„Billiges Schmierblatt“: Hizb ut-Tahrir weist „Österreichs“ Terror-Diffamierungen zurück
Der Artikel in der Zeitung „Österreich“ vom 30. Dezember 2009 zu angeblichen Morddrohungen gegen die österreichische Frauenministerin Heinisch-Hosek ist ein Musterbeispiel dafür, wie eine Kombination von Sensationsgeilheit und strukturellem Rassismus, der neue Hassobjekte sucht, die anti-islamische Hetze vorantreibt.
Politische Argumentationen, die den Rahmen demokratischer Debatte keineswegs sprengen, wurden von der Zeitung bewusst ignoriert, um dem (sonst weniger informierten) Leser ein bestimmtes Stereotyp von Muslimen zu präsentieren.
In einem Schreiben an die österreichische Öffentlichkeit vom 30. Dezember wies D.I. Shaker Asem, der Sprecher der Islamischen Befreiungspartei (Hizb ut-Tahrir) die Behauptungen der Boulevard-Zeitung „Österreich“, er habe terroristische Morddrohungen an die österreichische Frauenministerin Heinisch-Hosek gerichtet, zurück.
Zuvor hatte die Partei in einer Aussendung vom 25. Dezember 2009 die Aussagen der Ministerin, sie würde ein Verbot der Burka (Gesichtsschleier) im öffentlichen Raum prüfen lassen, als Angriff auf die Religionsfreiheit verurteilt. Ebenso wurden ähnliche Aussagen von Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirchen in diesem Zusammenhang als Teilnahme an der allgemeinen anti-islamischen Hetze in Europa verurteilt.
Dabei betonte Hizb-ut-Tahrir, dass nach ihrer Auffassung die Gesichtsbedeckung „kein Gebot für die muslimische Frau“ darstellt. Es handle sich jedoch dabei um eine theologische „Rechtsmeinung einiger anerkannter Gelehrter“ die von einigen Muslimen befolgt wird. Daher sei es für Muslime „eine Pflicht, sich bei dieser Diskussion klar hinter ihre Gesichtsschleier tragenden Schwestern zu stellen und sie nicht im Stich zu lassen, denn sie erfüllen ihrer Meinung nach ein Gebot Gottes“.
Die Kritik von Hizb-ut-Tahrir richtete sich an die SPÖ, welche traditionell die Mehrheit der moslemischen Wahlstimmen erhält.
Die Meldung der Boulevard-Zeitung „Österreich“ beruht auf einem in diesem Kommunique zitierten Koranvers, der besagt, dass „Gott streng im Strafen ist“. Ein von der Zeitung zitierter „Terrorexperte“ wies auf häufiges Zitieren seitens Bin-Ladens dieses Verses hin, um eine Morddrohung gegen die Ministerin daraus zu interpretieren.
In seiner Stellungnahme betonte Hizb-ut-Tahrir ihre grundsätzliche Ablehnung von Gewalt als Methode. Sie erachtet „den Einsatz von Gewalt für uns als islamrechtlich verboten“, und „deshalb käme es uns auch nie in den Sinn, an die Adresse irgendeiner Person eine Drohung auszusprechen“. Der zitierte Koranvers dürfte nur als „Mahnung an die
Muslime verstanden werden, sich an die Gebote Gottes zu halten“.
Hizb-ut-Tahrir betrachtete den Versuch der Zeitung „Österreich“, aus diesem Koranvers eine Morddrohung an die Frauenministerin zu konstruieren, als eine „verlogene Sensationsheischerei eines billigen Schmierblatts“.
Gegründet in den Fünfzigern vom Jerusalemer Taqi’uddin Nabahani, gilt Hizb-ut-Tahrir als eine eigene Strömung im modernen politischen Islam. Im Gegensatz zu den Moslemischen Brüdern, die eine Islamisierung der Basis als Priorität vorsehen, sieht die Partei die Reform im „Haupt“ des Staates als Vorbedingung für eine Durchsetzung der islamischen Gesellschaft. Ihr Primärziel ist daher die Wiedererrichtung des islamischen Kalifats. Ihre politischen Tätigkeiten beschränken sich auf mediale und verbale Überzeugungsarbeit. Da die Reform des Staates (und das Ausrufen des Kalifats) durch Überzeugungsarbeit bei der Elite (friedlicher Staatsstreich?) geschehen soll, hielt sich die Partei vom bewaffneten Kampf und Massenaktivitäten fern. Die in den letzten zwei Jahren von der Partei organisierten Massendemonstrationen im Westjordanland (und in einigen europäischen Staaten im Zusammenhang mit dem israelischen Angriff auf Gaza) stellen eine Neuigkeit in der Arbeitsweise von Hizb-ut-Tahrir dar.
Hizb-ut-Tahrir ist seit 2001 in einigen europäischen Staaten verboten. Angesichts der Tatsache, dass sich diese Gruppe von jeder Gewaltanwendung explizit distanziert, ist ihr Verbot ein Verstoß gegen Meinungsfreiheit in Europa – ganz unabhängig davon, wie man ihr Ziel der Wiedererrichtung des Kalifats beurteilt. Die Entwicklungen in mehreren islamischen Ländern haben gezeigt, dass gerade die Kombination von staatlicher Repression und Medienmonopolismus keineswegs zu Sicherheit und Befriedung führen.
Antiimperialistische Koordination
Wien, 01.01.2010