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Politischer Schauprozess in Stuttgart-Stammheim

15. Juli 2008

Seit Mitte März findet in Stuttgart-Stammheim ein „Terrorismusprozess“
gegen fünf politische Aktivisten aus der Türkei statt. Den seit
November 2006 inhaftierten Mustafa Atalay, Rechtsanwalt Ahmet Düzgün
Yüksel, Ilhan Demirtas, Devrim Güler und Hasan Subasi wird nach den
Paragraphen 129, 129a und 129b vorgeworfen, Mitglieder einer
„terroristischen“ Vereinigung zu sein. Gemeint ist die in der BRD
verbotene linke „Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front“ (DHKP-C).
Die Angeklagten hätten angeblich Gelder für die DHKP-C gesammelt und
Waffen in die Türkei geschmuggelt. Das Beweismaterial stammt zum
größten Teil vom türkischen Geheimdienst MIT, der bekanntlich
Foltermaßnahmen anwendet.

Die Angeklagten befinden sich in Isolationshaft. Sie müssen mit Handschellen am Prozess teilnehmen, in Verhandlungspausen bekommen sie zusätzlich Fußfesseln angelegt. Prozessbesuchern wird untersagt, Schreibmaterial mitzuführen. Besorgniserregend ist der Gesundheitszustand des Angeklagten Mustafa Atalay, der kurz nach einer komplizierten Bypass-Operation verhaftet wurde. Der Arzt im Untersuchungsgefängnis von Hannover, wo Atalay auch kurzzeitig inhaftiert war, hatte wegen dessen schlechten Gesundheitszustandes jede weitere Behandlung abgelehnt. Trotzdem hat das Gericht alle Anträge auf Haftentlassung aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt.

Die wesentliche Grundlage des Prozesses ist der Strafrechtsparagraph 129b, den Otto Schily in Folge des 11. September 2001 einführte. Die neue Qualität dieses Paragraphen ist, dass er gegen Aktivisten angewandt werden kann, die in der BRD niemals ein Gesetz gebrochen haben. Heinz-Jürgen Schneider, einer der Verteidiger in Stuttgart-Stammheim: „Den Angeklagten werden keine Aktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland zur Last gelegt. Die Anklage beschuldigt sie vielmehr, in europäischen Ländern Aktionen gegen die Türkei geplant und vorbereitet zu haben. Im Ergebnis werden in Deutschland bisher legale Aktionen wie die Mitarbeit in Vereinen und das Sammeln von Geld für die Familien von politischen Gefangenen in der Türkei kriminalisiert.“

Bisher richtete sich der Großteil der 129-b-Verfahren gegen die im Irak aktive religiöse Ansar Al-Islam. Im Fall der DHKP-C führt die BRD ihren ersten großangelegten 129-b-Prozess gegen eine linke Bewegung und will einen Präzedenzfall schaffen.

Prozessbeobachter kritisieren die mangelnde Solidarität der deutschen Linken mit den Aktivisten aus der Türkei. Anders als ins Visier des Staatsschutzes geratene einheimische Linke müssen migrantische Linke zusätzlich mit Auslieferung in Folterstaaten rechnen.

Weitere Infos: http://www.no129.info/

von Dimitri Tsalos, Köln

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