordination, 4. März 2008

Unter dem Titel „STOP THE BOMB – Bündnis gegen das iranische Vernichtungsprogramm“ versucht eine in Österreich ins Leben gerufene und in zionistischen und pro-imperialistischen Kreisen weltweit beworbene Unterschriften-Initiative, wirtschaftliche und politische Sanktionen Österreichs und Europas gegen den Iran zu erwirken. Als besonderer Aufhänger dient dabei eine geplante Investition der OMV im iranischen Erdgassektor. Gefordert wird die Einstellung jeglicher Verhandlungen über das Geschäft, die Einstellung der Kreditunterstützung für den Iran durch die österreichische Kontrollbank sowie „wirksame und umfassende“ Sanktionen der UNO und der EU. Die Initiative wird damit begründet, dass der Iran eine nukleare Bedrohung für Europa darstelle, außerdem wird auf die Menschenrechtssituation im Iran hingewiesen, die Verfolgung religiöser Minderheiten und homosexueller Menschen, die Unterdrückung der Frauen im islamischen Rechtssystem sowie die Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel und die Leugnung des Holocaust durch das iranische Regime.

Die Scheinheiligkeit in der Argumentation der Initiatoren ist dabei ebenso leicht zu durchschauen wie deren wahre Beweggründe und Ziele.

Als Top-Handelspartner Österreichs im arabischen Raum gelten seit längerem Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate – Staaten also, in denen es um die Menschenrechte in all den erwähnten Punkten nicht einen Funken besser steht als im Iran und die sich nicht einmal den Anschein einer Demokratie verpassen. Österreichs hervorragende Wirtschaftsbeziehungen zu diesen Ländern – beides treue Verbündete des Westens – scheint die „Bombenstopper“ nicht weiter zu irritieren. Das Argument der Menschenrechtssituation im Iran stellt also nichts als pure Heuchelei dar.

Was die angebliche nukleare Bedrohung betrifft, so wähnt sich „STOP THE BOMB“ offenbar besser informiert als sämtliche US-Geheimdienste, laut deren im Herbst 2007 erschienenem gemeinsamen Bericht der Iran sein angebliches Atomwaffenprogramm bereits 2003 eingestellt hat. Dass CIA & Co. zugunsten des Iran lügen, ist mehr als unwahrscheinlich. „STOP THE BOMB“ scheint das weniger zu stören als die Tatsache, dass die Wahrheit über die angeblichen Massenvernichtungswaffen diesmal – anders als beim Irakkrieg – v o r einem eventuellen Angriff der USA und ihrer Verbündeten ans Licht gekommen ist. Daher versucht man auf der eigenen Internetseite auch etwas unbeholfen, die Zuverlässigkeit des Berichts in Zweifel zu ziehen.

Selbst wenn der Iran ein Atomwaffenprogramm betreiben würde, hätte er dazu nicht weniger Recht als jeder andere Staat – noch dazu, wo sich immer deutlicher zeigt, dass der Imperialismus nur dort vor militärischer Gewalt zurückschreckt, wo man sich die Finger gewaltig verbrennen könnte – und welches Land ist den ständigen Drohgebärden der USA stärker ausgesetzt als der Iran?

Von all den vorgeschobenen Gründen, mit denen die Sanktionen gegen den Iran gefordert werden, bleiben jedenfalls als glaubhafte Motive einzig die antiisraelischen Aussagen des Präsidenten Ahmadinejad übrig. Sieht man sich die Liste der Unterzeichner genauer an, wird auch schnell klar, dass es hier tatsächlich einzig und allein um die Sorge um den Bestand des zionistischen Apartheidstaates gehen kann. Im oberen Bereich wurden zwar ein paar prominente Namen aus Kunst und Kultur wie Alfred Dorfer, Arik Brauer oder Gerhard Haderer platziert, dazwischen steht aber auch bereits am ersten Tag die Unterschrift des ehemaligen wissenschaftlichen Leiters des DÖW, Dr. Wolfgang Neugebauer, der seit langem für seine pro-zionistsche Haltung bekannt ist und im Herbst 2007 in einem Artikel im „Standard“ keinen Hehl daraus machte, dass er auch militärischen Schlägen gegen den Iran nicht ablehnend gegenübersteht. Nur knapp danach finden sich dann aber auch schon die Namen, die zu erwarten waren und bei denen man sich wohl kaum der Verschwörungstheorie schuldig macht, wenn man die Urheber der Initiative ihren Kreisen ausmacht (auch wenn man auf der „STOP THE BOMB“ – Internetseite vergeblich nach einem Impressum sucht). Radikale Zionisten wie sämtliche Mitglieder des „Cafe Critique“ (das ja auch Veranstaltungen unter dem Titel „STOP THE BOMB“ abhält) und andere „Größen“ aus dem „antideutschen“ Lager fehlen ebenso wenig wie die für ihre Hetze gegen Israel-kritische Stimmen bekannten Journalisten Karl Pfeifer und Samuel Laster.

Etwas später entdeckt man dann übrigens unter anderem auch die Unterschrift des in den letzten Jahren anscheinend endgültig zum Neokonservativen gewandelten ehemaligen KPÖ-Chefs Walter Baier, der kein Problem damit hat, gemeinsame Sache mit denen zu machen, die die Kriege in Afghanistan, im Irak und im Libanon bejubelt haben.

Bei den Aussagen über den Holocaust und Israel handelt es sich in Wirklichkeit hauptsächlich um Ablenkungsmanöver des iranischen Präsidenten von seinem innenpolitischen Versagen – von den groß angekündigten Maßnahmen gegen die Armut ist nichts zu sehen. Darüber hinaus sind diese Aussagen nicht nur historisch falsch, sondern auch politisch schädlich. Nach dem Motto „wenn Israel seine Verbrechen mit dem Holocaust rechtfertigt, dann hat es eben keinen Holocaust gegeben“, versucht Ahmadinejad auf primitive Art, der zionistischen Propaganda den Boden zu entziehen, liefert ihr aber tatsächlich nur neue Munition und schadet dem palästinensischen Befreiungskampf. Wesentlich fataler noch war das Verhalten des Iran im umkämpften Irak, wo man lange Zeit auf Seiten der Besatzer gegen den irakischen Widerstand agierte und wo Ahmadinejad neuerdings sogar ganz offiziell dem irakischen Präsidenten von Amerikas Gnaden, Jalal Talabani, seine Unterstützung versichert – Tatsachen, die sein zeitweises „antiimperialistisches“ Gerede Lügen strafen..

Tatsache bleibt aber auch, dass der Iran hat noch nie einen Krieg begonnen hat. Ahmadinejad hat auch nicht die Vertreibung oder Vernichtung der jüdischen Bevölkerung im arabischen Raum gefordert oder gar damit gedroht, sondern lediglich dem Staat Israel, der auf Vertreibung und Völkermord gegründet worden ist und bis heute auf Basis dieser Verbrechen existiert und agiert, das Existenzrecht abgesprochen und dem palästinensischen Volk seine Solidarität ausgedrückt.

Dafür sollen er und das ganze Land jetzt nach Ansicht der „Antideutschen“ und anderer Radikalzionisten abgestraft werden. Offenbar reichen nach Auffassung von Cafà© Critique und Konsorten bereits verbale Attacken gegen den Zionismus aus, um sich strafbar zu machen.

Und auch wenn die Initiatoren von „STOP THE BOMB“ aus taktischen Gründen davon abgesehen haben, von UNO und EU offen militärische Maßnahmen gegen den Iran zu fordern, entsprechen ihre – sogar von US-Geheimdiensten widerlegten – Behauptungen („nukleare Bedrohung“) und die völlig selektive Wahrnehmung in Menschenrechtsfragen doch genau dem Propagandaschema, das die USA und ihre Verbündeten zur Rechtfertigung von Krieg und Besatzung in Afghanistan und im Irak angewendet haben.

Selbst wenn es derzeit nicht nach einem allzu baldigen US-Angriff gegen den Iran aussieht, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass der nächste Bomben- und Raketenhagel im Nahen Osten wieder von den USA oder von Israel ausgehen wird. Spätestens dann wird sich ein weiteres Mal in aller Deutlichkeit zeigen, welch entspanntes Verhältnis die „STOP THE BOMB“ – Initiatoren in Wirklichkeit zu Bomben und radioaktiver Munition haben.

Gunnar Bernhard
Antiimperialistische Koordination
4.3.2008

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