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Jahrelange Haftstrafen ohne einen einzigen Schuldbeweis –

14. März 2008

Richter Gerstberger: „Selbstverständlich ist die Gesinnung Gegenstand des Prozesses“

4 Jahre Haft für Mohamed Mahmoud, 22 Monate für Mona Salem Ahmed – das ist das Ergebnis eines politischen Prozesses, der in seiner Art in der zweiten Republik bisher einzigartig war.

Der letzte Prozesstag begann damit, dass neben dem Hauptangeklagten Mohamed Mahmoud auch die Zweitangeklagte, seine Frau Mona Salem Ahmed, in den Gerichtssaal geführt wurde. Salem Ahmed beharrte weiterhin auf ihrem Recht, ihr Gesicht zu verschleiern und wollte wieder in ihre Zelle geführt werden. Das Mikrofon, in das sie sprach, war dabei defekt, wodurch sie nur schwer zu verstehen war. Vorsitzender Gerstberger quittierte das mit den Worten: „Es ist schwer, jemanden zu verstehen, der einen Fetzen vor dem Gesicht hat.“ Dieser Satz dürfte die Gesinnung, die sich hinter dem liberalen und demokratischen Gehabe des Richters verbirgt, nur allzu deutlich zum Ausdruck bringen.

Verteidiger Dr. Binder legte einen Beweisantrag vor, dass die Online-Fahndung illegal gewesen sei und zog dabei erneut Dr. Hans Zeger von der ARGE Daten, als Experten bei. Der Antrag wurde vom Richtersenat abgelehnt.

Der Zeuge Wilhelm Langthaler berichtete anschließend, er würde Mahmoud von Demonstrationen kennen. Langthaler führte aus, dass er ihm nichts über Mahmouds Aktivitäten abseits der Antikriegsbewegung bekannt sei. Eine politische Tätigkeit, wie Mahmoud sie jahrelang betrieben und sich dadurch bewusst öffentlich und in den Medien exponiert habe, stehe aber im Gegensatz zum konspirativen Verhalten von Terroristen. Die Besatzung im Irak, in Afghanistan und in Palästina würde er ebenso wie Mohamed Mahmoud ablehnen. Gerstberger konnte daraufhin ein weiteres Mal mit seinen politischen Ansichten nicht hinter dem Berg halten und gab erneut seine Vorstellung, im Irak sei jetzt die Demokratie ausgebrochen, zum Besten.

Danach wurde eine schriftliche Stellungnahme der Zweitangeklagten verlesen. Sie leide in der Haft psychisch und körperlich und habe darüber hinaus das wertvollste ihres Lebens, nämlich ihr Kind, durch die brutale Behandlung im Gefängnis verloren. Unkommentierte Übersetzungen von politischen Texten würden offenbar zur Straftat, sobald man Moslem sei. Bei der Verlesung war von berechtigtem Widerstand gegen Besatzung zu hören, aber auch davon, dass Mona Salem Ahmed Al-Kaida und deren Methoden ablehne. Der Jihad gehöre zum Islam, schließe Entführungen von Unschuldigen aber ebenso aus wie Selbstmordanschläge. Sie wies auch nochmals darauf hin, dass Mohamed Mahmouds Vater ebenfalls ein Gegner von Al.Kaida sei und seinen Sohn in diesem Sinn erzogen habe. Um dem Terrorismus tatsächlich Einhalt zu gebieten, müsse man dessen Ursachen, also Krieg und Besatzung, abstellen.

Es folgten stundenlange Verlesungen aus dem insgesamt 23-bändigen Akt, unter anderem von Protokollierungen von überwachten Chats mit politischem Inhalt, die Mahmoud im Internet geführt hatte. Auf die Frage von Anwalt Lennart Binder, was die politischen Ansichten seines Mandanten mit der Frage zu tun hätten, ob dieser eine Straftat begangen hat oder nicht, antwortete der Richter: „Selbstverständlich ist die Gesinnung Gegenstand des Prozesses“. Deutlicher lässt sich die Bedeutung dieses Prozesses wohl wirklich nicht mehr zum Ausdruck bringen. Die Anmerkung, die Staatsanwalt Klackl am ersten Tag bei seiner eröffnenden Anklagerede gemacht hatte, die Geschworenen mögen sich nicht von der Verteidigung weismachen lassen, dass hier ein politischer Prozess geführt werde, wurde vom Richter damit ein weiteres Mal ad absurdum geführt.

Zwischendurch wurde auf Antrag der Verteidigung Mahmoud Salem Ahmed, ein Bruder der Zweitangeklagten, in den Zeugenstand gerufen. Wie schon andere Zeugen, berichtete auch dieser, dass Mohamed Mahmoud die Methoden von Al Kaida immer kritisiert und als unislamisch bezeichnet habe. Ob seine Schwester auf ihrem Computer Videos von Geiselhinrichtungen habe, wusste er nicht.

Die Verlesung des Aktes ging weiter. Als man zum Protokoll der Verhaftung von Mona Salem Ahmed kam, warf deren Mutter aus dem Zuschauerraum aufgebracht ein, das Protokoll sei falsch und verschweige, dass ihre Tochter bereits bei der Verhaftung misshandelt worden sei und dass die Beamten die Tür aufgebrochen hätten, anstatt einfach anzuläuten. Der Richter wies Frau Salem Ahmed zurecht, Zuschauer hätten keine Einwände zu machen, woraufhin Verteidiger Binder die Vernehmung der Frau als Zeugin beantragte. Der Antrag wurde vom Gericht mit der Begründung abgelehnt, dies sei nicht relevant für das Verfahren.

Verlesen wurden auch Protokolle der polizeilichen Vernehmung von Mona Salem Ahmed. Gerstbergers Behauptung, diese würden erheblich von der heute verlesenen Stellungnahme der Zweitangeklagten abweichen, erwies sich dabei als völlig falsch. Vielmehr stimmten die protokollierten Angaben genau mit dem überein, was auch in der verlesenen Stellungnahme steht.

Desweiteren kam auch ein Krankenakt des AKH zum Vorschein, der bewies, dass Mahmoud die Verletzung seiner rechten Hand im März 2002 bei einem Treppensturz erlitten hat und nicht bei einem von der Staatsanwaltschaft behaupteten Aufenthalt im Irak Ende 2002 oder Anfang 2003. Tatsächlich konnte auch überhaupt nichts vorgebracht werden, was belegt hätte, dass Mahmoud jemals im Irak war.

Mohamed Mahmoud machte mehrere Male von seinem Recht Gebrauch, die Verlesungen aus dem Akt zu kommentieren. Er gab erneut an, die Behörden hätten seine Aussagen mehrfach verdreht und hätten auch sein Angebot, seine Kontakte zu nützen, um bei der Suche nach weiteren Entführten, unter anderem dem Österreicher Bert Nussbaumer, zu helfen, hätten die Beamten abgelehnt. Mahmoud bekannte sich nochmals dazu, den Widerstand gegen Besatzung für legitim zu halten (was er ja nach Definition der UNO auch ist), Terror gegen Zivilpersonen aber abzulehnen.

Danach verlas der Richter die aus 14 Punkten bestehenden Fragen im Sinn der Anklage an die Geschworenen. Diese enthielten u.a. die Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, wegen Beteiligung an den Verbrechen einer kriminellen Organisation, Nötigung der Bundesregierung und des Nationalrates, versuchter schwerer Nötigung, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung als Anführer, Aufforderung zu Straftaten, Auswahl von Zielen für Terroranschläge (u.a. Spiele der Fussball-EM 2008, Gebäude der UNO und der OPEC sowie Politiker wie Tony Blair, Jack Straw, Gerhard Schröder, Jörg Haider und H.C. Strache).

Vor den Schlussplädoyers wurde nochmals eine Pause von 15 Minuten angesetzt. An deren Beginn wurden Mohamed Mahmoud die Handschellen mit unnötiger Brutalität angelegt, woraufhin er zu schreien begann „Sie tun mir weh!“ Die Justizwachebeamten zerrten ihn daraufhin gegen seinen Widerstand aus dem Saal. Von draußen waren seine Schreie noch zu hören. Die Angehörigen der beiden Angeklagten waren daraufhin sehr aufgebracht, die Mutter von Mona Salem Ahmed sprach von Misshandlung und fragte, wo hier die Menschenrechte blieben. Dazu ist zu sagen, dass an diesem Tag das Auftreten der Justizwache wesentlich aggressiver war als an den bisherigen Prozesstagen. Es kam zu einigen Tumulten vor dem Gerichtssaal, die sich aber bald wieder beruhigten. Die Angehörigen von Mona Salem Ahmed gaben danach einige Interviews, in denen sie u.a. ihre Sorge darüber zum Ausdruck brachten, dass Mohamed Mahmoud und Mona Salem Ahmed in der Haft häufiger dieser Art von Behandlung ausgesetzt sein würden.

Staatsanwalt Klackl betonte in seinem Schlussplädoyer, Mahmoud habe sich durch verschiedene Aussagen selbst am meisten belastet, vor allem, indem er sich im Fernsehinterview als Sprecher der GIMF ausgegeben und diese als medialen Arm der Mujaheddin in den umkämpften Staaten im arabischen und zentralasiatischen Raum dargestellt habe. Terrorismus sei nicht nur die Ausübung von terroristischer Gewalt, sondern bereits deren propagandistische Aufbereitung. Mahmoud hätte Informationen mit terroristischem Inhalt verbreitet, er sei ein Propagandawerkzeug von Terrororganisationen und würde diese aktiv unterstützen, habe auch im Internet mit Sprechern islamistischer Terrornetzwerke kommuniziert. An Produktion und Ausstrahlung des bekannten Drohvideos sei er führend beteiligt gewesen, er habe die österreichische und die deutsche Regierung zum Abzug ihrer Soldaten aus Afghanistan nötigen wollen und sei dabei gewesen, in Österreich eine Terrororganisation aufzubauen.

Verteidiger Binder bezeichnete die Anklage als maßlos überzogen. Die Angeklagten hätten nichts anders getan als im Internet zu recherchieren und Informationen ins Netz zu stellen, was nicht strafbar und bisher nie Anlass gewesen sei, jemandem Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorzuwerfen. Die GIMF sei weder in Brüssel noch in Österreich als Terrororganisation eingestuft worden. Mona Salem Ahmed habe nichts anderes als Übersetzungsdienste geleistet und habe keinerlei Kontakt zu anderen Islamisten gehabt, sei daher freizusprechen. Mohamed Mahmoud habe keinerlei terroristische Handlungen gesetzt und seine Kontakte sogar noch zur Befreiung von Geiseln genützt. Die angeblichen Anschlagspläne seien niemals abgeschickt worden, daher sei hier auch keine Aufforderung zu einer Straftat feststellbar. Der Ausschluss von Mona Salem Ahmed sei keineswegs gesetzlich gerechtfertigt, und falls die Geschworenen zu keinem Freispruch der Zweitangeklagten bereit seien, sollten sie wenigstens ihre Zulassung zur Verhandlung und ihre Vernehmung vor Gericht beantragen. Die Ermittlungsmaßnahmen seien zum Teil rechtlich höchst bedenklich gewesen und im Justizbereich im Österreich mache sich zunehmend Fremdenfeindlichkeit bereit.

Mohamed Mahmoud sagte in seiner Schlussansprache, gäbe es in Österreich die Todesstrafe, würde der Staatsanwalt wahrscheinlich diese fordern. Er wäre von der Polizei schlimmer als ein Mörder oder ein Vergewaltiger behandelt worden. Die Dinge, die er tatsächlich getan habe, wären bei einem Sebastian oder einem Christian niemals strafrechtlich geahndet worden, bei einem Mohamed, einem Moslem aber eben schon. Das Drohvideo sei ihm untergeschoben worden, er habe damit nichts zu tun. Seine Familie werde seit Monaten öffentlich beschimpft und beleidigt. Er wiederholte noch einmal, dass er keinesfalls Anschläge auf Zivilpersonen, sondern nur den Kampf gegen Besatzungstruppen befürworte. Es gäbe viele Intersetseiten, auf denen Texte von Mujaheddingruppen zu finden seien, deren Betreiber stünden aber nicht vor Gericht. Die angeblichen Anschlagspläne habe er niemals abgeschickt, was auch bewiesen sei, aber von Leuten, die sich mit Computern und Internet nicht auskennen würden, leider nicht verstanden würde. Er habe keine Möglichkeit gehabt, sich ausreichend zu verteidigen, er erwarte sich auch keine Gerechtigkeit.

Nach 5-stündiger Beratung wurde schließlich von den Geschworenen der Schuldspruch in allen Anklagepunkten verkündet, in 2 Punkten mit acht zu null Stimmen, in allen übrigen Punkten mit sechs zu zwei Stimmen.

Das Gericht verurteilte Mohamed Mahmoud zu 4 Jahren Haft und Mona Salem Ahmed zu 22 Monaten Haft. Da die beiden Überzeugungstäter seien, sei auch von einer bedingten Strafe abzusehen. Staatsanwalt Klackl gab am nächsten Tag bekannt, selbst ihm sei das Strafausmaß bei Mona Salem Ahmed zu hoch. Offenbar war Gerstberger daran gelegen, Mona Salem Ahmed auch gleich dafür mit zu bestrafen, dass sie seine gesetzlich nicht gerechtfertigte Anweisung, den Gesichtsschleier abzunehmen, nicht befolgt hatte.

Mohamed Mahmoud erbat sich 3 Tage Bedenkzeit.

Zusammengefasst ist der Verlauf des Prozesses ein rechtsstaatlicher Skandal, dessen Tagweite unabsehbar ist. Es gibt keinen einzigen Beweis für die Schuld der beiden Angeklagten in irgendeinem Punkt.

Dass Mohamed Mahmoud am Zustandekommen des Drohvideos beteiligt war, konnte nicht nachgewiesen werden. Zeugen sagten darüber hinaus aus, Mahmoud sei zur Zeit der Veröffentlichung des Videos in der GIMF nicht zu Hause gewesen, sondern habe mit Freunden Fußball gespielt. Von der Staatsanwaltschaft konnte kein einziger Beweis vorgelegt werden, dass es anders war. Daher ist auch die Behauptung, Mahmoud habe das Drohvideo veröffentlicht, nicht bewiesen. Ähnliches gilt für den Vorwurf, Mahmoud habe Anschlagspläne verbreitet. Hier gibt es keinen einzigen Beweis dafür, dass Mahmoud den Text anderen Personen in irgendeiner Weise nahe gebracht hat, sei es im Forum der GIMF, im Chat oder in einer privaten Nachricht.

Die Anklage gründete sich ausschließlich auf Aktivitäten im Internet. Die wenigen Zwischenfragen der Geschworenen zeigten überdeutlich, dass sich darunter Leute befanden, die nicht einmal die elementarsten Themen der Verhandlung ansatzweise durchschauten, und als es um internettechnische Details, die von allergrößter Wichtigkeit waren, ging, wirkten viele Geschworene ihrem Gesichtsausdruck nach völlig überfordert. Versteht man z.B. nicht den Unterschied zwischen einem öffentlichen Chat und einer privaten Nachricht, die niemals abgeschickt wurde (siehe Bericht vom 2. Prozesstag), so ist man auch nicht in der Lage, den Punkt mit den Anschlagsplänen zu beurteilen. So ist es beispielsweise sehr wahrscheinlich, dass das Urteil in diesem Punkt nach dem Motto „da wird schon was gewesen sein“ zustande gekommen ist.

Wenn mit derart vagen und dehnbaren Begriffen wie „propagandistische Aufbereitung des Nährbodens“ operiert wird, darf man künftig gespannt sein, wo diese Begriffe zur Anwendung kommen werden. Die politische Solidarität mit dem völkerrechtlich völlig legitimen Widerstand gegen Besatzung kann auf diese Weise schneller kriminalisiert werden, als viele Menschen heute noch glauben wollen.

Wenn Richter in einem angeblich nicht politischen Prozess die Angeklagten nach ihrer politischen Meinung fragen und diese als Untermauerung der Anklage, als Indiz für das Vorliegen einer Straftat dienen, ist es mit der Meinungsfreiheit wohl nicht mehr allzu weit her.

Im Prozess fiel dem Richter immer wieder die guten Kenntnisse von Mohamed Mahmoud über Widerstandsgruppen und manche ihrer personellen Vertreter „ungut“ auf. „Es ist erstaunlich, welche guten Kenntnisse sie von diesen Dingen haben“ – solche und ähnliche Sätze waren von Gerstberger permanent zu hören, wenn Mahmoud Zusammenhänge zu erklären versuchte. Mahmoud berief sich darauf, dass man dazu nichts weiter tun müsse, als arabische Medien zu lesen. Das Lesen von arabischen Medien und die dadurch erworbenen Kenntnisse über Personen und Organisationen können also bereits dazu führen, dass man sich des Terrorismus verdächtig macht.

Und wenn Überwachungsmaßnahmen ohne richterliche Genehmigung angewendet werden und „Rechtschutzbeauftragte“ nur noch dazu da sind, um dieses Vorgehen zu decken, dann ist der Begriff „Rechtsstaat“ bald nur noch eine leere Hülle.

AIK

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