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Mehrere Tausend in Wien gegen den EU-Vertrag

7. April 2008

Bericht von der Demonstration am 5. April 2008 in Wien

Der Samstag, der 5. April, hat eine eindrucksvolle Demonstration gegen den EU-Vertrag gesehen. Ein tatsächlich bedeutendes Ereignis: Der Vertragsentwurf von Lissabon stellt so etwas wie eine Ergänzung und Abrundung des Maastricht-Europas dar: Standortwettbewerb und Marktradikalismus werden bestätigt und verschärft, dazu eine Aufrüstungsverpflichtung. Dabei ist dieses Maastricht-Europa das zentrale Projekt der Eliten in den letzten Jahren, die gestrige Demonstration drückt daher so etwas wie grundsätzliche Opposition aus – ein Novum in Österreich: Seit Jahren fehlt eine solche tatsächliche und grundsätzliche Opposition, die sich zu tatsächlich brennenden Fragen bildet, nicht in Bekenntnissen wie „eine andere Welt ist möglich“ oder dem Sozialismus.

Man wird zugeben müssen, dass ein entscheidendes Element der Mobilisierung von einem kleinen Riss in der Front der Eliten abgegeben wird. Die Kronen-Zeitung hat praktisch mit einem Aufruf zur Demonstration getitelt. Nachdem Aktivitäten gegen die EU jahrelang bewusst ignoriert wurden, kann man sich im Augenblick kaum beschweren. Aber die Kronen- Zeitung ist dabei auch Ausdruck einer sehr breiten Stimmung in der Bevölkerung, sie macht nicht nur Stimmung, sie wird auch von dieser geschoben und ist somit ein Zeichen davon, dass entscheidende Aspekte der EU Politik heute abgelehnt werden. Ein Zurückweisen der totalen Marktwirtschaft, eine Verteidigung der Neutralität und das Bestehen auf die Souveränität der Nationalstaaten angesichts der Globalisierung und der zunehmenden Aushöhlung demokratischer Möglichkeiten durch supranationale Organisationen wie EU oder WTO – das sind Forderungen die heute recht allgemein aufgestellt werden. Falls man die Redaktionsräume des Standard und die Siemens Vorstandsetage verlässt. Nicht zuletzt erzürnt die absolut undemokratische Vorgangsweise beim Durchdrücken des Vertragsentwurfs, die vorenthaltene Volksabstimmung.

Die „Plattform Volxabstimmung“ hat damit erreicht, was der Linken in Österreich über viele Jahre nicht mehr gelungen ist: wenigstens in bestimmten Fragen den Anschluss an eine breitere Stimmung der Bevölkerung außerhalb des universitären Ghettos zu finden. Wohl die Hälfte der Teilnehmer hatte nichts mit der linken Subkultur zu tun. Teile kamen aus dem konservativen Bereich (allerdings ein „Konservativismus“ der radikal gegen die herrschenden Eliten steht und damit wenig Bewahrendes, Reaktionäres aufweist), Teile hätten sich wohl auch von der FPÖ mobilisieren lassen, ein Demonstrant trug ein „besser noch Ehebett als Minarett“ T-Shirt. Aber der Rassismus war sicher kein entscheidendes Element der Demonstration. Allerdings hatte es den Anschein, dass einem Teil der Organisatoren der eigene Erfolg unangenehm war: Nachdem man klarstellen konnte, dass es EU-Opposition auch jenseits der FPÖ gibt, schien man ein wenig in Panik zu geraten, ob der einen oder anderen Österreich-Fahne. Es ist zwar zweifelsohne wichtig und notwendig, gegen chauvinistische Untertöne Position zu beziehen, man muss aber keineswegs ein Freund von Österreich-Fahnen sein, um zu erkennen, dass das stumpfe Aufsagen antinationaler Reflexparolen nicht dazu taugt, den Widerstand gegen EU und Neoliberalismus vom Chauvinismus zu trennen. Die Widersprüche der FPÖ liegen ja auf der Hand: man bedenke nur das Abstimmungsverhalten der nationalen Helden und Verteidiger des kleinen Mannes, so lange sie noch in der Regierung waren.

6. April 2008, AIK

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