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Kopfgeburten der Kriegstreiber: Feindbild Islam

27. Januar 2009

von Klaus von Raussendorff, aus Intifada Nr. 27

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 dreht sich die Terror-Obsession des Westens um den „Großen Mittleren Osten“. Dort ist die Mehrheit der Bevölkerung muslimisch oder von der islamischen Kultur geprägt. Hier entdeckte George W. Bush die „Achse des Bösen“. In seiner zweiten Rede zur Lage der Nation im Januar 2002 erklärte er, diese strebe danach, sich zu „bewaffnen, um den Frieden der Welt zu bedrohen“. Das Wort „Achse“ sollte Assoziationen wecken. War der Krieg gegen die faschistischen „Achsen-Mächte“ nicht ein legitimer Kampf gewesen? Die von Bush namentlich genannten Länder Irak, Iran und Nordkorea, waren also – na, was wohl? Richtig: – faschismusähnlich. So konnte die Propaganda für den „globalen Krieg gegen den Terror“ auch als „Weltkrieg gegen den Islamofaschismus“ bei Rassisten Furore machen.

Israel und Iran

Die derzeit gefährlichste Erscheinungsform der Islam-Feindlichkeit ist die Stimmungsmache für einen Krieg gegen den Iran. Nach den Kriegslügen von der Mitverantwortung Afghanistans für „9/11“ und den irakischen „Massenvernichtungswaffen“ und „Al-Qaeda-Verbindungen“ soll nun eine hypothetische „Bombe“ des Iran den Vorwand für den nächsten Krieg liefern.

Israel und Iran rivalisieren in der Region um hegemonialen Einfluss. Juden und Perser sind seit biblischen Zeiten meist gut miteinander ausgekommen. Noch unter dem Schah war der Iran aus Sicht Israels ein strategischer Partner gegen die Araber. Selbst nach der islamischen Revolution 1979 riss der Kontakt Tel Avivs zu Teheran nicht ganz ab. Israel vermittelte in den 80er Jahren bei dem Dreiecksgeschäft über Rüstungslieferung für die iranische Armee und US-Hilfe für nicaraguanische Konterrevolutionäre. Erst Anfang der 90er Jahre, als der Irak als regionaler Konkurrent Israels ausgeschalten war, begannen israelische Politiker, den Iran als Hauptfeind zu definieren. Die israelische Regierung beschwor als erste die globale Bedrohung durch den „islamischen Fundamentalismus“. Paradoxerweise war es dann die Politik der USA und Israels, den Iran durch den Sturz der Taliban-Regierung in Afghanistan und der Baath-Regierung im Irak von konkurrierenden Kräften in seinen Nachbarländern zu befreien.

Der Iran fungiert für den Widerstand in der Region als rückwärtiger Raum, in politischer, diplomatischer, ideologischer wie militärischer Beziehung. Teheran steht in einer strategischen Allianz mit dem säkularen Syrien, verfügt über ein – derzeit nicht ausgeschöpftes – Störpotenzial gegen die USA im Irak, unterstützt den Befreiungskampf von Hezbollah und Hamas und ist um Einverständnis unter den Schiiten sowie aller Muslime in der Region und weltweit bemüht.

Keine Woche vergeht, in der nicht israelische Militärs oder Politiker die Möglichkeit eines Militärschlages gegen den Iran ausmalen. In den USA veröffentlichten im Oktober 2008 Politiker beider Parteien eine Studie zur Iran-Politik unter dem nächsten US-Präsidenten, sie empfehlen eine rasante Verschärfung: Erst eine Seeblockade, dann ein wochenlanger Bombenkrieg gegen Produktionsanlagen und Infrastruktur, der den Iran so verwüsten und zurückwerfen soll, dass er nicht bloß auf Jahre, sondern vielleicht Jahrzehnte von ausländischer, insbesondere US-Hilfe abhängig ist. (siehe Knut Mellenthin: http://www.hintergrund.de/content/view/289/63/).

Querfront der Islam-Hasser, Kriegstreiber und falschen Freunde der Juden

Am 28. Oktober 2008 stellte sich in Berlin eine Kampagne STOP THE BOMB mit einer Pressekonferenz vor. Sie wirbt dafür, den Iran „politisch und diplomatisch zu isolieren“. Das Argumentationsmuster überrascht nicht: „Für Israel wäre die iranische Bombe eine existenzielle Gefahr“. Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad habe „zur Vernichtung des jüdischen Staates aufgerufen“, wird in Fälschung seiner Zitate behauptet. Gefordert wird, dem Beispiel der Länder des angelsächsischen Kapitals (USA, Kanada, Großbritannien) zu folgen, die sich angemaßt haben, Hezbollah zu „verbieten“. Mit der Arroganz westlichen Herrenmenschentums wird ignoriert, dass der erfolgreiche Widerstand von Hezbollah gegen die israelische Aggression von der großen Mehrheit im Libanon anerkannt wird, was auch in ihrer Regierungsbeteiligung zum Ausdruck kommt.

Aber in der Pressemitteilung zur Kampagne kommt es noch dicker: „Schon zu Weihnachten könnte die Islamische Republik Iran eine Atomwaffe haben, stellte Mohammed ElBaradei, der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde in der letzten Woche fest.“ Diese unglaubliche Verdrehung eines Interviews von ElBaradei entstammt dem Artikel in der Süddeutschen Zeitung „Eine Bombe zu Weihnachten“. Der Autor Hans Rühle war 1982-88 Leiter des Planungsstabes im Bundesverteidigungsministerium, danach für die „Bundesakademie für Sicherheitspolitik“ und die NATO aktiv.

„Rühles Artikel ist, kurz zusammengefasst, ein Hohn auf journalistische Gepflogenheiten und Standards, indem er Fakten munter mit Mutmaßungen und (Fehl-) Interpretationen vermengt“, analysiert Knut Mellenthin (http://www.hintergrund.de/content/view/292/63/). Der ungeheuerliche Vorgang zeigt, wie antiislamische Kriegspropaganda gemacht wird: Unglaubwürdige Behauptungen werden von einem ‚Spindoktor‘ (politischen Kampagnen-Verkäufer) aus dem Sicherheitsapparat trickreich über eine als seriös geltende Zeitung in die Welt gesetzt und münden in eine strategisch organisierte Kampagne.

Zu den Unterzeichnern des Aufrufs STOP THE BOMB gehören neben den prozionistischen Organisatoren der Kampagne die Bundestagsabgeordnete Petra Pau (Partei DIE LINKE, PDL), der Bundesarbeitskreis Schalom in der PDL-Parteijugend und ein Arbeitskreis der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Auch ein prominenter Vertreter des Christlichen Zionismus ist dabei: Malcom Hedding, seines Zeichens Geschäftsführender Direktor der „International Christian Embassy Jerusalem“ in Jerusalem.

Christen gegen „Christlichen Zionismus“

Dieser südafrikanische Pastor Hedding hatte anlässlich der Auflösung jüdischer Siedlungen in Gaza 2005 öffentlich lamentiert: „Wie kann Gott dies zulassen?“ Denn nach christlich-zionistischem Aberglauben müssen die Juden ganz Palästina besetzen, damit der Heiland wiederkehren kann. Allerdings müssen die Juden dann entweder christlich werden oder in der Schlacht von „Armageddon“ umkommen. Die bigotte Spinnerei von der Endzeit hat einen durchaus judenfeindlichen Inhalt.

Einige der deutschen Unterstützer der Kampagne kommen aus Kreisen des christlich-jüdischen Dialogs, andere berufen sich politisch auf christliche Werte. Praktisch aber stehen sie in einer antiislamischen Querfront mit dem christlichen Zionismus, von dem sich die Christen der USA jüngst deutlich distanziert haben.

Als im US-Präsidentenwahlkampf der Film „Obsession: Der Krieg des radikalen Islam gegen den Westen“ als DVD in 28 Millionen Kopien verbreitet wurde, wollten US-amerikanische Christen dazu nicht schweigen. Die interkonfessionelle Kommission des National Council of Churches, Dachorganisation von 35 Kirchen mit 45 Millionen Mitgliedern in 100.000 Gemeinden kritisierte am 30. Oktober 2008: Der Film suggeriere nur zwei Möglichkeiten, auf den „radikalen Islam“ zu reagieren, Krieg oder Appeasement. „Eine solche falsche Wahl dient nur dazu, Angst vor dem Islam und Aggression gegen Muslime zu schüren“, so die christlichen Kirchen. Sie wollen nicht nur den christlich-muslimischen Dialog vertiefen. Sie unternehmen auch Anstrengungen, den Einfluss des christlichen Zionismus in den USA zurückzudrängen. Bis Jahresende wollen sie 45 Millionen Exemplaren der Broschüre „Warum wir über den christlichen Zionismus besorgt sein sollten“ verteilen, in der deutlich gemacht wird: Christlicher Zionismus „fördert Hass auf Muslime und eine negative Haltung zu Frieden.“

Köln: Islamfeindliche Provinzposse

Von islamfeindlicher Stimmungsmache hoffte schließlich, wen wundert’s, auch die ultrarechte „Bürgerbewegung pro Köln“ mit einem eigenen „Anti-Islamisierungskongress“ am 19./20. September 2008 zu profitieren, gedacht als Auftakt für ihren Kommunalkampf im nächsten Jahr. Dagegen formierte sich ein breites Bündnis vom NRW-Ministerpräsidenten über den Kölner Oberbürgermeister, Antifa-Gruppen, linken und halblinken Organisationen bis hin zu Künstlern, Taxifahrern und Wirten. Die Bilanz des Antifa-Netzwerkes Münster: „Der geplante Kongress der Rassisten konnte nicht stattfinden, weil die Polizei deren Sicherheit nicht gewährleisten konnte.“

Bei aller Genugtuung der Blockierer, dass „das Blockadekonzept voll und ganz erfolgreich gewesen“ sei, bleibt ein peinlicher Nachgeschmack, weil auch sie der grassierenden Islamophobie ideologisch nicht standhielten. Ganz politisch korrekt rapportieren sie: „Die antifaschistische Bewegung sollte dafür Sorge tragen, dass islamistische Gruppierungen nicht als Bündnispartner gegen Rechts akzeptiert, sondern als politische Gegner bekämpft werden.“ Die Absage an antiimperialistische, antirassistische Solidarität auch mit Organisationen gläubiger Muslime mag ein Zugeständnis an pro-zionistische „Antideutsche“ in den eigenen Reihen sein, ersparte den Antifa-Blockierern allerdings nicht die Häme von Seiten derer, die „den“ Islam schlechthin zum Feindbild erklären wollen.

Gemeint ist eine Gruppierung, die meinte, bei den Protesten als „dritte Kraft“ auftreten zu können. Dabei hatte sie selbst knapp vier Monate zuvor in der Kölner Uni eine „Kritische Islamkonferenz“ besonderer Art veranstaltet. Der Schriftsteller Ralph Giordano, der monatelang gegen den Bau einer Moschee zu Felde gezogen und zum Liebling der Neofaschisten geworden war, hatte die Eröffnungsrede gehalten. Sein Motto lautete: „Nicht die Migration, der Islam ist das Problem“. Mit von der Partie waren Mina Ahadi, Führungskader der Arbeiterkommunistischen Partei des Iran und zugleich Protagonistin des „Zentralrats der Ex-Muslime“ sowie ihr Unterstützer Michael Schmidt-Salomon von der Giordano-Bruno-Stiftung und ein gewisser Hartmut Krauss. Die ausgewiesenen Islam-Bescheidwisser riefen zum Widerstand „gegen die einheimischen und zugewanderten Rechtskräfte“ auf. Sie wollten es nicht gewesen sein, die geholfen hatten, das Klima zu schaffen, von dem die Rechten und Ultrarechten profitierten. Und auch jetzt noch leisteten sie dem rechten Rand der antiislamischen Querfront Schützenhilfe, indem sie die Blockierer der Rassisten als „vermeintlich antirassistische Islamversteher“ zu denunzieren versuchten, die gegen Islamisten auf Tauchstation gingen. (http://www.kritische-islamkonferenz.de/index08.htm)

Klaus von Raussendorff

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