Site-Logo
Site Navigation

Kulturkrieger

6. Februar 2009

Repressionsorgane und Antinationale im Bündnis gegen Muslime in Deutschland

In einer konzertierten Aktion werfen das Düsseldorfer Innenministerium und zwei ARD-Landesanstalten dem muslimischen Menschenrechtsverein Human Dignity and Rights e. V. (HDR) vor, antisemitischen Bestrebungen zu folgen. Wolfgang Bosbach, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, strebt im Verbund mit antinationalen Journalisten ein Verbot des HDR-Vereins an.
Eindeutige Belege werden indes nicht vorgelegt. Vielmehr dominieren pauschale Vorverurteilungen und eine radikal einseitige Pro-Israel-Parteinahme. Der bisherige Verlauf der Agitation gegen den HDR-Verein kann in drei Abschnitte unterteilt werden.

Erster Akt: Verfassungsschutz inszeniert Hassprediger-Zentrale

In seinem letzten Jahresbericht schreibt der Verfassungsschutz NRW (1): „In den Reden des Vorsitzenden [des HDR-Vereins] und auch in den Flugblättern der Organisation finden sich immer wieder antiwestliche, vor allem antiamerikanische sowie antijüdische Propaganda, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstößt. Das politische Weltgeschehen wird in den Flugblättern und Reden einseitig antiimperialistisch interpretiert und vermittelt.“
Allerdings ist der Verfassungsschutz nicht in der Lage, auch nur ein einziges „antijüdisches“ Zitat zu dokumentieren. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass in den öffentlich nachlesbaren Reden des Vorsitzenden Antijudaismus „immer wieder“ vorkommen soll. Stattdessen bemüht der Verfassungsschutz Zitate wie folgt: „Unsere uneingeschränkte Solidarität gehört jenen Völkern, die den Kampf gegen das abendländische Empire aufgenommen haben.“ Sicher, ein sehr schneidiges Zitat. Aber „antijüdisch“? Was der Verfassungsschutz tatsächlich betreibt, ist Kritik an westlicher Interventions- und Kriegspraxis mit der Antisemitismus-Keule zu erschlagen. Nur wer das Vorgehen des Westens in Irak, in Afghanistan und anderswo gutheißt, kann das letzte Zitat ausschließlich abwertend verwenden.

Über den vom HDR-Verein verwendeten Empire-Begriff ließe sich vieles sagen. In der Linken herrscht ein kontroverser Diskurs darüber, ob und wie ein Empire zu definieren ist, der hier nicht wiedergegeben werden kann. Beschränken wir uns deswegen auf Stimmen, die nicht der Linken zuzuordnen sind: „Eine politische Einheit, die eine überwältigende militärische Überlegenheit besitzt und diese benutzt, um die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zu beeinflussen, wird Empire genannt. (…) Ziel ist die Aufrechterhaltung unserer imperialen Position und der imperialen Ordnung. (…) Maximale Gewalt kann und sollte aus psychologischen Gründen so schnell wie möglich eingesetzt werden um zu demonstrieren, dass bestraft wird, wer das Empire herausfordert.“ (Stephen Peter Rosen, ehemaliges Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates der USA; aus: Harvard Magazine 5/2002.)

„Amerika ist das neue Rom, ein amerikanisches Imperium.“ (FAZ vom 16.03.2003)

„Was macht es für einen Sinn die größte, mächtigste Nation in der Welt zu sein und doch keine imperiale Rolle zu spielen? Von so etwas hat man in der Geschichte noch nicht gehört. Die mächtigsten Nationen spielten immer eine imperiale Rolle.“ (Irving Kristol, US-amerikanischer Sozialwissenschaftler und Chefideologe der Neokonservativen; aus: Boston Review 1/2004.)

„So, call it as you prefer, ladies and gentleman, but if it looks like an empire, and acts like an empire, and increasingly quacks like an empire, well, perhaps you know what it is?“(Paul Kennedy)

Indem der Verfassungsschutz antiimperialen Protest an den Pranger stellt, drückt er aus, dass er von einer imperialen Ordnung ausgeht und diese verteidigt. Dabei ist ihm kein Mittel zu schade: Notfalls werden unbequeme Standpunkte in die antisemitische Ecke gerückt – ohne jeden Nachweis.

Zweiter Akt: Islamophobie und Angstproduktion im WDR

Im Juli 2008 nutzt der Journalist Wolfgang Buschfort die WDR-Sendung „Zwischen Rhein und Weser“ als Plattform, um die Medienarbeit des Verfassungsschutzes zu unterstützen. In seinem Bericht „Islamismus am Niederrhein“ erwähnt auch er das HDR-Zitat gegen das abendländische Empire. Wörtlich fügt Buschfort hinzu: „Und so lässt der Verein auf seinen Internetseiten den Terror von Gruppen im Irak, in Israel und im Libanon hochleben.“ (2)

Belege und Nachweise hierfür? Wieder Fehlanzeige. Der Autor ist außerstande, auch nur ein einziges Zitat zu dokumentieren, in dem der Verein „Terror in Israel“ oder anderswo „hochleben“ lässt. Schaut man sich die Webseite des beschuldigten Vereins (http://www.hdr-org.de/) gründlich an, stößt man vielmehr auf Äußerungen wie folgt: „Niemand darf anderen seine Religion oder Ideologie oder eigens entwickelte Werte aufdiktieren.“

„Es lebe die Freundschaft und Gleichwertigkeit aller Völker für Frieden und Gerechtigkeit.“

„Tatsache ist jedoch, dass die USA und Israel keinen Kampf gegen den Terror, sondern gegen das internationale Völkerrecht führen.“

„Es wäre lächerlich, abzustreiten, dass es in Deutschland und anderswo in Europa Antisemitismus gibt. Es wäre aber genauso lächerlich abzustreiten, dass das Ausmaß dieses Antisemitismus stark übertrieben wird, damit die Kritik an Israel im Keim erstickt wird. Um die echten Antisemiten zu entlarven, bräuchte Israel nur seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und das zu tun, was der überwiegende Teil der Menschheit (einschließlich vieler Juden) dringend zur Lösung des Konflikts empfiehlt: sich vollständig aus den besetzten palästinensischen Gebieten zurückzuziehen.“

„Wir möchten eine Welt ohne Kriege, eine Welt, in der anstelle von Flüchtlingslagern Bildungseinrichtungen gebaut werden, eine Welt, in der die, die den Krieg zwischen den Religionen und Zivilisationen antreiben, verurteilt werden.“

„Die Besatzer in Palästina, im Libanon, Irak, Afghanistan und in allen anderen Staaten müssen sich unverzüglich zurückziehen und den jeweiligen Völkern Schadensersatz leisten. „

Sämtliche Zitate stammen aus dem Zeitraum vor der Ausstrahlung der betreffenden WDR-Sendung. Statt sauber zu recherchieren und wiederzugeben, stellt der Autor Muslime unter Generalverdacht. Buschfort ist antiislamisch gepolt, manipuliert Fakten und legitimiert völkerrechtswidrige Kriege.

Intermezzo: Anton Maegerle

Anton Maegerle ist ein SPD-naher Journalist, dessen umfassendes Privatarchiv über die rechtskonservative Szene und rechtsextreme Gewalttaten allgemein anerkannt ist. Trotz der Verdienste Maegerles ist festzuhalten, dass er sich 2006 gegen die Antikriegsbewegung gestellt hat. In seinem Artikel „Die iranische Rechtsextremisten-Connection“ (3) dokumentiert er einige antisemitisch durchsetzte Sympathiebekundungen deutscher Rechtsextremer für das iranische Regime. Dabei gibt er zwar reale Fakten wieder, doch bemerkenswert ist der Zeitpunkt seiner Publikation:

Anfang 2006 schien ein Krieg gegen Iran unmittelbar bevorzustehen. Mit der IAEA-Resolution vom 4. Februar 2006 kamen die USA ihrem Ziel einer von einem breiten Bündnis getragenen oder zumindest tolerierten militärischen Eskalation einen großen Schritt näher (4).Auf der zeitgleichen Münchener Sicherheitskonferenz assistierte Angela Merkel der US-Regierung wie folgt:
„Der Iran hat mutwillig – ich muss das leider so sagen – die ihm bekannten roten Linien überschritten“. Als das Naziregime in den Anfangsjahren erstarkt sei, habe es oft geheißen, das sei nur Rhetorik. „Es hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass es Zeiten gegeben hätte, in denen man anders hätte reagieren können, und meines Erachtens ist Deutschland verpflichtet, schon auf früher Stufe etwas zu tun.“ (5)

In solch einem Kontext antiiranische Artikel zu veröffentlichen, kann auch als linker Bellizismus bezeichnet werden. Der personelle und politische Zusammenhang mit der Agitation gegen den HDR-Verein offenbart sich im vorläufig letzten Akt.


Dritter Akt: Der Übergang zur offenen Lüge

Es verwundert nicht, dass Buschfort und Maegerle zusammenarbeiten. Auch Buschfort bekennt in der Iranfrage Farbe: Er ist Unterzeichner der militaristischen „Stop the Bomb“-Kampagne (6). Wortführer dieser Kampagne fordern einen atomaren Angriffskrieg gegen Iran.(7)

Im Januar 2009 vereinen sich Buschfort und Maegerle, um in „Report“, dem TV-Magazin des SWR, eine weitere Aufführung gegen den HDR-Verein zu inszenieren. Ziel ist dieses Mal das HDR-Mitglied Yalcin I. Im Beitrag „Was verbirgt sich hinter dem Verein Human Dignity and Rights“ (8) heißt es:
„Auf einer inzwischen abgeschalteten Website, so der Vorwurf, hat er [Yalcin I.] dieses Gebet veröffentlicht: „Oh Allah, vernichte deine Feinde, vernichte die Amerikaner, Russen und die Juden. Oh Allah, beschleunige ihre Vernichtung und mache ihren Besitz zu einer Spende für die Muslime.“
O-Ton, Yalcin I., Mitglied „Human dignity and rights“: „Das ist nicht mein Gebet.“
Frage: Das ist nicht Ihr …
O-Ton, Yalcin I., Mitglied „Human dignity and rights“: „Nein, nein, nein, das ist nicht meines.“
Frage: Das stand auf Ihrer Website.
O-Ton, Yalcin I., Mitglied „Human dignity and rights“: „Nein, nein.“
Die Staatsanwaltschaft aber stützt ihre Anklage [wegen Volksverhetzung] auf genau jenes Hassgebet.“

Hier wird in den Raum gestellt, Yalcin I. könnte der Urheber des Zitierten sein. Das ist die erste Lüge. Als weitere Möglichkeit wird suggeriert, das Zitierte stamme von wem auch immer, aber Yalcin I. hätte es bewusst veröffentlicht. Das ist die zweite Lüge. Denn das diskreditierende „Hassgebet“ tauchte in einem Internet-Forum auf und
durchlief nachweislich keiner redaktionellen Freigabe durch Yalcin I. Der Anwalt von Yalcin I. geht davon aus, dass der für April 2009 angesetzte Gerichtstermin innerhalb von Minuten mit einem klaren Freispruch enden wird.

Hilfsagenturen des Empires

Mehrheitsmedien verbreiten im Verbund mit YouTube-Einzelkämpfern, dass eine unbekannte Einzelperson anlässlich einer vom HDR-Verein angemeldeten Demonstration im Januar 2009 die Parole „Wo ist der Hitler?“ gerufen hat. Hier merkt der HDR-Verein an:
„Wir bedauern es sehr, dass solche Menschen unsere Demonstration als Plattform für ihre Hassausbrüche missbrauchen konnten und distanzieren uns mit aller Deutlichkeit von dieser Gesinnung. Denn entgegen den Behauptungen des Verfassungsschutzes haben antijüdische bzw. antisemitische Einstelllungen in unserer Organisation keinen Platz. Unsere Kritik richtet sich seit unserer Gründung einzig und allein gegen die Vorgehensweise der israelischen Armee und Politik in Palästina und der Unterstützung dieser Vorgehensweise durch die USA und der EU einschließlich Deutschland. Nicht jedoch gegen ein Volk oder gegen Angehörige einer Religion oder Weltanschauung.“ (http://www.hdr-org.de/)

Ob eine hitzige Staatsanwaltschaft, ein kreativer Verfassungsschutz oder interessierte YouTube-Aktivisten: Sie alle finden schließlich ihre Ehrung im antinationalen Zentralorgan Jungle World – eine weitere Hilfsagentur des Machtkomplexes USA-EU-NATO, die à  la Buschfort/Maegerle eine antisemitische Weltverschwörung erdichtet. In der Ausgabe 5/09 werden die Repressionsorgane samt dem CDU-Politiker Wolfgang Bosbach lobend erwähnt und offen Law and Order propagiert.
Was das heterogene Bündnis zur Abwehr von Muslimen eint, ist die ideologische Wegbereitung imperialer Kriege – exakt die Kriege, für deren Beendigung HDR eintritt.
Es gilt, der antidemokratischen und kulturalistischen Hetze entgegenzutreten.
Widerstand gegen das Empire ist kein Terrorismus.

Initiativ e.V.
im Februar 2009

1http://www.im.nrw.de/imshop/shopdocs/aktueller_Verfassungsschutzbericht.pdf
2http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/2008/07/08/rheinweser_01.xml
3http://www.doew.at/thema/re_iran/maegerle.html
4http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/presse/2006-02-06.html
5http://www.securityconference.de/konferenzen/rede.php?menu_2006=&menu_konferenzen_archiv=&menu_2009=&menu_konferenzen=&sprache=de&id=170&
6http://de.stopthebomb.net/fr/start/deutschland/signez-la-petition/toutes-les-signatures.html?no_cache=1#c324
7http://grenzenlos-frei.blogspot.com/2008/07/so-wird-ein-atomschlag-gegen-den-iran.html
8http://www.swr.de/report/-/id=233454/nid=233454/did=4293810/1chap9z/index.html

Thema
Archiv