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Obama als europäische Illusion

29. Juli 2008

Hartnäckiges „anderes Amerika“
Mehr als 200.000 Menschen sollen in Berlin Obama zugejubelt haben. Das
scheint im krassen Gegensatz zu den Massendemonstrationen gegen den von
den USA geführten Irak-Krieg vor wenigen Jahren zu stehen. Und noch
mehr zu den Zehntausenden, wenn nicht Hunderttausenden, die gegen die
Besuche amerikanischer Präsidenten zu marschieren pflegten.

Hier zeigt sich eine europäische Illusion, die nicht auszurotten scheint. Namentlich das Wunschbild vom anderen Amerika, jenem liberalen, dass sich selbst gerne im Gegensatz zum europäischen Konservativismus gesehen hatte (aber auch schon seinerzeit eher ein Minderheitenprogramm war).

Viele erhoffen sich von dem sensationellerweise schwarzen Präsidentschaftskandidaten die Verwirklichung der Dreifaltigkeit, die Clinton verheißen aber nicht zu bewirken vermocht hatte: Frieden, Wohlstand und Demokratie für die Welt. Ein bisschen konkreter heißt das: ein Ende der transatlantischen Differenzen auf der politischen Grundlage des Endes des Unilateralismus, der Dämpfung des Terror-Krieges sowie der Rücknahme von Guantanamo & Co.

Doch das wird es nicht nur nicht spielen, sondern – man braucht nur genau hinzuhören – Obama verspricht es auch nicht.

Die einzige Versprechung, die Ernst genommen werden kann, ist die Abstimmung mit Europa – in einer Politik, die er grundsätzlich weder ändern will noch kann. Nicht umsonst hat Obama zur Zusammenarbeit gegen das, war der Westen Terror nennt, in einem Atemzug mit der Niederhaltung des Irans und der Intensivierung des Krieges gegen Afghanistan aufgerufen. Während man ihn als Friedensengel feierte, forderte er tatsächlich die Aufstockung der europäischen Truppen am Hindukusch.

Amerika kommt nun einmal die Führungsrolle im imperialistischen Weltsystem zu. Es sichert den konkreten Kapitalismus, denn einen anderen gibt es nicht. Widerstand, sei es durch Volksbewegungen oder Staaten an der Peripherie, müssen niedergehalten und niedergeschlagen werden, sonst droht das ganze System angesichts der enormen Widersprüche zu zerbersten. Die europäischen Eliten haben das verstanden und halten eisern zu Amerika – wie man an der gemeinsamen Eskalation gegen den Iran sieht.

Denjenigen, die an das Phantom der europäischen Werte weiter glauben wollen, sei gesagt, dass diese nur gegen Amerika zu verwirklichen sind, denn das andere Amerika gibt es nicht. (Dessen letzten Reste werden unter der Kriegsmaschine zermalmt.) Wenn man diese nebulösen Werte aber ernst nimmt, sie an ihre Wurzeln in der französischen Revolution und der alten Arbeiterbewegung zurückverfolgt, dann kann man sie nur im Bruch mit Amerika, der EU, dem imperialistischen Kapitalismus verwirklichen.

Hauptverbündeter wird damit der Widerstand der unterdrückten Völker und der Schurkenstaaten, die letztlich die Selbstverteidigung der Völker gegen die Tyrannei des Westens auf ihre verzerrte Art und Weise reflektieren. Darum haben wir in der Bewegung gegen den Irak-Krieg den irakischen Widerstand unterstützt und stellen uns nun auf die Seite des Iran – mit der Perspektive, dass die Völker des Landes und der Region diesen titanischen Kampf führen. Denn nur sie können ihn gewinnen.

Willi Langthaler

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