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Botschaften vom irakischen Widerstand

18. Februar 2009

Welche Positionen werden von der irakischen Guerilla vertreten, welche Ziele verfolgen sie? Erstmals hat sich ein repräsentatives Bündnis der Freiheitskämpfer durch ihre offiziellen Sprecher zu diesen Fragen ausführlich geäußert.


von Felix Taal

Mit den weltweiten Protesten gegen die Angriffspläne der USA stellte sich den Kriegsgegnern nach dem Beginn der Kämpfe die Frage, welche Alternativen sie vertreten wollten. Die Massenmedien halten bis heute die Pentagonlüge aufrecht, der zufolge vor allem Reste des alten Regimes sowie ausländische Fanatiker der alQaida maßgeblich für den Widerstand verantwortlich seien. Folglich könne man sich entscheiden, doch noch auf der Seite der USA zu stehen oder aber diffuse Sekten, über die außer ihrer Brutalität nichts bekannt ist, zu unterstützen.

Tatsächlich gibt es eine fest – vor allem in der sunnitischen – Bevölkerung verankerte Widerstandsbewegung, deren wichtigste Fraktionen seit Oktober 2007 in drei Verbänden organisiert sind. Diese drei Fronten stehen in Kontakt zueinander, beziehen regelmäßig zu aktuellen Fragen Stellung und arbeiten an einem Programm für den Irak nach der Besatzung (1).

Die drei Fronten der Guerilla

I (Jihad and Change Front)
Am 23. September 2007 gründete sich die „Jihad and Change Front“ (JCF). Von den insgesamt neun Fraktionen sind die ‚1920 Revolution Brigades‘ und die ‚Rashideen Army‘ am bekanntesten. In ihrem politischen Programm (2) erklären sie ihre drei wichtigsten Grundsätze: Die Besatzung und alle daraus abgeleiteten Projekte – die Verträge, die Parteien, die Verfassung – sind ungültig, der Widerstand vertritt die irakische Bevölkerung und kämpft für die volle Souveränität des Landes. Dieses soll nach der Befreiung ein Staat mit „arabischer und islamischer Identität“ sein, mit dem Anspruch, allen Irakern Sicherheit, Gerechtigkeit sowie ein Leben in Würde zu gewährleisten. Alle Besatzungsgegner werden eingeladen, Teil der Front zu werden oder in einen Dialog mit ihnen zu treten; für die Zeit nach der Besatzung soll ein detaillierter Plan erarbeitet werden. Die Front pflegt enge Kontakte zur „Vereinigung der islamischen Gelehrten im Irak“ (AMSI), der wichtigsten religiösen Einrichtung im Irak, die das Besatzerprojekt konsequent ablehnt. (3)

II (High Command For Jihad and Liberation)
Am 3. Oktober gab die „Front für Jihad und Befreiung“ (HCJL) ihre Gründung bekannt (4). Sie wird von Izzat ad-Douri, dem Vizepräsidenten der Irakischen Republik bis zum Sturz Saddam Husseins, geleitet, der zugleich Vorsitzender der „Arabischen Sozialistischen Baath-Partei“ (ASBP) geworden ist.
In ihrem Grundsatzprogramm erklären sie acht Bedingungen für den Abzug der Amerikaner: Vor allem werden die Besatzer aufgefordert, die Widerstandsorganisationen anzuerkennen und unverzüglich mit dem Truppenabzug zu beginnen. Eine auf „islamischen, demokratischen Prinzipien“ beruhende Regierung werde die für ihre Doppelmoral bekannte „imperialistische Demokratie“ ersetzen.
Obwohl die Befreiungsfront bei ihrer Gründung 22 Gruppen aufzählte und diesen nach einem Jahr noch mindestens 12 Weitere, darunter christliche und kurdische, hinzufügte (5), ist bisher nur ihre größte Fraktion, die ‚Jaish al Naqshabandiya‘, durch Videos und Statements bekannt.

III (Political Council for Iraqi Resistance)
Am 11. Oktober 2007 wurde der „Politische Rat des Irakischen Widerstandes“ (PCIR) als dritte Vereinigung gegründet (6). Heute gehören der Organisation die ‚Islamic Army in Iraq‘ (IAI), die ‚Ansar as-Sunnah – Sharia Commitee‘ (AAS-SC), die ‚Islamic Front of the Iraqi Resistance‘ (JAAMI) sowie die ‚Islamic Resistance Movement‘ (Iraqi Hamas) an; sie alle gelten als religiös-pragmatische Gruppen, die beiden letztgenannten kommen aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft. In dem gemeinsamen Politischen Programm berufen sie sich auf das Recht auf Widerstand, betonen ihre Ablehnung jedes Angriffs auf Zivilisten und fordern eine unabhängige, technokratische Übergangsregierung. Alle Verträge und Gesetze, die nach dem Beginn der Besatzung vereinbart wurden, werden ebenfalls für rechtswidrig erklärt und die Reichtümer des Landes – insbesondere Wasser und Öl – als Eigentum aller Iraker bezeichnet. Die internationale Gemeinschaft wird abschließend aufgerufen, den Irakern bei dem Erkämpfen ihrer Rechte zu helfen.

Die Befreiungsbewegung

Einig sind sich die drei beschriebenen Fronten darin, dass die Besatzung illegitim und der bewaffnete Widerstand gegen sie die einzig sinnvolle Option ist. Über die tatsächliche Größe aller Gruppen gibt es keine verlässlichen Quellen, durch ihre bemerkenswerte Medienarbeit aber hat jede dieser Organisationen eine Internetseite mit regelmäßig erscheinenden politischen Stellungnahmen, gefilmten Angriffen, Berichte über ihre Arbeit und Bildergalerien ihrer Kämpfer. Derzeit wird eine engere Verbindung der drei Fraktionen sowie die Integration der verbleibenden Einzelgruppen angestrebt, ausgenommen die alQaida Organisation (ISI), über deren Verbrechen (vor allem auch gegen den Widerstand) die ‚Irakische Hamas‘ einen ausführlichen Bericht verfasst hat (7). Die vorläufig größte gemeinsame Operation von irakischen Fraktionen fand im November 2008 gegen das SOFA-Abkommen der USA statt; neben dem „Politischen Rat“ und der „Front für Jihad und Veränderung“ fünf kleinere Einzelgruppen teil. (8)

Der Widerstand im Wortlaut

In der englischen Videobotschaft „The Hidden Facts“ (September 2007) fasst ein Sprecher der „1920 Revolution Brigades“ zusammen:

„Wir dürfen nicht vergessen, dass der Irakische Widerstand – trotz aller Differenzen, die Einige mit ihm haben mögen – ein einzigartiges Beispiel gibt (…) Vor allem hat er den unterdrückten Nationen und Gesellschaften gezeigt, dass eine eigenständige Widerstandsbewegung in unseren modernen Zeiten möglich ist (…) Ein freier Mann kann das Ergebnis eines Tages verändern. Der Widerstand hat der Welt bewiesen (…) dass man seine Rechte erkämpfen kann (…) die Gier nach Energie, um einen bestimmten Lebensstil führen zu können, wird die Menschheit schließlich in einen globalen Markt der Sklaverei führen (…) Der Kapitalismus als Haupttriebfeder fordert mehr und mehr Energie und wird versagen.“ (9)

Seit der Etablierung der Fronten wird vermehrt die Zukunft des Irak diskutiert.
Der Führer der „Rashideen Armee“ erklärt:
„Die Iraker sollen die Form des Staates wählen, der ihrer Religion und ihrem Land und den zukünftigen Generationen dient, die Iraker sind fähig, die richtige Wahl zu treffen.“

Auch die „Islamische Armee“ ist bezieht sich auf ihre Vision eines freien Irak:
„Wir haben ein vollständiges politisches Konzept, mit klaren, realistischen Vorstellungen – die Islamische Armee stützt sich auf Prinzipien und moralischen Werte, wie das Kämpfen und Aufopfern für die Befreiung unseres Vaterlandes von der Besatzung, für die Errichtung eines Staates, der auf Gleichheit und Gerechtigkeit für alle Bürger aufbaut und die Unterdrückung für alle beendet.“

Was die Tendenz zum Bürgerkrieg angeht, so sind sich die Gruppen in ihrer Ablehnung jeglicher innerirakischer Konflikte einig. Die „irakische Hamas“ erklärt:

„Der Bürgerkrieg ist ein Geschöpf der Besatzung, eines ihrer Werkzeuge. Iraker haben für Jahrhunderte brüderlich zusammengelebt. Wenn die Besatzung das Land verlässt, werden die Iraker wieder als Nation zusammenkommen …“

Die „Rashideen Armee“ sagt, was die „1920 Revolution Brigades“ auch regelmäßig betonen:
„Wir teilen die irakische Gesellschaft grundsätzlich in zwei Kategorien: Eine mit, eine gegen die Besatzung. Diese Kategorien enthalten beide Araber, Kurden, Muslime, Christen, Sunniten und Schiiten… Wir sehen dieses Problem nicht als Konflikt zwischen [ethnischen ode religiösen] Gemeinschaften, sondern als Verrat Einzelner.“

Die wichtigsten Interviews und Stellungnahmen der vorgestellten Gruppen stehen in englischer Sprache unter den folgenden Links zum Download:

www.myupload.dk/showfile/167595ee075.rar
www.zshare.net/download/55710473ecee8eb9

Ein ausführliches Archiv mit weiteren Statements und Interviews gibt es unter folgendem Link:

www.myupload.dk/showfile/167596f8914.rar
www.zshare.net/download/5571053383f17dc6
oder online
http://antiimpmedia.wordpress.com/2008/12/30/iraqi-interviews

Die Positionen jener Organisationen kennen zu lernen, die das Besatzungsprojekt der Supermacht ohne die Hilfe eines einzigen anderen Landes zum Scheitern gebracht haben, sollte die Grundlage für die Auseinandersetzung mit der Guerilla im Irak bilden. Nicht nur für jene 20 Millionen Menschen, die gegen den Irakkrieg demonstrierten, sondern für alle, die sich nicht mit plumper Pentagonpropaganda zufrieden geben wollen.

von Felix Taal

(1) Siehe http://www.antikriegsforum-heidelberg.de/irakkrieg2/hintergrund/strukturen_irak_widerstand_upd10-07.htm
(2) http://www.ktb-20.com/index.php?p=933 und http://jhadfront.com/index.php?c=217
(3) http://heyetnet.org/eng/amsinews/45-a-brief-description-of-amsi.html
Besonders lesenswert http://eldib.wordpress.com/2007/09/22/open-letter-from-amsi-to-the-resistance-fighters/
(4) http://www.albasrah.net/en_articles_2007/1007/jihad_031007.htm
(5) http://antiimpmedia.wordpress.com/2008/12/09/jihad-and-liberation-front-heading-to
und http://www.cbsnews.com/blogs/2008/12/22/monitor/entry4683493.shtml
(6) http://www.roadstoiraq.com/2007/10/11/new-resistance-alliance-the-political-council-of-the-iraqi-resistance/
(7) http://antiimpmedia.wordpress.com/2007/10/02/iraqihamas-qaidacrimes/
(8) http://antiimpmedia.wordpress.com/2008/12/12/sofa/
(9) Die folgenden Zitate entstammen http://antiimpmedia.wordpress.com/2008/12/30/iraqi-interviews
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