Die ägyptische Regierung hat sich in den letzten Wochen auf infame Weise an den menschenunwürdigen Bedingungen im Gazastreifen mitschuldig gemacht. Hilfslieferungen und politischen Solidaritätsaktionen, die über Ägypten den Gazastreifen erreichen wollen, werden blockiert.
Der Weg auf den Sinai wird streng kontrolliert. Der "Gaza Freedom March", der Ende Dezember 2009 etwa 1400 Aktivist/innen nach Gaza bringen wollte, war nicht die erste Aktion, die in Kairo gestrandet ist. Die vom britischen Abgeordneten George Galloway angeführte Karawane "Viva Palestina", die über die Türkei, Syrien, Jordanien und schließlich Ägypten nach Gaza wollte, musste im jordanischen Hafen Aqaba umkehren und wieder von Syrien zum ägyptischen Hafen Arish segeln, nachdem Ägypten die Einreise zum Hafen Nuwabei am Roten Meer verweigert hatte. In Arish warteten weitere Überraschungen auf die Aktivist/innen. Die Hilfsgüter mussten durch israelische Kontrollen gehen und durften nicht über den Personengrenzübergang Rafah mitgenommen werden. Die am Hafen protestierenden Aktivist/innen wurden von der ägyptischen Polizei brutal angegriffen, einige verhaftet.
Dennoch gelang es der Karawane am 6. Januar in den Gazastreifen einzureisen. Dort wurden sie begeistert begrüßt – im Hintergrund tobten Demonstrationen der wütenden Palästinenser/innen gegen die ägyptische Grenzpolizei. Bei den Auschreitungen gab es 35 verletzte palästinensische Jugendliche. Ein ägyptischer Grenzpolizist wurde tödlich angeschossen. Bei seiner Ausreise aus Gaza wurde Galloway vom ägyptischen Regime als persona non-grata deklariert und von ägyptischen Staatspolizisten in den Flughafen Kairo gebracht, wo er nach Großbritannien abgeschoben wurde.
Die ägyptischen Medien haben eine Hetzkampagne gegen die Palästinenser/innen begonnen, in der u.a. der getötete Grenzpolizist (im Gegensatz zu anderen Grenzpolizisten, die letztes Jahr von der israelischen Armee "versehentlich" erschossen wurden) zum Märtyrer stilisiert wird. Die ägyptische Zivilbevölkerung wird für jede solidarische Geste mit den Palästinenser/innen verfolgt – etwa wird seit einigen Tagen das Tragen des Palästinenserschals durch Verhaftung geahndet. Gleichzeitig sprengt Ägypten mit Hilfe US-amerikanischer und israelischer Experten systematisch die Tunnel, die unter der Grenze zum Gazastreifen verlaufen, oder überflutet sie mit Wasser. Eine Stahlmauer wird entlang der Grenzen gebaut. Die sprengungsgeprüften Metallnetze sollen mehrere Meter tief unter die Erde reichen, um neue Tunnel zu verhindern. Diese Maßnahme wird die ohnehin schlechten humanitären Bedingungen in Gaza weiter verschärfen, da die Tunnel praktisch der einzige Weg sind, um unabhängig von israelischer Gnade Lebensmittel, Medikamente und andere lebenswichtige Materialien zu erhalten.
Derzeit ist die prioritäre Frage für das ägyptische Regime die Vererbung der Macht von Mubarak Senior auf Mubarak Junior. Für dieses Schritt, der innenpolitisch von allen abgelehnt wird, ist Mubarak auf die Unterstützung der USA angewiesen. Dafür kooperiert er mit Israel bei der Aufrechterhaltung der Blockade über Gaza und bei der regionalen Mobilisierung gegen den Iran.
Seit November 2009 stocken die innenpalästinensischen Verhandlungen. Zur selben Zeit wird die Blockade über Gaza hermetischer. Was durch diplomatischen Druck der Ägypter aus Hamas nicht herauszuholen ist, das wird durch Hungerblockade versucht. Die Sprache des Regimes hat sich von der eines "Vermittlers" zu jener einer politischen Partei verschoben, welche die Hamas für die israelische Blockade verantwortlich macht, da sie sich den israelischen Bedingungen nicht beugen will. In Ramallah rechtfertigte Präsident Mahmoud Abbas den Bau der ägyptischen Mauer.
Das ägyptische Regime hat mit diesen menschenverachtenden Maßnahmen eine qualitative Änderung hin zur Rolle eines offenen Kollaborateurs mit der israelischen und US-amerikanischen Unterdrückungspolitik vollzogen. Mit der Repression gegen die demokratischen Kräften im Inland und dieser rückgratlosen Kollaboration mit dem US-Imperialismus in der Region ist das Familienregime Mubarak nichts weiter als eine senile Militärdiktatur, die nur als ein Armlanger des Westens fungieren und nur durch seine Unterstützung existieren kann.
Sowohl für die Palästinenser als auch für die ägyptische demokratische Opposition hat sich gezeigt, dass mit diesem Regime keine Verhandlungen möglich sind. So wie der zionistische Staat ist Mubaraks Regime ein integraler Teil des US-Regimes in der Region. Gegen das US-Regime und seine Allierten in der Region muss sich auch der Widerstand vereinigen.
Antiimperialistische Koordination
8. Januar 2010