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Aufgeheizte Vorwahlstimmung in Venezuela

27. Januar 2009

Bericht aus Caracas

Die Kampagne rund um das Referendum am 15. Februar 2009, bei dem über eine Verfassungserweiterung abgestimmt wird, welche die uneingeschränkte Möglichkeit bei Wahlen zu kandidieren, beinhaltet, ist voll im Gange – und zwar sowohl von Seiten der Regierung als auch von Seiten der Opposition.

Vergangene Woche gab es erste Proteste von Studierenden einer privaten Universität gegen die Verfassungserweiterung. Die Studierende blockierten für einige Zeit eine Autobahn und richteten einige Akte des Vandalismus an. Am Dienstag, 20. Jänner fand eine weitere Demonstration von anti-chavistischen Studierenden statt. Als es zu Ausschreitungen kam, verhinderte die Polizei unter Einsatz von Tränengas, dass die Studierenden ihre Demonstration in Richtung des Sitzes der Nationalen Wahlbehörde fortsetzten. Offenbar kam es von Seiten zweier linker Organisationen zu Gewaltakten gegen die anti-chavistischen Studierenden.

Jedenfalls gingen nach dieser Demonstration die innenpolitischen Wogen hoch: Die anti-chavistischen Studierenden und die Opposition sprachen naturgemäß von Repression gegen das demokratische Demonstrationsrecht. Die Regierung wies auf die gewalttätigen Ausschreitungen hin, die den Einsatz notwendig gemacht hätten. Tatsächlich war es das erste Mal, dass die Polizei den rechtsgerichteten Studierenden mit Tränengas begegnete. Bis jetzt ließ man sie, offenbar aus Angst um das demokratische Image der Regierung, gewähren, obwohl sie im Wahlkampf für die Regionalwahlen im November 2008 die Stadt des Öfteren in Schutt und Asche gelegt hatten.

Als Antwort auf die Proteste der bürgerlichen Studierenden fand am Mittwoch eine Demonstration in Unterstützung für die Verfassungserweiterung der Studierenden der Bolivarianischen Universität Venezuelas (UBV) statt. Die UBV wurde vor fünf Jahren gegründet, um der großen Nachfrage nach höherer Bildung der Unterschichten nachzukommen. Es gibt keine Studiengebühren und keine Zugangsbeschränkungen. Dies steht im Gegensatz sowohl zu den privaten, als auch zu den traditionellen öffentlichen Universitäten, die sich in den letzten Jahrzehnten durch Zugangsbeschränkungen und versteckte Kosten, praktisch zu Universitäten für die Elite gewandelt haben.

Am Freitag gab es gleich drei Demonstrationen. Die Opposition rief wieder zu einem Protestmarsch auf, parallel dazu fand der Aufmarsch der chavistischen Arbeitsorganisationen statt und im traditionell kämpferischen Stadtteil 23 de Enero gab es die Feierlichkeiten zum Jahrestag des 23. Jänner 1958, an dem das Viertel maßgeblich zum Sturz des Diktators Perez Jimenez beigetragen hatte und dessen Namen es trägt. Es ist als Zeichen der Provokation zu werten, dass die Opposition dieses symbolträchtige Datum für ihren Aufmarsch ausgewählt hatte.

Marsch der chavistischen Arbeiterorganisationen

Präsident Chavez nahm an den Feierlichkeiten im Stadtteil 23 de Enero statt – im Wesentlichen ging es darum, das Viertel auf ein „Si“ beim Referendum einzuschwören, nachdem auch dort bei den Regionalwahlen Ende vergangenen Jahres einige Stimmen an die Wahlenthaltung verloren gegangen waren.

An der Demonstration der Opposition angesehen nahmen rund zweitausend Personen teil, großteils deutlich erkennbar den Mittel- und Oberschichten zugehörig, aber auch einige Leute aus der Unterschicht. Der Bürgermeister des Großraum Caracas Ledezma, den seit November die Opposition stellt, war in seiner Rede der Regierung vor, ihr eigenes Programm nicht zu erfüllen. Stattdessen kündigte er ein Stipendienprogramm und andere Sozialmaßnahmen für die arme Bevölkerung an.

Auf Seite der chavistischen Organisationen geht es im Grunde darum, Präsenz und Stärke zu zeigen, was mit der massenhaften Beteiligung am Aufmarsch der chavistischen Arbeitsorganisationen auch gelang.

Margarethe Berger
25. Januar, Caracas

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