Site-Logo
Site Navigation

„Terrorprozess“: Verurteilte berufen gegen das Skandalurteil

14. August 2008

Vorveröffentlichung aus Initfada Nr. 26

Mit einem 70 Seiten langen Dokument legt Anwalt Dr. Lennart Binder im Namen von Mohamed Mahmoud und Mona Salem Ahmed, die im März in Österreichs erstem Prozess gegen den „islamistischen Terror“ zu 4 Jahren bzw. 22 Monaten unbedingter Haft verurteilt worden waren, fristgerecht Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das politisch motivierte Gesinnungsurteil ein.

Im Dokument werden nochmals zahlreiche Verfahrensmängel aufgelistet. Allem voran stehen dabei der willkürliche und laut Experten des Justizministeriums nicht gerechtfertigte Ausschluss von Mona Salem Ahmed aus der Verhandlung aufgrund ihrer Gesichtsverschleierung sowie die Art der Ermittlungen, die sich ja zu nicht unwesentlichen Teilen, vor allem im Bereich der Überwachung von Mahmouds Computer, hart an der Grenze bzw. jenseits der Grenze der Legalität abgespielt hatten.

Im Berufungsschreiben wird auch ausführlich und detailliert ein Aufsatz von Österreichs führendem Datenschützer, Dr. Hans Zeger, wiedergegeben, der kaum einen Zweifel daran lässt, dass die Fülle des zusammengetragenen Datenmaterials aus der Überwachung der Angeklagten zwar in ihrer Quantität beeindruckend gewesen sein mag, tatsächlich aber keinerlei Hinweise auf strafrechtliche relevante Daten geliefert hat – was einmal mehr die Willkür der Ermittlungen und der Prozessführung offenbart und auf die Problematik hinweist, dass der durchschnittliche Geschworene kaum genug EDV- und Internet-Fachwissen besitzt, um nicht mit der „freien Beweiswürdigung“ der vorgelegten Ermittlungsergebnisse heillos überfordert zu sein (was im gegenständlichen Prozess auch für Richter, Staatsanwalt und Verteidiger galt, wie für Prozessbeobachter mit durchschnittlichen EDV-Kenntnissen deutlich zu erkennen war). Dass die Ermittlungsergebnisse in Wirklichkeit keinen einzigen Beweis für eine Beteiligung Mahmouds an der ihm zur Last gelegten Erstellung und Veröffentlichung des so genannten Drohvideos (in dem Österreich zum Abzug seiner Soldaten aus Afghanistan aufgefordert wird) oder dafür, dass er tatsächlich Pläne für Anschläge während der Fußball-EM verbreitet hätte, zutage gefördert haben, dürfte für die Geschworenen angesichts der Flut an unverständlichen Informationen und Fachausdrücken kaum zu erkennen gewesen sein. Da spricht wohl auch die Tatsache Bände, dass es keinerlei Urteilsbegründung seitens der Geschworenen gab (übrigens ein weiterer Nichtigkeitsgrund). Und auch wenn die Verantwortung für den Skandalprozess ohne Frage bei Behörden und Gericht liegt, verwundert es in diesem Zusammenhang doch auch, dass nicht ein einziger Geschworener nach den Propagandatexten gefragt hat, die Mona Salem Ahmed laut Anklage übersetzt hat, von denen in der Anklageschrift aber kein einziger konkret erwähnt wird.

Dr. Binder lässt auch die Leichtigkeit, mit der sich das Gericht unter Vorsitz von Dr. Norbert Gerstberger über diverse von ihm (Binder) erhobene Einwände (und entsprechende Anträge) gegen die Art der Prozessführung hinwegsetzte, nicht unerwähnt, ebenso wie die kaum noch irgendwie als seriös zu bezeichnende Vorführung irakischer Geiseltötungsvideos, die die Angeklagten auf ihren Computern gespeichert hatten – was für die Schuldfrage völlig irrelevant war und nur dazu dienen sollte, bei den Geschworenen möglichst großes Entsetzen auszulösen. Ansonsten hätte man ebenso gut die – ebenfalls auf den Computern der Angeklagten gespeicherten Videos von Szenen aus Abu Ghraib vorführen und dies als Beweis für deren pro-amerikanische Gesinnung auslegen können, wie auch Binder in seinem Dokument ausführt. Gerstbergers offensichtliche Befangenheit, die am besten durch die politischen Debatten, die er beim Prozess fortwährend mit Mohamed Mahmoud und verschiedenen Zeugen geführt hatte und seine in der Urteilsbegründung (!!!) angeführte Auffassung, die USA hätten dem Irak zu Freiheit und Demokratie verholfen, zum Ausdruck kommt, findet ebenfalls Erwähnung in der Berufung.

Auch die Tatsache, dass die Vorwürfe der Beteiligung an kriminellen und terroristischen Verbrechen und Organisationen sowohl nach österreichischem, und erst recht nach EU-Recht unzutreffend sind, wird klar und deutlich erläutert und belegt. Allein das sollte in einem Rechtsstaat ausreichen, um ein Urteil wie jenes vom 12.3. 2008 zu Fall zu bringen.

Der in der Berufung gestellte Antrag lautet dahingehend, dass a) das Urteil aufzuheben und die Angeklagten freizusprechen oder aber b) der Prozess neu aufzurollen, zumindest jedoch c) das Strafausmaß bei beiden Angeklagten herabzusetzen sei.

Angesichts der Art und Weise, in der der Prozess geführt worden ist, und vor allem aufgrund der Tatsache, dass keine Schuldbeweise vorliegen, muss allerdings abschließend angemerkt werden, dass der Rechtsstaat Österreich, sollte es nicht zumindest zu einer Neuauflage des Prozesses kommen, kaum noch das Papier wert ist, auf dem er als solcher bezeichnet wird.

Weitere Berichte und Artikel zum Prozess finden sich unter Terrorprozess und Gesinnungsjustiz

Thema
Archiv