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Haifa-Konferenz: „Für einen demokratischen Staat in Palästina“

10. September 2008

Eine weitere Gedenkveranstaltung zur Nakba oder eine Kurskorrektur der Palästina-Bewegung?, aus Intifada Nr. 26

Ein Jahr nach dem Initialaufruf von Abnaa-el-Balad (arab. „Die Einheimischen“) und nach 6-monatiger Vorbereitung seitens der arabischen und antizionistischen Organisationen innerhalb Israels (des 1948 besetzten Teils Palästinas) fand am 20. und 21. Juni 2008 in der Hafenstadt Haifa die Konferenz unter dem Leitsatz „Für das Rückkehrrecht und einen demokratischen, säkularen Staat in Palästina“ statt.

Erfolgreich, mit mehr als vierzig arabischen, jüdischen und internationalen Rednern und über hundert Beiträgen von verschiedenen palästinensischen, arabischen und internationalen Organisationen, betonte die Konferenz die Notwendigkeit eines einzigen, demokratischen Staates im gesamten Palästina, in dem alle dort lebenden Menschen gleichberechtigt sind. Das schließt das Rückkehrrecht der vertriebenen Palästinenser sowie die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte Israels ein.

Die Konferenz eröffnete einen umfassenden Dialog und setzte sich mit den historischen, politischen, sozialen, legalen, philosophischen und pädagogischen Aspekten auseinander, zu denen Fachleute aus den unterschiedlichen Feldern Stellung nahmen.

Ein weiteres Merkmal ist die Tatsache, dass diesmal die Initiative aus dem 48er-Gebiet kommt. In diesem Teil Palästinas, auf dem der offizielle Staat Israel gegründet wurde, leben heute eine Million Araber. Das sind die Nachkommen von etwa 90.000, welche — oft wegen des Bedürfnisses Israels nach billigen Arbeitskräften — die Massenvertreibungen 1948 und 1949 überlebten. Beinahe 20 Jahre unter Militärgesetzen und Ghetto-Bedingungen, seit 1967 formal israelische Staatsbürger (in der Realität Bürger zweiter Klasse), bildet heute diese einst marginale Gruppe eine immer bedeutendere politische Kraft.

Der Schwenk der PLO zur Zweistaatenlösung und das daraus resultierende Oslo-Ankommen bedeutete für diese Menschen eine politische Verwaisung. Die einst „einzige legitime Vertretung des palästinensischen Volkes“ hat sie ihrem Schicksal überlassen und betrachtete sie laut Abkommen als israelische Staatsbürger. Die politischen Gruppierungen in diesem Gebiet waren selbst eine Spiegelung des palästinensischen Politspektrums: Liberale, die ihre politischen Forderungen auf Gleichberechtigung im israelischen Staat beschränkten, Linke, auf der ursprünglichen Linie der palästinensischen Bewegung beharrende, und schließlich die islamische Bewegung, die trotz staatlicher Repression immer mehr an Boden gewinnt. Tonangebend waren immer die Kräfteverhältnisse innerhalb der PLO, und später zwischen Fatah und Hamas.

Das Scheitern des Oslo-Abkommens und die Niederlage der zweiten Intifada brachte die gesamte palästinensische Bewegung in eine Sackgasse. Die Möglichkeit einer Zweistaatenlösung wurde von der israelischen Politik zunichte gemacht. Die Niederlage der Intifada war der Ausdruck des Fehlens eines Alternativprogramms zur Zweistaatenlösung. Auch die islamische Bewegung blieb letztlich in diesem Problem gefangen. Sich zwar auch auf die Befreiung von ganz Palästina berufend, bot sie mit ihrer Perspektive eines islamischen Staates in Palästina aber keine realistische Alternative für ein Land, in dem schlussendlich eine politische Lösung mit vier Millionen Andersgläubigen (ganz abgesehen von den säkularen Kräften) gefunden werden muss.

Daher ist es kein Wunder, dass es diesmal die arabischen Organisationen innerhalb Israels waren, welche die politische Initiative ergriffen. Zum ersten Mal gingen sie auch über lokale Aktivitäten hinaus, welche die unmittelbare Existenz und die Rechte der Palästinenser im 1948 besetzten Land betreffen, und führten auch eine koordinierte Aktion gemeinsam mit einigen palästinensischen Organisationen aus den Flüchtlingslagern in Syrien und im Libanon durch (ein weiterer politisch marginalisierter Teil der Palästinenser). Ein Vorgehen, das an die ursprünglichen Ziele der palästinensischen Bewegung erinnert. Sie erneuerten somit die Forderung nach der einzig möglichen dauerhaften und progressiven Lösung der Palästina-Frage und brachten den Kompass auf die richtige Orientierung zurück.

Die Konferenz fand in einem historischen Moment statt, wo die palästinensische Bewegung (vertreten durch die politischen und militärischen Organisationen in Westjordanland und Gaza) eine ihrer tiefsten politischen Krisen durchlebt, welche vom Fehlen von konkreten Zielen und plausiblen politischen Programmen gekennzeichnet ist.

Scheinbar ein kleiner Schritt von kleinen politischen Gruppierungen und einigen fortschrittlichen Intellektuellen, bietet diese einzigartige Initiative die Möglichkeit einer politischen Wende in der palästinensischen Befreiungsbewegung. Die unterschiedlichen Reaktionen im palästinensischen, im solidarischen und auch im feindlichen Lager zeigen das Potential an. Es ist an den palästinensischen Kräften und der Solidaritätsbewegung, darauf aufzubauen.

Die Organisatoren selbst zeigten sich sehr zufrieden und wiesen darauf hin, dass die Konferenz vielleicht jenes Ereignis der palästinensischen Bewegung in den 48-Gebieten war, das bisher die meiste Beteiligung von solidarischen jüdischen Exponenten erfuhr. Wie weitere Schritte zu einem demokratischen Staat gesetzt werden können, bleibt unter den Protagonisten umstritten. Der ehemalige Knesset-Abgeordnete Asmi Bschara repräsentiert in gewisser Weise den institutionellen Weg von innen. Seine Flucht wegen staatlicher Verfolgung, von der selbst ein Parlamentarier nicht geschützt ist, wenn er Araber ist, zeigt aber deutlich die Grenzen. Die Organisatoren von Abnaa-el-Balad meinen daher, dass ein wirklicher Fortschritt nur nach einer substantiellen Niederlage des zionistischen Apparates möglich sein wird.

Mohammed Aburous

Für Dokumente, Beiträge und Reaktionen siehe Konferenzwebseite: www.ror1state.org

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