Site-Logo
Site Navigation

Bisher diffamiert, heute totgeschwiegen: Solidarität mit dem Widerstand im Nahen und Mittleren Oste

5. Mai 2008

Verfassungsschutz NRW (Nordrhein-Westfalen) im Dienste der antiislamischen Kulturkrieger

Unsere Solidarität mit der irakischen Bevölkerung und unsere Ablehnung der US-geführten Besatzung wurden in den Berichten des Landesverfassungsschutzes 2004 bis 2006 zurecht als eines unser zentralen Betätigungsfelder dargestellt. Natürlich geschah dies beim Verfassungsschutz NRW aus einer Logik der herrschenden Verhältnisse heraus, welche die globale westliche Dominanz im Allgemeinen und die
Bündnistreue zu den USA im Besonderen ideell zu verteidigen hat. Die BRD mag 2003 Nein zum Krieg gesagt haben — die völkerrechtswidrige Besetzung Iraks wird von ihr von Anfang an politisch und logistisch unterstützt, und als Kriegspartei in Afghanistan entlastet sie die US-amerikanische Militärmaschine.

Justiz (Berliner Staatsanwaltschaft), Teile der Medien (Panorama), Finanzbehörden und die politische Polizeiabteilung in Düsseldorf haben mehrfach versucht, uns und unsere Kontakte zu irakischen Oppositionellen als „Terrorismusunterstützung“ zu diffamieren. Die Kriegsapologeten waren sich nicht zu schade, die billigsten Mittel zu benutzen: Mal wurde ein säkularer, marxistischer Iraker, der politisch gegen die Besatzung kämpft, als „Islamist“ bezeichnet (so geschehen in einer Verfügung der Berliner Ausländerbehörde1), mal wurde ein schneidiges Zitat der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy so dargestellt, als ob es aus unserem Umfeld stamme (so geschehen im Verfassungsschutzbericht 20052).
Zwischendurch versuchte die Berliner Staatsanwaltschaft, zivile Opposition gegen Krieg und Besatzung als „Aufruf zu Straftaten“ zu verurteilen, musste jedoch das entsprechende Ermittlungsverfahren bereits 2006 sang- und klanglos einstellen.

Es ist schon erstaunlich, dass im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2007 die Solidarität mit dem Widerstand im Nahen und Mittleren Osten nicht mehr vorkommt. Da wir nicht davon ausgehen, dass die politische Polizei ohne Grund eine derartige Kehrtwende vollzieht, suchen wir nach Erklärungen. Möglicherweise ist verstanden worden, dass die Bilanz von fünf Jahren Krieg und Besatzung verheerend ist? Dass mehr als eine Million Irakerinnen und Iraker an den Folgen des Krieges starben und über vier Millionen auf der Flucht sind? Dass die US-Aggression somit, nach den Kriegen im Kongo und Ruanda, zur weltweit größten humanitären Katastrophe der letzten Jahrzehnte geführt hat? Dass vom nachgeschobenen Ziel der Demokratisierung des Landes so wenig zu sehen ist wie von angeblichen Massenvernichtungswaffen? Dass die US-Regierung nur noch vom alles entscheidenden Kampf gegen „al Qaeda“ — Kräfte spricht, die es vor der Invasion im Irak nicht gab und die sich ohne Besatzung nicht halten könnten?

Ist verstanden worden, dass die bürgerkriegsähnliche Situation von den Besatzungsmächten erzeugt wurde, indem sie einzelne sektiererische und ethnische Parteien aufrüsteten und gegen andere unterstützten? Dass das deutsche Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil 2005 festgestellt hat, dass die US-geführte Aggression ein eindeutig völkerrechtswidriger Angriff war und die Gewährung von Überflugrechten und logistischer Unterstützung durch die Bundesregierung die Beteiligung an einem verbotenen Angriffskrieg? Dass der „Krieg gegen den Terror“ zwei Länder — Afghanistan und Irak — verwüstet und eine ganze Weltregion in den Krieg gestürzt hat? Dass durch die aggressive Politik der USA und der EU
gegen den Iran, die Vorbereitung eines Angriffskrieges gegen denselben und durch die vorbehaltlose Unterstützung für das brutale und völkerrechtswidrige Vorgehen Israels gegen die Palästinenserinnen und
Palästinenser die Situation im Nahen- und Mittleren Osten weiter zu eskalieren droht?

Möglicherweise überschätzen wir hier aber auch den Intellekt und die Abstraktionsfähigkeit der Düsseldorfer Nachrichtendienstler. Und es ist ja auch nicht so, dass wir im aktuellen Verfassungsschutzbericht überhaupt nicht mehr vorkommen. Die Schreibtischtäter bringen uns diesmal direkt im Kapitel „Islamismus“ unter. Wurde uns früher ideelle Nähe zu islamischen Bewegungen vorgeworfen, wird der Spieß diesmal umgedreht: Angriffsziel ist die Menschenrechtsorganisation „Human Dignity and Rights“ (HDR), welche ein gemeinnütziger und eingetragener Verein ist (www.hdr-org.de). Dass diese Organisation gegen Krieg und
Besatzung eintritt und zugleich von gläubigen Muslimen getragen wird, stellt natürlich eine besonders gefährliche Mischung dar. HDR sei „antijüdisch“ (was Propaganda ist). HDR sei „antiwestlich“ und
„antiamerikanisch“. Damit sollen vorherrschende Klischees vom guten und demokratischen Westen einerseits, und dem bösen, barbarischen und antidemokratischen Orient andererseits bedient werden. So werden dann Muslime = Antidemokraten — im Sinne der Kulturkrieger a là  Huntington.

Um eine dem Frieden und der überkonfessionellen Völkerverständigung verpflichtete Organisation ins Dubiose rücken zu können, müssen schließlich noch ihre Kontakte zum Initiativ e.V. herhalten, „der kommunistisch geprägten Weltbildern“ anhängen würde. So bastelt man eine Verschwörungswelt.

Wir werden weiter mit allen Menschen zusammenarbeiten, die für die Freiheit und Gleichheit der Völker eintreten. Die Rohstoff- und Vorherrschaftskriege Euroamerikas sind der Gegner, globale Gerechtigkeit
das Ziel.

„Politische Wertungen der Geschehnisse im Nahen Osten, die … staatlichen Stellen nicht gefallen, sollen dem Kläger deshalb in der BRD nicht mehr erlaubt sein. Die Unterdrückung einer politischen Auffassung
ist aber nicht zulässig und verstößt gegen Grundrechte. Die Redefreiheit steht nicht zur Disposition staatlicher Organe und richtet sich nicht nach der deutschen Nahostpolitik, den Bündnisverpflichtungen,
politisch-diplomatischen Erwägungen oder Rücksichtnahmen.“ (Rechtsanwalt Heinz-Jürgen Schneider)

Initiativ e.V., Mai 2008


1 Ausweisungsverfügung der Berliner Ausländerbehörde vom 27.09.2006, Geschäftszeichen IV Z BO 1

2
http://www.im.nrw.de/imshop/shopdocs/verfassungsschutzbericht_2005.pdf,
Seite 120: „Unter Beteiligung des im Juli 2004 in Köln gegründeten ‚Deutschen Solidaritätskomitees Freier Irak‘ fand im März 2005 die ‚Internationale Irak-Konferenz — Über Besatzung, Widerstand und Internationale Solidarität‘ in Berlin statt, die den Krieg im Irak thematisierte und zur Solidarität mit dem Widerstandskampf aufrief. Der Aufruf ließ deutlich werden, dass eine friedliche Lösung der Auseinandersetzungen im Irak zumindest für einen Teil der Organisatoren nur vordergründiges Ziel war: ‚Wenn wir gegen Imperialismus und Neoliberalismus sind, müssen wir nicht nur den Widerstand im Irak unterstützen, wir müssen selbst zum Widerstand im Irak werden. ‚“Tatsächlich handelt es sich um ein Zitat der Trägerin des Alternativen
Nobelpreises Arundhati Roy:
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/61488/index.html

Thema
Archiv