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Kein Ende der Krise – Notfallsmaßnahmen notwendig

25. November 2009

Die Spekulationen auf ein rasches Ende der Weltwirtschaftskrise lösen sich langsam in Luft auf. Dabei gibt es keinen neuerlichen Einbruch des Wachstums, allerdings beginnen die traditionellen Mittel der Krisenpolitik zu versagen und die Unsicherheit nimmt gewaltig zu. Auch die Unsicherheit in der Vorhersage: Diese Krise ist neu, Realwirtschaft und Finanzmärkte verhalten sich nicht so, wie das einer traditionellen Rezession, oder einem früheren beginnenden Aufschwung entsprechen würde. Was ist in den letzten Monaten passiert?

Nummer eins: Die Realwirtschaft hat sich stabilisiert, aber nur um den Preis gewaltiger Staatsschulden. In den letzten Wochen ist klar geworden, dass das nicht ewig weitergehen kann: Einige Länder sehen mittlerweile so aus, als würden sie in absehbarer Zukunft von den Schulden erdrückt werden: Griechenlands Staatsverschuldung hat 138 Prozent des BIP erreicht, bei einer aktuellen Neuverschuldung von 12 Prozent. Japans Staatsschulden betragen jetzt über 200 Prozent des BIP: Sollten die Zinsen steigen, ist der Staat entweder Bankrott, oder Japan muss sich das Geld für den Schuldendienst drucken, sicherer Vorbote einer unkontrollierbaren Inflation. Beispiel USA: Während für den Bundesstaat selbst kaum Finanzierungsprobleme auszumachen sind, sind einige Teilstaaten, vor allem Kalifornien und Florida, praktisch Pleite. Schlussfolgerung: Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch, dass irgendwann entweder staatliche Sparmaßnahmen die Konjunktur wieder abwürgen, oder aber eine neue Finanzkrise ausbricht, weil entweder die Inflation steigt, oder einzelne Länder pleite gehen.

Nummer zwei: Die Finanzmärkte haben sich in atemberaubender Geschwindigkeit erholt. Der deutsche Aktienmarkt befindet sich auf einem Indexstand (knapp 6000 Punkte) der auf einen leichten konjunkturellen Einbruch hindeuten würde, nicht auf die schwerste Krise seit 1929. An und für sich, ist das ein eher gutes Zeichen für die kapitalistische Weltwirtschaft. Die hohen Aktienkurse haben gerade sehr viele Banken dazu gebrach Kapital auf der Börse aufzunehmen, um damit Schulden abzubauen. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Der amerikanische Ökonom Roubini hat Anfang November (die Wiener „Presse“ hat ihn am 14. abgeschrieben) darauf hingewiesen, dass sich gerade eine erneute und massive Vermögenspreisblase bildet, die vom billigen Dollar aufgeblasen wird. Mechanismus: Man verschulde sich in Dollar, kaufe dafür riskantere Anlagen – etwa deutsche Aktien. Wenn das genug machen (weil der Dollar-Zinssatz 0,125 Prozent beträgt), fällt der Dollar (was gerade passiert), und Aktien, Gold, Öl und asiatische Immobilien steigen (was ebenfalls passiert). Freilich: wird diese Blase zu lange aufgeblasen, dann wird sie irgendwann platzen (weil Panik ausbricht), der Dollar steigt, die Aktienkurse fallen und die nächsten Banken, die sich hier verspekuliert haben, müssen vom Steuerzahler gerettet werden.
Normalerweise kein großes Problem: Man müsste nur die Zinsen erhöhen und die Luft aus der Blase lassen, bevor sie gefährlich wird. Geht aber nicht: Eine echte US-Zinserhöhung würde auch die Realwirtschaft sofort abstürzen lassen. Die Überschuldung der Haushalte, der Einbruch der Masseneinkommen der letzten Jahre, sowie die immer noch bestehende Exportfixierung vieler Länder haben die globale Nachfrage derart gedrückt, dass die Niedrigstzinspolitik gerade noch ausreicht, um eine Deflation zu verhindern. Mit anderen Worten: Die Notenbanken drucken Geld, aber nur das wenigste davon wird für echte Investitionen und Konsum verwendet, das meiste fließt in die Finanzspekulation. Die Arbeitslosigkeit explodiert, und an der Wall-Street kann man wieder Party machen, bis zur nächsten Panik.

Nummer 3: In den Spitzen der Politik hat immer noch kein Umdenkprozess eingesetzt, zumindest nicht in Europa. Der Staat wurde gerufen, um die Banker mit öffentlichen Mitteln herauszuhauen – nach der Rettung der Finanzoligarchie möchte man jetzt weitermachen wie vor der Krise. Die neue deutsche Regierung zeigt es vor: Steuern senken, Gesundheitswesen privatisieren. Auf diese Weise wird man die Einkommensungleichheit weiter verschärfen, die Konsumlücke noch weiter aufstoßen – und gleichzeitig die Staatsfinanzen ruinieren.

Führt man Nummer 1, 2 und 3 jetzt zusammen, entsteht ein sehr explosives Gebräu. Inflation? Deflation? Neuerliche rasante Talfahrt? Die Mutter aller Finanzblasen, die die Welt in eine neue Kreditsause führt (um das Finanzsystem im Anschluss ganz zusammenbrechen zu lassen)? Eine Prognose ist praktisch unmöglich geworden. Um die Risken einigermaßen beherrschbar zu machen braucht es einen Katalog von Notfallsmaßnahmen:

1. Kapitalverkehrskontrollen, um grenzüberschreitende Finanzspekulation zu verhindern.
2. Öffentliche Kontrolle über die Kreditvergabe – Kredite nur für echte Investitionen, nicht die Finanzspekulation.
3. Öffentliche Investitionslenkung: Drei Milliarden Menschen leiden Mangel am Lebensnotwendigen, sogar in den USA leiden 15 Prozent der Bevölkerung immer wieder Hunger (offizielle Zahlen der US-Regierung!), gleichzeitig explodiert die Zahl der Arbeitslosen. Wenn die kapitalistische Privatwirtschaft nicht in der Lage ist diese Arbeitslosen Dinge herstellen zu lassen, die offensichtlich gebraucht werden, dann muss man ihr diese Entscheidung aus der Hand nehmen.
4. Budgetsanierung sofort – auf Kosten der großen Gläubiger.
5. Ein breiter gesellschaftlicher Dialog zur Frage: wo wollen wir eigentlich hin? Wie viel Wachstum brauchen oder wollen wir? Welche Einkommensungleichheit ist denn akzeptabel? Wie viel muss denn wirklich gearbeitet werden?

Da diese Forderungen einerseits notwendig sind, mit der herrschenden Oligarchie aber kaum durchzusetzen, wird man diese absetzen müssen.

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