Einleitung
Die Antiimperialistische Koordination (AIK) ist Teil der fortwährenden Geschichte des Widerstandes und des Kampfes der Völker für Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Selbstbestimmung, und gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Der Imperialismus ist der mächtigste, gefährlichste und aggressivste Feind in diesem Kampf. Unsere Hauptaufgabe sehen wir in der Verbreiterung, Vertiefung und Unterstützung des Kampfes gegen den Imperialismus. Ziel ist der Zusammenschluss aller antiimperialistischen Organisationen und Einzelpersonen im gemeinsamen internationalen Kampf.
Imperialismus ist der Versuch von wirtschaftlich und militärisch hoch entwickelten Staaten, möglichst große Teile der Welt unter ihre Kontrolle zu bringen, zum Zweck der Ausbeutung und der politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, und wenn nötig auch militärischen Beherrschung.
Wir sind eine Organisation von AktivistInnen auf kollektiver Basis. Der Weg zur Veränderung liegt für uns im praktischen, kollektiven und organisierten Handeln der Volksmassen, und nicht in individueller Selbstverwirklichung, Aussteigertum oder reinem Philosophieren. Das Feld des Kampfes kann daher nur die Politik sein, die die Beziehungen der Menschen untereinander, zur Gesellschaft und zur Welt im Allgemeinen regelt.
Wir wollen die grundlegende Veränderung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse und ihrer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung, die jeden Versuch einer wirklich demokratischen Entwicklung unterdrückt. Unsere bestehende Gesellschaft ist keine Demokratie, denn das Volk ist von allen wesentlichen Entscheidungen ausgeschlossen. In einer tatsächlich demokratischen Gesellschaft muss das Volk selbst aktiv konkrete Entscheidungen treffen. Soziale Gleichheit bedeutet, dass die Verteilung gesellschaftlicher Macht nicht durch Besitz, Einkommen, Herkunft oder Geschlecht bestimmt wird, sondern allen Menschen in gleichem Ausmaß und unter den gleichen Voraussetzungen zusteht. Die bestehende Gesellschaft ist durch ein Gefälle zwischen Reich und Arm, zwischen Macht und Machtlosigkeit, geprägt. Das Volk ohne Macht wird auf verschiedene Arten (v. a. nach sozialen und rassistischen Kriterien) gespalten und davon abgehalten, gegen die Mächtigen einig zu sein.
Den Begriff „Volk“ definieren wir als politische Kategorie: So verstehen wir z.B. als österreichisches Volk alle in Österreich lebenden Menschen, die nicht von der Ausbeutung und Unterdrückung anderer leben. Abstammung und Herkunft sind dabei unerheblich.
Innerhalb der bestehenden Weltordnung sind die Völker gegeneinander in Stellung gebracht. Reichere und mächtigere Staaten unterdrücken die anderen, schwächeren, und halten sie in Abhängigkeit. Es wird versucht, zu verhindern, dass die Völker ihre weltweite Verbundenheit erkennen. „Überlegenheits“-Mythen legitimieren Kriege im imperialistischen Interesse. Wir kämpfen für die Beseitigung der Machtstrukturen, die diese Situation herbeigeführt haben. Insofern sind wir eine revolutionär orientierte Bewegung.
Der Kampf zwischen den Völkern muss zum gemeinsamen Kampf der Völker um ihre Befreiung werden. Jedes Volk muss die Rechte der anderen Völker respektieren und sich über die Verbundenheit durch den gemeinsamen Kampf um Selbstbestimmung klar werden. Wir wollen daran mitwirken, dass sich eine gemeinsame Opposition aller in dieser Weltordnung Unterdrückten formiert; eine Opposition, die der bestehenden, undemokratischen und unsolidarischen Ordnung unversöhnlich gegenübersteht; eine Opposition, die das Ziel hat, eine neue Ordnung auf Basis von Demokratie, sozialer Gleichheit und Völkerfreundschaft zu errichten.
Entscheidend ist es dabei, die Notwendigkeit des Kampfes und die Notwendigkeit der aktiven Teilnahme an diesem Kampf zu erkennen. Damit wir zum Entstehen dieser Erkenntnis beitragen können, müssen wir zu allen relevanten Ereignissen und Entwicklungen klar, eindeutig und unabhängig Stellung beziehen. Das ist die Voraussetzung für jede Meinungsbildung und Überzeugungsarbeit, für jede Entscheidung und jedes Handeln. Wichtig sind dabei sowohl Medienarbeit (eigene Zeitungen, Flugblätter, Internetseite, Aussendungen…) als auch Demonstrationen bzw. Kundgebungen, sowohl interne Debatten als auch öffentliche Informations- und Diskussionsveranstaltungen. Grundsätzlich legen wir auf breite Plattformen und Bündnisse wert, allerdings nur solange dabei auch unsere Position zum Ausdruck kommen kann.
Unsere Politik ist international orientiert:
Eine rein national ausgerichtete Politik ohne Verbindung zur internationalen, weltweiten Ebene und ohne aktive Teilnahme daran, würde heutzutage völlig an der Realität vorbeigehen und wäre zum Scheitern verurteilt. Der antiimperialistische Kampf ist ein weltweiter Kampf, auch wenn er sich immer in konkreten und daher räumlich begrenzten Konflikten zeigt. So ist z.B. unsere ablehnende Haltung zur Europäischen Union nicht nur im Sinn der österreichischen Volkssouveränität, sondern im Sinn jeder Volkssouveränität. Und so ist jeder konkrete Kampf auf dieser Welt immer zugleich Teil des Kampfes aller Völker, und er bedeutet letztendlich auch immer die Konfrontation mit dem Imperialismus, dem gemeinsamen Hauptfeind.
Der internationale antiimperialistische Kampf besteht aus allen konkreten Kämpfen gegen diese Weltordnung. Er hat neuralgische Punkte (Orte, an denen er besonders vehement geführt wird) und nationale Ausdrücke. Gelingt es, die internationale imperialistische Herrschaft an einem dieser Punkte (Orte), zurückzudrängen oder zu besiegen (Bsp. Vietnam, Kuba), dann hat dieser Sieg (oft weitreichende) Auswirkungen auf die Gesamtheit der anderen Kämpfe auf der Welt und begünstigt damit die Niederlage des gesamten Imperialismus. Aber umgekehrt können die Auswirkungen eines solchen einzelnen Sieges auch erst nach einer endgültigen und weltweiten Niederlage des gesamten imperialistischen Systems von Dauer sein. Mit dem Sieg der kubanischen Revolution wurde in den Sechziger Jahren der Weg für zahlreiche weitere antiimperialistische Revolutionen geebnet und der Imperialismus zurückgedrängt. In der Rückzugsphase der Achtziger wiederum hat man am Beispiel Nicaraguas gesehen, dass ein einzelnes Land isoliert nicht ausreichend Widerstand leisten kann.
Die weltweite und endgültige Niederlage des Imperialismus ist nicht nur die Grundvoraussetzung für antiimperialistische Befreiung, sondern für jede Art von dauerhafter Befreiung, gleich auf welcher Ebene. Eine Illusion ist dagegen die Annahme, dass der Imperialismus selbst zur Befreiung einzelner Bevölkerungsteile beiträgt, indem er angeblich teilweise fortschrittliche Strukturen transportiert, wie wir es ja bei den Kriegen der USA und ihrer Verbündeten immer wieder zu hören bekommen. Solang der Imperialismus besteht, kann jede Befreiung, wie z.B. die der Kurden von der Unterdrückung im Irak, nur so lange Bestand haben, wie sie nicht den Interessen des Imperialismus im Weg steht (solang der Irak ein Verbündeter des Imperialismus war, konnte die irakische Armee jedenfalls noch ganze kurdische Dörfer mit Giftgas ausrotten, ohne dass die NATO mit der Wimper gezuckt hätte).
Unsere aktive antiimperialistische Solidarität ist nicht nur eine Anteilnahme an irgendeinem Kampf in irgendeinem Teil der Welt – sondern sie ist Ausdruck des weltweiten antiimperialistischen Kampfes. Wir sind aktiv beteiligt an diesem nationalen und internationalen Kampf.
Im nationalen Bereich ist das der Kampf gegen die konkrete imperialistische Herrschaft in Österreich, die zugleich auch die wichtigsten gesellschaftlichen Bruchpunkte darstellt: Sozialabbau, soziale Ausgrenzung und die Anbiederung an imperialistische Großmächte – vor allem in der Europäischen Union und an die USA.
Auf internationaler Ebene sind wir vor allem bemüht, Kontakt zu denjenigen Bewegungen zu halten, die wir in unserem Kampf – sei es grundsätzlich oder auch nur zeitweise – auf unserer Seite sehen. Im Sinn der weltweiten Vernetzung sind auch unsere Kontakte weltweit. Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt dabei denjenigen Regionen, in denen der antiimperialistische Kampf am heftigsten geführt wird (derzeit vor allem Lateinamerika und der arabische Raum). Reisen in die betroffenen Regionen (soweit möglich) gehören ebenso zu unserer Arbeit wie regelmäßige Treffen mit VertreterInnen verschiedenster antiimperialistischer Bewegungen aus der ganzen Welt.
Die Verknüpfung dieser Bereiche ist von entscheidender Bedeutung. Deshalb ist eine Organisation wie die AIK notwendig.
1. Der Kapitalismus und sein Siegeszug
1.1. Kapitalismus – eine unsolidarische Gesellschaftsform
Der Kapitalismus hat es in seiner Jahrhunderte langen Geschichte nicht zustande gebracht, global eine stabile Gesellschaft zu errichten (mit Ausnahme einiger wohlhabender Festungen). Die kapitalistische Gesellschaft ist voll von unversöhnlichen Gegensätzen. In ihrem Zentrum steht nicht die Befriedigung der Bedürfnisse Aller, sondern die ungeheuren Profite einiger Weniger. Die Grundlagen sind nicht Solidarität und Miteinander, sondern Konkurrenz und Gegeneinander. Diese Grundlagen galten im Kapitalismus von Anfang an und sie können nicht innerhalb des Kapitalismus beseitigt werden.
Seit Jahrtausenden kämpfen die verschiedenen gesellschaftlichen Klassen gegeneinander. Verlierer war immer die große Masse, die Unterschichten, die zugleich den Reichtum der anderen schufen. Ab dem Zeitalter des Kapitalismus hat diese Ausbeutung neue Ausmaße angenommen. Wie es eine Geschichte der Ausbeutung gibt, so gibt es auch eine andauernde Geschichte der Aufstände und Rebellionen dagegen. Aber erst 1789, in der großen Französischen Revolution, wurde daraus zum ersten Mal ein erfolgreicher Umsturzversuch. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!“ – unter diesen Begriffen sah man das Ende der feudalen Unterdrückung, und damit, wie man glaubte, jeder Unterdrückung gekommen. Tatsächlich wurden diese Werte aber vom Kapitalismus völlig verdreht und ins Gegenteil verkehrt: Die Freiheit des Menschen ist zur Freiheit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen verkommen. Den Idealen von Gleichheit und Brüder/Schwesterlichkeit steht in Wirklichkeit die immer weiter gehende Anpassung aller Bereiche des menschlichen Zusammenlebens an die Gesetze der Marktwirtschaft gegenüber. Die theoretische Gleichheit vor dem Gesetz wird in der Realität von der in jeder Hinsicht totalen Ungleichheit der verschiedenen Gesellschaftsschichten verspottet. Und auch der Brüder/Schwesterlichkeit steht in Wirklichkeit ihr genaues Gegenteil gegenüber, nämlich der so genannte Individualismus, der unter kapitalistischen Bedingungen nichts anderes ist als totaler Egoismus – die wichtigste „Tugend“ der Religion des freien Marktes.
1.2. Die Revolution und ihr bisheriges Scheitern
Während, zusätzlich zur Ausbeutung der europäischen Unterschichten, in den Kolonien die ungeheuerlichsten Verbrechen des Bereicherungswahns an den kolonisierten Bevölkerungen verübt wurden, beschleunigte der Imperialismus durch den Ersten Weltkrieg, der bis dahin den Höhepunkt des kapitalistischen Wachstumsdranges markierte, auch seine bisher größte Niederlage: die sozialistische Revolution im Jahr 1917 in Russland. Dem Kapitalismus stand ab sofort ein globaler politischer Konkurrent gegenüber. Die Jahrzehnte zwischen 1917 und 1989 waren geprägt vom Kampf zweier Ideologien, bei dem der Kapitalismus mit allen Mitteln versuchte, die sich ausbreitende internationale Revolution zurückzuschlagen. Diesen Kampf auf allen Ebenen hat der Kapitalismus vorläufig gewonnen.
Nach nur wenigen Jahren erlahmte die revolutionäre Entwicklung in der Sowjetunion zugunsten der Bürokratie eines gewaltigen Staatsapparates, der im Lauf der Zeit die gesamte Macht an sich riss und zum Zweck ihrer Erhaltung das Prinzip der internationalen Revolution über Bord warf, ohne aber die revolutionäre Rhetorik und den Anspruch auf die Führung der Weltrevolution aufzugeben. Die Sowjetunion versuchte sich als gleichgestellter Spieler im Poker mit den kapitalistischen Großmächten und zwang dabei weltweit revolutionären Entwicklungen und Bewegungen ihre Interessen auf, anstatt sie gemäß ihren Bedürfnissen zu unterstützen. Dazu kommt, dass die kapitalistischen Staaten bei der Wahl ihrer Partner zur Bekämpfung der kommunistischen Bewegungen weltweit nicht wählerisch waren und vom fundamentalistischen Gottesstaat bis zur rechtsradikalen Konterguerilla und Militärdiktatur alles unterstützten, solang es nur antikommunistisch war.
Als in großen Teilen Europas die proletarischen Bewegungen unter die Räder des Faschismus kamen, schaffte es die Sowjetunion zwar, selbst dieser Gefahr zu trotzen, eine Umwandlung des antifaschistischen Kampfes in proletarische Revolutionen fand aber nicht statt. Die revolutionären Elemente des Proletariats wurden im Faschismus größtenteils vernichtet.
Danach gelang dem Kapitalismus im Westen eine enorme Entwicklung seiner Produktivkräfte, was zu einer Periode des Wirtschaftsaufschwunges bis in die 70er Jahre führte. In dieser Zeit des zunehmenden Wohlstandes brachten Zugeständnisse des Kapitalismus an das Proletariat dessen revolutionäres Potenzial praktisch völlig zum Erliegen. Währenddessen war in der Sowjetunion und vielen ihrer Satellitenstaaten zur politischen die wirtschaftliche Stagnation gekommen. Dadurch erschien letztendlich sogar den ArbeiterInnenschichten, die im Westen dem Bürgertum in ihrer Lebensweise immer ähnlicher wurden, der Kommunismus als Übel, und nicht mehr als erstrebenswert. Längst waren in den kapitalistischen Staaten die Arbeiterbewegungen, Gewerkschaften usw. völlig auf Kompromisse und Kollaboration eingestellt und wollten nichts mehr von der Revolution wissen.
Auch diejenigen Länder der Dritten Welt und der ehemaligen Kolonien, in denen der Kapitalismus besiegt wurde, waren aus ihrer wirtschaftlichen und politischen Schwäche heraus großteils gezwungen, sich den machtpolitischen Interessen der Sowjetunion unterzuordnen und, wie die Bewegungen im Westen, nach und nach den Weg der Revolution zu verlassen.
Allgemein wird der Zusammenbruch des realen Sozialismus gerne als Beweis für die prinzipielle Unfähigkeit des Menschen, seine Gesellschaft nach gemeinschaftlichen Interessen zu gestalten, angeführt. Es heißt, der Mensch sei der Feind des Menschen und der Kapitalismus daher das einzig mögliche System. Moralische Ansprüche könnten bestenfalls die Auswüchse des maßlosen Individualismus dämpfen. Wir halten dennoch daran fest, dass das individuelle Interesse der einzelnen Menschen besser durchgesetzt und befriedigt werden kann, wenn es gemeinschaftlich abgestimmt wird und wenn nach dem Prinzip der Solidarität kollektive Interessen formuliert werden. Doch es ist klar, dass das vollkommene Scheitern des ersten kommunistischen Versuchs sehr schwer wiegt und es vor allem eine überzeugende Analyse der Ursachen des Scheiterns brauchen wird, um einen zweiten kollektivistischen Anlauf für die Mehrheit überzeugend zu machen.
Im Kern ist die Sowjetunion daran gescheitert, dass sie das kapitalistische Entwicklungsmodell kopiert hat. Eine auf die Gemeinschaftlichkeit aufgebaute Gesellschaft muss die menschlichen Interessen in ihrer Allseitigkeit befriedigen. Sie muss eine neue, auf Solidarität aufgebaute Kultur entwickeln, deren entscheidender Bestandteil die politische Beteiligung, die Demokratie für die Massen ist. Aber die sowjetische Führung hat all das auf dem Altar der forcierten industriellen Entwicklung geopfert.
1.3. Neoliberalismus und Globalisierung
Der wirtschaftliche und politische Konkurrenzkampf mit dem Kapitalismus endete in der totalen Niederlage und im politischen Zusammenbruch des Großteils der – schon lange nicht mehr revolutionären – sozialistischen Staaten. Auch in China, wo sich die (dem Namen nach) kommunistische Regierung an der Macht halten konnte, wurde das kapitalistische Wirtschaftsmodell als einzig für möglich gehaltene Wirtschafts- und Entwicklungsform adaptiert. Übrig geblieben sind ein paar kleine, isolierte „sozialistische“ Inseln, die nicht im Geringsten in der Lage sind, irgendeine Gefahr für den weltweiten Kapitalismus darzustellen.
Damit gab es für die Profiteure des Kapitalismus keine Bedrohung mehr, die es notwendig gemacht hätte, am Weg der Kompromisse und Zugeständnisse festzuhalten, den sie bis dahin notgedrungen (und in unterschiedlichem Ausmaß) gehen hatten müssen. Folge war die völlige Entfesselung des Kapitalismus – der Neoliberalismus, sowie seine weltweite Verankerung und Vernetzung – die kapitalistische Globalisierung. Handelsschranken wurden und werden völlig abgebaut, Sozialsysteme zerschlagen, Fragen des Umweltschutzes vollkommen vernachlässigt. Hauptprofiteure dieser Entwicklung sind die internationalen Konzerne, deren Interessen alles untergeordnet wurde. Als einziggültiges Kriterium aller Zusammenhänge wird der freie Markt propagiert. Dieser soll allen Staaten der Erde aufgezwungen werden, notfalls mit militärischer Gewalt. Häufig ist sogar die Rede davon, die Wirtschaft, in Gestalt der internationalen Konzerne, hätte die Politik völlig entmachtet.
Allerdings gilt der freie Markt offensichtlich nur so lang, als nicht die privilegierte Stellung der westlichen Nationen dadurch in Gefahr gerät. Am deutlichsten erkennbar ist das in den USA, wo staatliche Regulierungen durchaus an der Tagesordnung sind, um das eigene System nicht zu gefährden. Während die USA ihren eigenen Markt nach außen nur so weit öffnen, wie es ihren Interessen entspricht, wollen sie und ihre Verbündeten anderen Ländern die völlige Öffnung ihrer Märkte diktieren, sei es durch wirtschaftlichen und politischen Druck, sei es durch offenen Krieg wie in Jugoslawien oder im Irak. Die EU eifert den USA nach besten Kräften nach. Sogar innerhalb der EU zeigt sich im Rahmen der permanenten Erweiterung, dass es einfach nur darum geht, den großen westlichen Konzernen den Zugang zu neuen Märkten und billigen Arbeitskräften noch leichter zu machen, als er ohnehin schon ist. Bei den 10 im Jahr 2004 beigetretenen Staaten und den weiteren Beitrittskandidaten handelt es sich um Länder, die kaum oder gar nicht mit den westeuropäischen Wirtschaften konkurrieren können. Der politische Einfluss der dominierenden westlichen EU-Länder wird mit ihrer wirtschaftlichen Macht in den neuen Mitgliedsstaaten immer weiter ansteigen. Die EU baut darüber hinaus eine eigene Armee auf, die den wirtschaftlichen Expansionsgelüsten künftig weltweit den nötigen Nachdruck verleihen soll.
2. Antiimperialismus: Weltweiter sozialer Kampf
2.1. Wachsende Gegensätze auf allen Ebenen
Wir erleben nichts anderes als ein neues Zeitalter des Kolonialismus, der Aussaugung ganzer Länder durch die westlichen Industrienationen, sei es mit offener Gewalt wie im Irak, sei es durch vorgebliche Integration (Beispiel EU–Erweiterung).
In den letzten Jahren und Jahrzehnten haben sich die Gegensätze zwischen hoch- und unterentwickelten Ländern extrem verschärft. Widersprüche, wie sie traditionell und auch weiterhin zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten in den einzelnen Staaten herrschen, werden auch zwischen den verschiedenen Ländern und Weltregionen immer stärker. Der Wohlstand, an dem im Westen trotz zunehmendem Sozialabbau und stark steigender Verarmung noch weite Teile der Bevölkerungen teilhaben, geht zu Lasten von Milliarden Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Der wichtigste soziale Kampf vollzieht sich heute großteils zwischen den westlichen Industrienationen und den verarmten Massen der Dritten Welt.
Im Westen ist die Zustimmung zum herrschenden System noch relativ hoch, da hier die Mehrheit im internationalen Vergleich enormen Wohlstand genießt. Das heißt aber keineswegs, dass es nicht auch hier eine Tendenz zur Verarmung gäbe. Diese betrifft hauptsächlich diejenigen, die von der neoliberalen Entwicklung an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, die wachsende Masse von Menschen, die mit den Anforderungen des Marktes nicht mithalten können. Diese sind häufig sozial, kulturell und – schließlich gehören viele ImmigrantInnen zu den Hauptbetroffenen – oft auch national ausgestoßen. Allerdings sind sie derzeit noch nicht so weit, ein Subjekt der Veränderung zu bilden. Gründe dafür sind ihre weitgehende Unorganisiertheit, und vor allem ihre totale Desillusionierung (die auch dadurch verursacht wird, dass Politik und Medien den Kapitalismus als alternativlos darstellen) und Ablehnung von politischen Sichtweisen. Es ist daher unsere Aufgabe, ihnen eine politische Perspektive zu bieten, eine Alternative zu den herrschenden Systemparteien, die, ganz gleich ob rot, schwarz, blau, grün oder was auch immer, letztendlich alle im Interesse der neoliberalen Globalisierung agieren, so wie auch viele Gewerkschafter und andere Arbeitnehmervertreter, die sich zum Preis von verschiedensten Privilegien zu Mittätern des Sozialabbaus und der totalen Privatisierung und Deregulierung der Wirtschaft machen.
Diese erwähnte politische Perspektive kann nur eine Bewegung sein, die konsequent gegen die Mächtigen und Privilegierten und auf der Seite der Benachteiligten steht – eine Bewegung, die sich auf keinen Handel und keine Kompromisse mit dem Machtklüngel aus Politik und Wirtschaft einlässt, sondern entschlossen ist, dieses ein für allemal zu beseitigen und eine Gesellschaft aufzubauen, in der das Volk selbst bestimmt.
2.2. Der Imperialismus betrifft uns alle!
2.2.1. Wir können uns den Imperialismus nicht leisten!
In den zaghaft und äußerst unentschlossen geführten sozialen Kämpfen im „eigenen“ Land müssen wir darüber aufklären, dass Sozialabbau unabhängig von der Zusammensetzung der Regierung stattfindet, solang die Herrschaft des Imperialismus andauert. Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung liegen im Zeitalter der Globalisierung in der Logik einer Weltordnung, die auf Profit einiger weniger ausgerichtet ist. Letztendlich muss es gelingen, den Menschen klarzumachen, dass z.B. zwischen Pensionskürzungen in Österreich und dem Krieg im Irak ein Zusammenhang besteht. Es ist nötig, ein Bewusstsein darüber zu schaffen, dass es nicht Pensionen und Sozialleistungen sind, sondern die imperialistische Börsen- und Kriegswirtschaft, die Raubzüge des Imperialismus, die wir uns „nicht mehr leisten können“. Seit 30 Jahren steigen weltweit die Börsenkurse viel schneller als die tatsächliche Wirtschaftsleistung, die Reallöhne stagnieren oder sinken. Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs zeichnen sich nicht durch wesentliches Sinken der Arbeitslosigkeit oder steigende Löhne aus, sondern durch steigende Börsengewinne. Das heißt, dass erwirtschaftete Gewinne nicht in den Taschen derer landen, die sie erarbeitet haben, sondern an die Börse fließen. Sie kommen also dem globalen Finanzkapital zu und finanzieren häufig „Rationalisierungen“ und Übernahmen von Unternehmen, was oft zu Massenentlassungen führt. Das Finanzkapital kann durch die gewonnenen Mittel wiederum umso leichter seine „Sachzwänge“ durchsetzen. Für die unteren Klassen bedeutet das Sozialabbau, Lohn- und Pensionskürzungen. Das Kapital daraus fließt zu großen Teilen an die amerikanische Börse und dient dort zur Finanzierung amerikanischer Importe, aber auch von Kriegszügen der USA und ihrer europäischen und sonstigen Verbündeten. Das betrifft z.B. auch die Einlagen aus privaten Pensionsversicherungen – einer weiteren Folgeerscheinung des Sozialabbaus, dessen Ende unabsehbar ist – man höre nur die seit über 15 Jahren andauernden Beschwörungen vom „Reformstau“. Kein Land und keine Regierung kann es sich erlauben, sich gegen diese Entwicklung zu stellen (also den „Standort zu gefährden“), ansonsten folgt unausweichlich das Ausbleiben von Investitionen, d.h. Arbeitsplätzen, es drohen wirtschaftliche, politische, und im schlimmsten Fall auch militärische Sanktionen.
Nur wenn es gelingt, ein stärkeres Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu schaffen, kann breite antiimperialistische Solidarität entstehen. Und nur wenn diese entsteht, können soziale Kämpfe auf Dauer erfolgreich geführt werden.
2.2.2. Emigration, Rassismus und Antirassismus
Westliche, vor allem amerikanische, Großkonzerne und Banken dominieren die Weltwirtschaft. Das Wohlergehen ganzer Regionen hängt von den Entscheidungen in den Chefetagen ab, von Personen, für die die Regionen (und damit die Menschen) keinerlei Bedeutung haben außer derjenigen als Rohstoffquelle oder Absatzmarkt. Lokale und regionale Wirtschaftsstrukturen und die Umwelt werden von den „Global Players“ häufig rücksichtslos zerstört. Die Folgen sind Massenarbeitslosigkeit, soziale und ökologische Katastrophen. Länder, die sich dem weltweiten Markt, also den wirtschaftlichen (und politischen) Interessen des Westens nicht unterwerfen, werden mit wirtschaftlichen Sanktionen und „nötigenfalls“ mit Krieg überzogen.
Durch all das werden Hunderttausende zur Flucht gezwungen und richten dabei ihre Augen auf die reichen Metropolen des Weltkapitalismus im Westen. Denjenigen, denen die Flucht gelingt, schlägt im Westen häufig der geballte Sozialchauvinismus entgegen. Rassistische Vorurteile und gegenseitige kulturelle Abneigung sind zwar ohne Zweifel Mitgründe für die Diskriminierungen gegen die Immigranten aus der Dritten Welt, entscheidend ist aber, dass sie von den Menschen im Westen als Bedrohung des eigenen Wohlstands erlebt werden. Umso stärker ist dieses Empfinden, da Neoliberalismus, Sozialabbau und Privatisierungen ja auch im Westen selbst das soziale Klima immer mehr verschärfen. Die Agitation der rechtspopulistischen Parteien haben mit den Immigranten die Sündenböcke für die immer größer werdenden sozialen Missstände schnell zur Hand. Diese Rhetorik wird zwar von den bürgerlichen und noch mehr von den „linksliberalen“ Blöcken zumeist nobel zurückgewiesen, in Wirklichkeit wollen diese aber ebenso wenig von den wahren Gründen für die sozialen Probleme sprechen.
Unser Antirassismus hat nichts mit dem Multikulti-Gehabe der liberalen Bildungsbürger zu tun. Die wenigsten Menschen verlassen ihre Heimat und ihre Wurzeln gerne und die meisten von denen, die hier als billige Arbeitskräfte und als Sündenböcke für die Folgen des neoliberalen Kapitalismus missbraucht werden, finden ihr Dasein in der so genannten „multikulturellen Gesellschaft“ nicht halb so erfreulich wie die wohlhabenden „Gutmenschen“ aus der Kulturschickeria. Für letztere ist es schick, bei diversen Anlässen mit dem moralischen Antirassismus-Zeigefinger zu agieren, von den wahren Gründen für die enormen Abwanderungswellen in den Westen wollen sie aber zumeist wenig hören. Sie sind es, die von „Globalisierung“ als einer „sehr positiven und kulturell bereichernden“ Entwicklung sprechen und nicht sehen wollen, dass diese Globalisierung in weiten Teilen der Welt nichts als Elend verursacht. Sie sind es, die die EU seit ein paar lachhaften diplomatischen Unhöflichkeiten gegenüber der österreichischen Regierung im Jahr 2000 für eine antifaschistische Vereinigung halten und nicht sehen wollen, dass sich an den Grenzen dieser EU tagtäglich Flüchtlingsdramen abspielen. Sie sind es, die den imperialistischen Kriegen häufig das Wort reden, weil sie sich davon gesellschaftspolitische Fortschritte in anderen Teilen der Welt erträumen. Auf diese Art von „Antirassisten“ kann der Großteil der Weltbevölkerung wohl getrost verzichten.
Wer heute noch glaubt, seinen Arbeitsplatz gegen Immigranten verteidigen zu müssen, kann morgen schon auf der Straße sitzen, weil sein Betrieb die Produktion aus Kostengründen in einen anderen Teil der Erde verlegt. Für uns geht es beim Antirassismus darum, klarzumachen, dass alle – die immer zahlreicheren Globalisierungsverlierer im Westen ebenso wie die verarmten Massen der Dritten Welt – gegen ein und dasselbe System anzukämpfen haben.
2.3. Unabhängigkeit versus Imperialismus: Für Demokratie, Selbstbestimmung und Widerstand!
2.3.1. Imperialismus als größter Feind von Demokratie und Selbstbestimmung
Demokratie bedeutet Volksherrschaft. Das Volk soll selbst sein Schicksal bestimmen. Das würde bedeuten, dass alle konkreten und maßgeblichen Entscheidungen vom Volk selbst getroffen werden. Demokratische Regierungen und Parlamente müssen tatsächliche Volksvertretungen sein, sie haben in ihrer Politik den Volkswillen zu berücksichtigen und umzusetzen.
Mit wenigen Ausnahmen ist nichts dergleichen in der Realität spürbar, auch nicht im angeblich demokratischen Westen. Zahlreiche westliche Staaten haben sich dem US-Krieg gegen den Irak angeschlossen und sind an der Besatzung beteiligt – gegen den Willen von durchschnittlich 90% ihrer eigenen Bevölkerungen, aber im Interesse des Imperialismus. Die Erweiterung der Europäischen Union – ein Kolonialprojekt, das gegen die Interessen der Bevölkerungen der alten und der neuen Mitglieder ist – wurde gegen den Willen der übergroßen Mehrheit der Bevölkerungen vollzogen – im Interesse des Imperialismus. Viele westliche Staaten – darunter Österreich – wären bereit gewesen, der EU-Verfassung (einem Dokument mit weit reichenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen und militärischen Folgen) ohne Befragung des Volkes zuzustimmen. Bei den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden hat sich trotz massiver Propaganda die deutliche Ablehnung der Verfassung durch die Völker gezeigt. Gleiches gilt für die Einführung des Euro, der in den wenigen Ländern, in denen es demokratische Abstimmungen gab, vom Volk abgelehnt wurde.
Regierungs- und Parlamentswahlen werden immer mehr zur Farce. Die etablierten Parteien, gleichgültig ob sie sich linksliberal oder konservativ präsentieren, vertreten nicht die Interessen des Volkes, sondern die des Imperialismus. Die Medien sind in der Hand der wirtschaftlichen und politischen Elite. Dadurch werden Bewegungen, die tatsächlich in Opposition zum herrschenden Machtklüngel stehen, einfach totgeschwiegen.
Nationale Parlamente sind praktisch nur noch Vollzugsorgane für Entscheidungen, die ganz wo anders fallen, nämlich in den Gremien von Organisationen wie der EU oder der Welthandelsorganisation WTO. In der nationalen Politik wird dann gerne darauf hingewiesen, dass man ja „leider“ nicht anders könne, man sei an „Sachzwänge“ und internationale Beschlüsse gebunden.
Immer mehr Menschen und ganze Regionen sind davon betroffen, dass ihr soziales Schicksal in den Zentralen transnationaler Konzerne und in den Büros der EU oder der WTO entschieden wird. Die soziale und ökologische Situation weiter Teile der Erde verschlechtert sich parallel zur Abnahme ihrer politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit.
Auf globaler Ebene wird versucht, ganze Staaten dem westlichen Diktat zu unterwerfen. Lokale Führungen und nationale Regierungen verwalten in immer höherem Ausmaß nur noch westliche Interessen. In vielen Staaten wird dabei nicht einmal der Anschein von Demokratie erweckt, sondern es handelt sich häufig um offene, brutale Diktaturen, deren Hauptaufgabe die Absicherung der Profite der imperialistischen Staaten ist und die dafür mit entsprechenden Privilegien und Vollmachten ausgestattet sind.
Es zeigt sich also, dass der Kampf für Demokratie sowohl im Westen als auch in der Dritten Welt stark mit der Frage von nationaler Souveränität verbunden ist.
2.3.2. Nationen als Spielball des Imperialismus
Immer häufiger nimmt sich der Imperialismus unter Führung der USA das Recht heraus, mit allen Mitteln in Staaten zu intervenieren, die seinen Interessen in die Quere kommen. In immer kürzeren Abständen attackiert die „heilige Allianz“ der westlichen Staaten und ihrer Verbündeten einen unliebsamen „Schurkenstaat“ nach dem anderen und tauscht aufmüpfige Regierungen (manchmal in Ungnade gefallene ehemalige Verbündete – siehe Afghanistan und Irak) gegen zuverlässigere Marionetten aus. Dabei werden zumeist gesellschaftliche Missstände (die zum Teil seit Jahrzehnten bestehen, ohne dass sich der Westen bis dahin daran gestört hätte), als Kriegsgrund vorgeschoben. Die Rhetorik von „den Wilden“, denen die „Zivilisation“ gebracht werden muss, hat sich bis heute nicht grundsätzlich geändert. Sie wurde nur den Bedingungen angepasst, sodass heutzutage nicht mehr von Zivilisation, sondern von Demokratie und Menschenrechten gesprochen wird. An den Missständen ändert sich nach Kriegsende in aller Regel wenig. Jüngstes Beispiel: Im Irak ist die Menschenrechtssituation um nichts besser als vor dem Einmarsch der Besatzungstruppen, nur die Uniformen der Folterknechte haben sich geändert. Dennoch sind die Befehlshaber der neuen Folterknechte weiterhin damit beschäftigt, sich um die Menschenrechte in Staaten zu „sorgen“, die sich ihrer Weltordnung widersetzen. Antiimperialismus bedeutet auch, für die Durchbrechung dieser bisher höchst erfolgreichen Methode der Kriegspropaganda zu arbeiten.
Die Verteidigung nationaler Souveränität gegen den Imperialismus ist für uns eines der wichtigsten Prinzipien. Aber nicht immer sind Unabhängigkeitskämpfe gegen den globalen Imperialismus gerichtet.
Die NATO-Politik auf dem Balkan, bei der Zerschlagung des jugoslawischen Vielvölkerstaates, ist eines der neueren Beispiele dafür, dass es der Imperialismus auch versteht, selbst das Recht auf nationale Selbstbestimmung zu „entdecken“ und zu missbrauchen, wenn es seinen Interessen dient. Im Kosovo sehen wir heute das beste Beispiel dafür, dass der Imperialismus an einer gerechten Lösung nationaler Konflikte keinerlei Interesse hat. Ein weiteres Beispiel ist die kurdische Frage. War die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung im Irak ein viel strapaziertes Thema der amerikanischen Kriegspropaganda, so ist gleichzeitig die noch rechtlosere Situation der Kurden in der Türkei keinerlei Hindernis für massive Wirtschafts- und Militärhilfe der USA an ihren strategischen Verbündeten Türkei, und ebenso wenig Hindernis für Bemühungen der EU, auch die türkische Bevölkerung in den „Genuss“ der europäischen Erweiterung – sprich: Kolonialpolitik – kommen zu lassen.
Das Anheizen nationaler Konflikte und das Ausspielen der Konfliktparteien gegeneinander zählt seit Jahrhunderten zu den bewährten imperialistischen Praktiken. Der Imperialismus benützt und schürt häufig lokale Konflikte in den Regionen, in die er eindringt, wie z.B. eben im ehemaligen Jugoslawien, um dann als „Vermittler“ oder „Retter“ aufzutreten. Im Nordirland-Konflikt gelingt es den britischen Besatzern sogar,
sich als Friedensstifter zwischen den pro-britischen Strömungen und den um Unabhängigkeit von Großbritannien kämpfenden Bewegungen darzustellen. Religiöse, kulturelle und nationale Konflikte sind für den Imperialismus lebensnotwendig und werden existieren, solang der Imperialismus existiert. Zur Überwindung dieser Konflikte muss der Imperialismus selbst überwunden werden. In der Frage nationaler Befreiungskämpfe ist daher nachzuprüfen, welche Rolle der Imperialismus einnimmt. Danach ist unser Verhalten auszurichten. Wir unterstützen allgemein nur diejenigen Kämpfe um nationale Selbstbestimmung und nationale Befreiung, die tatsächlich antiimperialistisch sind (derzeit z.B. Irak, Palästina, Baskenland).
2.3.3. Für das Recht auf Widerstand!
Das Recht auf Widerstand – auch bewaffneten Widerstand – und Selbstverteidigung gegen imperialistische Angriffe und Besatzung ist für uns absolut unverbrüchlich und elementar. Alles andere würde die Akzeptanz und Legitimierung der globalen Tyrannei der westlichen Industriestaaten bedeuten. Wir wenden uns deshalb entschieden gegen die Kriminalisierung von Befreiungsbewegungen und ihre Verunglimpfung als „terroristisch“. Der tatsächliche Terror geht von denen aus, die sich anmaßen, überall militärisch zu intervenieren, wo ihnen das zur Wahrung ihrer Profit- und strategischen Interessen notwendig erscheint, von denen, die hunderttausende Menschen zu Flüchtlingen machen. Die USA und ihre Verbündeten haben das Faustrecht zum Prinzip internationaler Politik gemacht und haben mit dem Krieg gegen Jugoslawien 1999 eine Zeit des permanenten, weltumspannenden (Präventiv-) Krieges zur Vernichtung jeglicher Opposition gegen ihre Weltordnung eingeläutet. Das demokratische Recht auf Widerstand dagegen zu unterstützen ist das exakte Gegenteil von Terrorunterstützung.
Unsere selbstverständliche Ablehnung von Gewalt gegen unbeteiligte Personen darf nicht dazu führen, dass antiimperialistischen Kämpfen die Legitimität abgesprochen wird. Der Imperialismus geht mit modernsten Massenvernichtungswaffen gegen seine Gegner vor und kann nicht allein durch rein zivilen Widerstand in die Knie gezwungen werden.
2.4. Von der Solidarität zur Zusammenarbeit
Unsere Aufmerksamkeit muss neben dem Kampf im Westen zu einem guten Teil denjenigen Regionen der Erde gelten, in denen die derzeitige Weltordnung schon heute tatsächlich in Frage gestellt wird. Von entscheidender Bedeutung sind alle Gebiete, in denen sich konkrete antiimperialistische Kämpfe abspielen. Dazu gehören neben dem arabischen Raum viele Länder Lateinamerikas (vor allem Kolumbien, Venezuela, Argentinien, Bolivien, Kuba), weite Teile Afrikas, die Philippinen oder auch das Baskenland.
Wir wollen die Solidarität aller Bewegungen (Parteien, politisch-militärischen Gruppen und sozialen Volksorganisationen), die sich gegen den Imperialismus stellen, erreichen. Die besondere politische Unterstützung gilt denjenigen Organisationen, die den Kampf mit dem Ziel der demokratischen Volksherrschaft und einem antikapitalistischen System sozialer Gleichheit verbinden. Hier hat unsere Solidarität tiefer gehenden Charakter als bei der Unterstützung antiimperialistischer Kämpfe, die auf nationalistisch-bürgerlichen, religiösen oder ethnisch-kulturellen Kriterien basieren. In letzteren Fällen kann unsere Unterstützung nur kritisch und bedingt sein. Unsere Unterstützung haben sowohl Bewegungen, die in Opposition zu (Marionetten-) Regierungen des Imperialismus stehen wie z.B. die linken Guerillabewegungen in Kolumbien, die baskische Unabhängigkeitsbewegung oder die philippinischen Befreiungsbewegungen, als auch Nationen, deren Regierungen selbst im Widerspruch zu den Interessen des Imperialismus stehen und von diesem angegriffen werden bzw. ihn herausfordern, wie derzeit Kuba oder Venezuela.
In keinem Fall geht es um reine moralische Solidarität, sondern immer darum, die Kontakte zu nützen, um so weit wie möglich zur Entstehung internationaler, langfristiger und möglichst starker antiimperialistischer Bündnisse beizutragen. Es gilt die in der Einleitung erwähnte Erkenntnis voranzutreiben, dass im Kampf gegen den globalen Kapitalismus jeder einzelne Sieg wertvoll ist, aber nur dann von Dauer sein kann, wenn der Kampf insgesamt gewonnen wird. So wie diejenigen, die die Völker ausbeuten, trotz all ihrer separaten Eigeninteressen letztendlich gegen die Völker einig sind, so müssen auch die Völker in ihrem Kampf gegen den Imperialismus einig sein. Ein Sieg einer revolutionären Bewegung in Lateinamerika nützt im Endeffekt nicht nur dem Volk in diesem Land sondern z.B. auch dem ebenso gegen imperialistische Unterdrückung kämpfenden palästinensischen Volk. Dieses Bewusstsein versuchen wir zu fördern.
Dennoch oder gerade deshalb haben wir aber auch die Pflicht, Kritik zu üben und auch die Zusammenarbeit mit Organisationen einzustellen, deren Politik sich in eine Richtung entwickelt, die dem weltweiten antiimperialistischen Kampf schädlich ist.
Von großer Bedeutung ist der Kampf für die Entwicklung und Stärkung des entstehenden antiimperialistischen Pols, unabhängig von den weltweiten Friedens-, Sozial-, und Antiglobalisierungsforen – eine Sache, die unweigerlich zur Problematik des nächsten Kapitels führt.
All das beweist, dass wir es eben NICHT mit dem „freien Spiel der Kräfte“ (in wirtschaftlicher Hinsicht) zu tun haben und dass auch der Begriff „Neoliberalismus“ zu kurz greift. Die tatsächliche Entwicklung entspricht viel mehr dem in der Einleitung definierten Begriff des Imperialismus.
3. Die historische Linke am Scheideweg
3.1. Bewegungen müssen das Volk überzeugen, nicht das Volk die Bewegungen!
Einer der Hauptherde des Kampfes für bzw. gegen das entstehende, amerikanisch dominierte, imperialistische Weltreich ist der arabische Raum. Im Irak vollzieht sich zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Zeilen der blutige Krieg zwischen der Besatzungsmacht USA und ihren Verbündeten einerseits, und der um Selbstbestimmung kämpfenden irakischen Bevölkerung andererseits. Hintergrund dieses Konfliktes ist nichts anderes als ein weiterer Versuch, kapitalistische Interessen mit militärischen Mitteln durchzusetzen und die US-amerikanische Vorherrschaft weiter auszubauen.
Gleichzeitig mehren sich auch im Westen selbst die Zeichen des Widerstandes gegen die Durchdringung aller Lebensbereiche durch die Gesetze des Marktes. Die negativen Auswirkungen der Globalisierung werden für immer mehr Menschen spürbar, und die Ablehnung richtet sich gegen die konkreten Institutionen und Vollzugsorgane dieser Entwicklung, vor allem die Europäische Union.
In diesen Konflikten sind wir allerdings damit konfrontiert, dass viele von denen, die in Opposition gegen die neoliberale und imperialistische Weltordnung stehen, nicht unsere Ideale der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Menschen, unabhängig von Herkunft, Abstammung oder Geschlecht, teilen. Konkret bedeutet das einerseits die Hinwendung vieler Menschen zu nationalistischen und rassistischen Parteien und Bewegungen, andererseits verstärkten Zulauf für fundamental-religiöse Strömungen, v. a. den politischen Islam. Diese Tatsache kann nicht geleugnet werden. Die Frage ist, wie man damit umzugehen hat, wenn man auf der Seite der Unterdrückten stehen will. Sollen wir uns deshalb entsetzt zurückziehen und angesichts der Entwicklung vergessen, dass der größte Feind der Menschheit trotzdem der Imperialismus ist? Sollen wir damit den Kampf gegen den Imperialismus Kräften überlassen, die völlig andere Ziele als wir verfolgen? Sollen wir die Menschen verteufeln, die sich (oft einfach aus Mangel an anderen Möglichkeiten) diesen Kräften anschließen? Wohl kaum. Die verarmten Massen der Dritten Welt und den immer zahlreicher werdenden Deklassierten im Westen sind es, die den Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung heute führen bzw. künftig führen werden. Auf ihrer Seite stehen wir. Es ist unsere Aufgabe, sie von unserem Ziel einer demokratischen und antikapitalistischen Gesellschaft zu überzeugen.
Dazu ist es aber in erster Linie nötig, in den konkreten Konflikten am klarsten, deutlichsten und am kompromisslosesten gegen den imperialistischen Feind Stellung zu beziehen. Leider hat allerdings die so genannte „Linke“ im Westen stattdessen großteils die Angewohnheit, unangenehm berührt die Nase zu rümpfen, sobald im antikapitalistischen und antiimperialistischen Kampf Ideologien und Elemente auftauchen, die nicht zu ihren Vorstellungen passen. Bestes Beispiel ist der irakische Widerstand gegen die imperialistische Besatzung. Dem Widerstand wird von großen Teilen der westlichen Linken die Unterstützung verweigert, weil er nicht ihrem politischen Schönheitsideal entspricht. Man ist zwar gegen die Besatzung, möchte aber dem irakischen Volk vorschreiben, auf welche Weise es gegen diese kämpfen darf. Zusammenarbeit mit Gruppen und Personen, die nicht als „politisch korrekt“ erachtet werden, wird oft rundweg abgelehnt. Diese werden dann zumeist einfach aus Bewegungen wie z.B. Plattformen für Demonstrationen ausgegrenzt. Das bedeutet sehr häufig, dass man diejenigen, für deren Interessen man angeblich eintritt, gar nicht zu Wort kommen lässt, seien es jetzt Vertreter von Widerstandsbewegungen aus der Dritten Welt, oder auch einheimische Globalisierungsgegner, die nicht aus der gebildeten und „aufgeklärten“ Elite kommen.
In der Frage der nationalen Unabhängigkeit zeigen sich große Teile der westlichen Linken unfähig, deren Bedeutung in den sozialen Kämpfen zu erkennen oder unwillig, sie zur Kenntnis zu nehmen. Für die Unterschichten, national und international, ist längst klar, dass in der heutigen Situation nationale Unabhängigkeit ein entscheidender Faktor im Kampf gegen Ausbeutung und Sozialabbau und für Selbstbestimmung und Demokratie ist. „Intellektuelle Linke“ sind dagegen oft in einer völlig irrationalen Abneigung gegen alles, was mit dem Begriff „national“ zusammenhängt, gefangen. Wer das schlichte Eintreten für nationale Unabhängigkeit undifferenziert mit Rassismus und Nationalchauvinismus gleichsetzt, wird bei den Unterschichten auf kein Verständnis stoßen.
Offenbar sitzt der „politisch korrekte“ Teil der Linken der Illusion auf, dass man mit Ausgrenzungspolitik den antikapitalistischen Widerstand von unerwünschten Elementen säubern könnte. In Wirklichkeit aber haben sich diese „Linken“ längst selbst aus dem Kampf hinausgesäubert, da sie von den Unterschichten – national und international – schon lange nicht mehr als ihre Vertretung angesehen werden.
3.2. Pro-imperialistischer „Antifaschismus“
Allerdings sehen wir, dass Teile der westlichen Linken sogar eine noch viel katastrophalere Entwicklung durchmachen oder bereits durchgemacht haben. So sind viele ehemals radikale Linke offen ins Lager des Kapitalismus gewechselt, wo sie zum Teil in hohen Ämtern unter dem Deckmantel von Demokratie, Menschenrechten und Antifaschismus als aggressivste Kriegstreiber agieren, wie Joschka Fischer (der einer der Hauptbetreiber des Angriffs auf Jugoslawien war) oder der „Sozialdemokrat“ Tony Blair (und auch in den USA finden sich Beispiele). Die Kriege werden allerdings ausschließlich dort geführt, wo handfeste wirtschaftliche und militärische Interessen des Westens dahinter stehen. Schon daran erkennt man, dass Demokratie und Menschenrechte keinerlei Rolle spielen. Wie wäre es sonst möglich, dass ein Land wie Saudi-Arabien, wo „Demokratie“ und „Menschenrechte“ Fremdwörter sind, oder ein Apartheidstaat wie Israel eben NICHT zu Opfern der westlichen Aggression werden, während ein vergleichsweise demokratisches Land wie Jugoslawien niedergebombt wird und die USA Putschversuche gegen den demokratisch gewählten Präsidenten von Venezuela unterstützen? Ein anderes Beispiel für die Wandlung ehemaliger Linker ist die völlige Kritiklosigkeit, mit der viele von ihnen der Europäischen Union gegenüberstehen, obwohl diese hauptsächlich Sozialabbau, Privatisierung, Ausverkauf und Umweltbelastung in den einzelnen Staaten fördert.
Eine weitere Degenerationserscheinung der historischen Linken ist der immer stärker werdende Missbrauch des Gedenkens an die Verbrechen der NS-Zeit, um imperialistische Kriege zu rechtfertigen. Der Holocaust wird dabei nicht mehr als extremer Auswuchs in den Zusammenhängen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts behandelt, sondern als völlig außerhalb der Geschichte stehendes Ereignis, das nicht rational politisch analysiert werden darf, aber trotzdem Dreh- und Angelpunkt aller politischen Entscheidungen sein muss. In jedem Land, das dem Imperialismus Widerstand leistet, sei es Jugoslawien, der Irak oder selbst Kuba, wird plötzlich ein neuer Hitler gesehen, der mit amerikanischen Bomben entschärft werden müsse, da sonst unweigerlich ein neuer Holocaust bevorstehen würde. Der Imperialismus wird damit als „antifaschistisches“ Vollzugsorgan präsentiert. In Wirklichkeit aber war und ist Faschismus immer (und eben in besonders extremem Ausmaß gerade auch in der NS-Zeit) die Fortsetzung der Herrschaft des Kapitalismus unter Anwendung von offenem Terror gegen Sündenböcke und gegen jede Opposition. Die imperialistischen Kriege sind heute der wesentlichste Bestandteil dieses Terrors – und sie werden von Teilen der historischen Linken mitgetragen.
Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Palästina-Konflikt. Wer die Geschichte dieses Konflikts kennt und nicht bereit ist, die Realität völlig auszublenden, wird kaum leugnen können, dass Israel ein imperialistischer und rassistischer Apartheidstaat ist, der nur durch Landraub, Massenvertreibungen und Völkermord an den Palästinensern entstehen konnte und in dem die palästinensische Bevölkerung bis heute brutalster Unterdrückung und Verfolgung ausgesetzt ist. Das irrationale und unpolitische Verständnis des Holocaust trägt aber genau zu dieser Ausblendung der Realität bei. Der Antisemitismus wird nicht mehr als Instrument der Oberklassen zur Schwächung des antikapitalistischen Kampfes gesehen, sondern als vererbter Charakterzug des „Mobs“, der im Holocaust zur Tat geworden ist. Dadurch ist es offensichtlich für Teile der historischen Linken möglich, NICHT für die unterdrückten Palästinenser Partei zu ergreifen, nicht einmal neutral zu bleiben (was schon schlimm genug wäre), sondern sogar mit vollster Überzeugung auf der Seite Israels zu stehen. Für diese Leute ist die Situation der palästinensischen Bevölkerung bei der Beurteilung der israelischen Politik bestenfalls von untergeordneter Bedeutung, während jede israelische Militäraktion als notwendige Maßnahme zur Vorbeugung gegen die Wiederholung des Holocaust gilt. Der vom Volk ausgehende palästinensische Freiheitskampf wird mit dem alten, von oben kommenden, europäischen Antisemitismus gleichgesetzt. Israel sei das einzige Bollwerk gegen Faschismus und Antisemitismus, seine Politik daher von Natur aus antifaschistisch.
Bei dieser völligen Ignoranz der israelischen und (vor allem) der palästinensischen Realität verwundert es auch nicht mehr, dass die selben „antirassistischen“ Leute auch die Politik der USA als „antifaschistisch“ interpretieren und die gesamte arabische und islamische Welt als „faschistisches Vernichtungskollektiv“ sehen.
3.3. Die Rolle des politischen Islam
Im arabischen und zentralasiatischen Raum sind die säkular-nationalistischen und kommunistischen Bewegungen vorerst gescheitert. Die kommunistische Idee verlor zunehmend das Vertrauen der Massen, während der politische Islam immer stärker die sozialen Forderungen der Menschen aufgriff. Mit der iranischen Revolution zeigte sich der Islamismus erstmals als wirksame politische Ideologie. Damals wurde er vom Westen als geringeres Übel gegenüber dem Kommunismus erachtet. Als antikommunistisches Instrument hatte der Westen den Islamismus auch lange Zeit nach besten Kräften unterstützt. Doch in den 90er Jahren begann sich dieser zunehmend gegen seine ehemaligen westlichen Herren zu richten. Heute wird er von den verarmten arabischen Massen ganz offensichtlich als das einzige Mittel zur Schaffung einer gemeinsamen Identität gegen den immer aggressiveren Imperialismus gesehen, umso mehr als sich große Teile der Linken im Westen dem säkular und aufklärerisch angemalten Kreuzzug gegen den arabisch-islamischen Raum angeschlossen und untergeordnet haben.
Oft ist es wichtig, hinter die Fassade der häufig religiösen oder manchmal auch national-chauvinistischen Sprache zu schauen, hinter der sich häufig politische Positionen verbergen. So wie der Imperialismus schon zu Zeiten der Kreuzzüge im Mittelalter seine wirtschaftlichen und strategischen Interessen mit religiöser Rhetorik tarnte (und das im Fall der Regierung Bush heute teilweise wieder tut), so muss auch das antiimperialistische Moment des politischen Islam zwischen den religiösen Zeilen erkannt werden. Wenn heute im Irak Politiker, die mit den westlichen Besatzern zusammenarbeiten, als „ungläubig“ und als „Verräter am Islam“ bezeichnet werden, bedeutet das, übersetzt in die Sprache der Politik, nichts anderes als „Handlanger der Besatzer und Ausbeuter“.
Natürlich werden nicht alle, die im Kampf gegen die Weltordnung stehen, dabei von fortschrittlichen, revolutionären und antiimperialistischen Motiven geleitet. Dennoch bleibt ihre Rolle in globaler Hinsicht fortschrittlich, solang sie sich dem Imperialismus und der herrschenden Weltordnung widersetzen. Und solang sie das tun, hat die Niederlage des Imperialismus für uns Priorität. An unseren revolutionären und internationalistischen Grundlagen ändert sich dadurch nichts.
Wir wollen uns keineswegs dem politischen Islam unterordnen. Diesen Fehler hat die Linke im Iran begangen, die während der Revolution gegen den Schah ihre politische Selbständigkeit dem Bündnis mit der islamistischen Bewegung Khomeinis geopfert hat und von dieser nach der Revolution zu Tausenden massakriert wurde.
3.4. Wer steht links?
Die Linke kann nur dann wieder zum tragenden Element im Kampf gegen die kapitalistische Weltordnung werden, wenn sie sich selbst als radikalste, ehrlichste und unversöhnlichste Kraft in diesem Kampf präsentiert. Reaktionäre Elemente, die ebenfalls in Opposition zur derzeitigen Weltordnung stehen, müssen daher als Konkurrenz gesehen werden, an der scharfe politische Kritik zu üben ist. Niemals darf das aber dazu führen, dass das Hauptübel übersehen wird oder man gar in dessen Interesse agiert. Vielmehr muss man aufzeigen, dass die erwähnte Konkurrenz zumeist letztendlich keineswegs die Interessen der Unterklassen vertritt.
„Links stehen“ bedeutet als historisch-politischer Begriff, für die Rechte der Unterdrückten und gegen die privilegierten Klassen zu kämpfen, und „rechts stehen“ das Gegenteil davon. Die historische Linke hat es aber mit ihrem Verhalten nicht nur geschafft, den politischen Begriff „links“ seiner eigentlichen Bedeutung zu berauben, sie hat es sogar der historischen Rechten ermöglicht, Felder des Kampfes gegen die privilegierten Klassen, wie eben z.B. des Kampfes gegen die EU, zu besetzen (wenngleich die „antiimperialistische“ Rhetorik der Rechtspopulisten meist nur allzu offensichtlich nichts als leeres Gerede ist – siehe das österreichische Beispiel Haider). Daher wird die historische Linke sowohl in Teilen der Dritten Welt als auch im Westen selbst von den Unterschichten häufig als Teil des kapitalistischen Systems, oder sogar als eine seiner treibenden ideologischen Kräfte erkannt – völlig zu Recht!
Sozialer, kultureller und nationaler Überlegenheitsglaube wurden in ein Gewand gesteckt, das die Wandlung ehemaliger Linker zu Helfershelfern des Imperialismus ermöglicht hat. Dahinter stehen jedoch dieselben wirtschaftlichen und strategischen Interessen wie schon zu Zeiten des römischen Weltreichs.
Wer im Glauben an die Überlegenheit der westlichen Kultur und den zivilisatorischen Auftrag des westlichen Imperialismus die Kriege begrüßt, die im Dienst des Kapitalismus geführt werden, der steht schlicht und einfach auf der Seite der Mächtigen und hat auch keinerlei Recht, antirassistische und antifaschistische Motive für sich in Anspruch zu nehmen. Wer eine Institution wie die EU allen Ernstes als Instrument zur „Völkerverständigung“ sieht, ist nicht „aufgeklärt“ oder „fortschrittlich“, sondern bestenfalls mit Blindheit geschlagen. Ansonsten würde er sehen, dass die EU keinen anderen Zweck hat, als den Kapitalismus rechtlich, politisch und künftig verstärkt auch militärisch abzusichern. Wer glaubt, die Lehre aus dem Holocaust sei es, den Staat Israel zu unterstützen und die Unterdrückung des palästinensischen Volkes zu leugnen, ist ein Rassist. Von dieser Art von „Linken“ trennen sich unsere Wege, da sie zum Imperialismus übergelaufen sind. Wer imperialistische Ambitionen, ganz gleich von wem sie ausgehen, befürwortet, ist unser Feind – das gilt für „linke“ Feigenblätter des Imperialismus gleichermaßen wie z.B. für alte und neue NS-Sympathisanten. Unser Existenzzweck ist es, auf der Seite der Unterdrückten und Ausgebeuteten zu stehen, und nicht, den noblen Verfechtern der „politischen Korrektheit“ zu gefallen.
4. Amerikanismus und Antiamerikanismus
4.1. Amerikanismus – Überlegenheitswahn einer Supermacht
Viele verstehen unter „Globalisierung“ einfach die weltweite Durchsetzung der Gesetze der freien Konkurrenz, die Erstreckung des freien Marktes auf die globale Ebene. Tatsächlich kommt es aber neben der Gewichtsverlagerung in Richtung Börsenwirtschaft auch zu einem ständigen Anstieg der US-amerikanischen Dominanz im globalen Kapitalismus, der, wie schon in vorhergehenden Kapiteln erwähnt, immer deutlicher wieder den Charakter des überwunden geglaubten Imperialismus und Kolonialismus annimmt.
Tragende Säule und Hauptgewinner des Imperialismus ist die wirtschaftliche, politische, kulturelle und militärische Macht der USA und die von ihr transportierte Ideologie, der Amerikanismus.
Marktwirtschaft, Freiheit und Demokratie für alle – der Kapitalismus als Vermittler allgemeingültiger Werte; die USA als Garant für deren Durchsetzung und Einhaltung; freier Zugang zum Markt, gleiche Chancen für alle, ihr eigenes Glück zu schmieden – Gleichheit auf Basis des Kapitalismus, der mit der Demokratie gleichgesetzt wird; die Überziehung des Planeten mit der amerikanischen Weltordnung als gottgewolltes Ende der Geschichte; die USA als Weltpolizei, die über das Wohl der Menschheit wacht und von Zeit zu Zeit verschiedene Schurken, die dieses Wohl bedrohen, ausschalten muss – aus diesen Illusionen besteht in etwa das Bild, das die USA der Welt zu vermitteln versuchen. An dieses Bild wird im Westen – vor allem in den USA selbst – nach wie vor häufig geglaubt. Die amerikanische Kultur, das amerikanische Wirtschaftssystem und letztlich sogar ihre Kriegspolitik als Segnungen, die der Rest der Erde dankbar zu empfangen hat – derartige Aussagen amerikanischer Politiker kennt man seit Jahrzehnten, und sie entsprechen auch dem Selbstbild und Weltbild vieler US-BürgerInnen. Daran zeigt sich, dass der Amerikanismus auch religiöse und missionarische Züge hat. Diese sind als politisch-kulturelle Ideologie mit den Wirtschaftsinteressen der USA ausgezeichnet kombinierbar und erhöhen als irrationales – aber bewusst eingesetztes – Element die von der einzig verbliebenen Supermacht permanent ausgehende Kriegsgefahr noch weiter.
4.2. Das „Ende der Geschichte“ und sein schnelles Ende
Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus und dem vernichtenden Feldzug der westlichen Allianz und ihrer zahlreichen Verbündeten im arabischen Raum gegen den Irak 1991 wurde schließlich in der Amtzeit Bill Clintons als US-Präsident (1992-2000) das „Ende der Geschichte“ ausgerufen – der Kapitalismus hätte gesiegt und das amerikanische System sich als weltweiter Heilsbringer erwiesen, als Garant für Demokratie, Frieden und Freiheit, kurz gesagt als einzig stabile Form des Zusammenlebens.
Die wirtschaftlichen Zusammenbrüche in Mexiko, Russland, Thailand oder auch Indonesien in der zweiten Hälfte der 90er Jahre (noch deutlicher dann in Argentinien 2001) zeigten bereits, dass der Kapitalismus aufgrund seiner rein auf Profit ausgerichteten Logik nicht in der Lage sein kann, die Grundbedürfnisse des Großteils der Menschheit zu befriedigen und gesellschaftliche bzw. globale Gegensätze zu überwinden. Mit dem völkerrechtswidrigen Krieg der NATO gegen Jugoslawien 1999 zeigte sich das wahre Gesicht des entstehenden amerikanischen Weltreiches: Wer sich nicht dem wirtschaftlichen und strategischen Interessen des Westens unterordnet, wird mit Bomben bestraft – eine Warnung an alle Welt. Zum Unterschied vom Irakkrieg 2003 aber war die westliche Front noch geschlossen, weshalb es leichter war, die Öffentlichkeit über die Kriegsgründe zu täuschen. Das Ende vom „Ende der Geschichte“ kam mit dem Ausbruch der zweiten palästinensischen Intifada im Jahr 2000. Der Konflikt zwischen dem israelischen Besatzungsstaat und dem palästinensischen Volk ist ein Scheitelpunkt der Weltpolitik, ein Symbol für den Kampf zwischen Reich und Arm, zwischen dem Westen und der Dritten Welt, zwischen Unterdrückern und Unterdrückten. Dem „Vermittler“ USA war es nicht gelungen, die Palästinenser mit ein paar bedeutungslosen Zugeständnissen abzuspeisen und ruhig zu stellen, vielmehr hatten sie eine jahrelange offene Rebellion entfesselt. Ein Jahr darauf kam der 11. September 2001. Die Reaktion der USA auf diesen Anschlag brach den Mythos des demokratisch-kapitalistisch-amerikanistischen Segensreiches auch in vielen westlichen Augen bereits wesentlich auf. Den in Kapitel 4.1. aufgezählten Illusionen vom demokratischen Paradies stand und steht die offensichtliche Realität gegenüber: Der fundamentale Angriff auf bürgerliche und demokratische Grundrechte in den USA (von anderen westlichen Staaten in unterschiedlichem Ausmaß nachvollzogen); die großzügige Ausweitung polizeilicher und militärischer Befugnisse; die Errichtung des Folterlagers in Guantánamo, in dem Menschen aufgrund ihrer nationalen, politischen und religiösen Zugehörigkeit jeglicher Rechte beraubt sind; die immer häufigeren Berichte über Gefängnisse, in denen weltweit im Dienst der USA und anderer westlicher Staaten gefoltert wird; und nicht zuletzt die offene Ankündigung (und nicht nur die Ankündigung), die eigene militärische Vorherrschaft für alle Zeiten abzusichern und überall militärisch einzugreifen, wo man die eigenen Interessen gefährdet sieht. Für alle Welt wurde sichtbar, wie weit es in der amerikanischen Weltordnung mit Freiheit und Demokratie her ist. Beim Irakkrieg 2003 zeigten die Volksmassen in lange nicht mehr gesehener Deutlichkeit weltweit ihre Ablehnung der amerikanischen Vorgangsweise und des allzu deutlich zur Schau getragenen US-amerikanischen Selbst- und Weltbildes. Dabei war das kriegerische Vorgehen in keiner Weise neu. Neu war, dass die USA nicht nur der „internationalen Staatengemeinschaft“ offene Missachtung zeigten, sondern auch den eigenen Partnern in der NATO. Einzelne sonstige Verbündete der USA fühlten sich durch dieses Vorgehen übergangen und beleidigt und zogen teilweise nicht mit, was jedoch zweifellos keinerlei grundsätzliche Abwendung von den USA bedeutete. Immerhin aber blieb dadurch die sonst übliche Gleichschaltung der westlichen Medien teilweise aus und den Bevölkerungen wurde in weit höherem Maß als bisher die politische Heuchelei, die unglaubliche Selbstherrlichkeit und das völkermörderische Zerstörungspotential des Imperialismus vor Augen geführt. Die Ablehnung der amerikanischen Ideologie und ihrer Politik ist so breit wie selten zuvor. Auch die Verlogenheit und Doppelmoral der Kriegspropaganda wird stärker als bisher wahrgenommen. Von den angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak wurde niemals eine Spur gefunden, während immer mehr über die verheerenden Folgen des Einsatzes radioaktiver Munition durch die USA und Großbritannien im ersten Irakkrieg und in anderen Ländern bekannt wird. Illusionen über die Bedeutung der UNO werden dadurch zerstört, dass die USA ganz offen unter Ausschaltung internationalen Rechts ausschließlich nach eigenem Ermessen Krieg führen. Daneben ignoriert ihr strategischer Verbündeter Israel seit Jahrzehnten UNO-Resolutionen ungestraft und erzeugt darüber hinaus Massenvernichtungswaffen.
4.3. Die Unverzichtbarkeit der US-Dominanz für den gesamten westlichen Imperialismus
Die Militärmacht der USA ist der oberste Garant für die Durchsetzung nicht nur us-amerikanischer, sondern der gesamten westlich-imperialistischen Interessen. Nur sie kann letztendlich garantieren, dass diejenigen, die sich auflehnen, in die Knie gezwungen werden. Die herrschenden Klassen aller imperialistischen Länder sind daher letzten Endes gezwungenermaßen pro-amerikanisch. Jedoch brauchen auch die USA selbst strategische Partner zur Aufrechterhaltung ihrer Weltordnung. Das Bündnis der USA mit der EU, aber z.B. auch mit Kanada oder Japan, ist daher von beiderseitigem Vorteil. Vorübergehende Verweigerungshaltungen einzelner Staaten des Bündnisses, wie wir es eben beispielsweise von Deutschland und Frankreich beim Irakkrieg 2003 zum Teil erlebt haben, haben den Zweck, die eigene Position am Futtertrog etwas zu verbessern und einen höheren Preis als Verbündete herauszuschlagen, also den eigenen Anteil an der Beute zu erhöhen. Hinzu kam natürlich auch der Druck durch die öffentliche Meinung, also durch den Willen des Volkes – dieser kann nicht immer völlig unberücksichtigt bleiben, wenn es um das politische Überleben von Regierungen geht. Es ist aber anzumerken, dass während des Krieges beide genannten Staaten ihre Hoheitsgebiete sehr wohl für die amerikanischen und britischen Bomber geöffnet hatten (und für Gefangenentransporte in Geheimgefängnisse jederzeit geöffnet haben) und deutsche US-Luftwaffenstützpunkte benützt wurden. Keinesfalls geht es in solchen Fällen darum, die amerikanische Weltordnung oder gar den Imperialismus als solchen in Frage zu stellen. Letztendlich haben die herrschenden Schichten im Westen keine andere Wahl, als sich der US-Hegemonie und dem Amerikanismus unterzuordnen. Nur so kann ihren eigenen imperialistischen Ambitionen zur Durchsetzung verholfen werden.
Natürlich bekämpfen wir auch die Militarisierung der EU, die in mittelfristiger Zukunft auch dazu dienen wird, imperialistische Interessen unabhängig von den USA durchsetzen zu können. Wenigstens in den nächsten Jahrzehnten werden die USA aber ihre eklatante militärische Überlegenheit beibehalten bzw. ausbauen können. Entgegen allen Illusionen sind die EU und die USA fest verbundene Säulen ein und desselben Systems. Der Kampf gegen die weltweite Diktatur der USA ist daher ebenso sehr ein Kampf gegen die EU und letztendlich gegen die herrschenden Klassen aller anderen westlichen Staaten (inklusive Österreich). Deren Devise „Verlieren die USA, verlieren auch wir“ ist nur allzu wahr.
4.4. Gegen den Amerikanismus auf allen Ebenen
Es ist notwendig, die US-amerikanische Vorherrschaft in allen Bereichen anzugreifen. Ihre weltweite und permanente politische Einflussnahme muss ebenso durchbrochen werden wie ihre wirtschaftliche Erpressung zahlloser Staaten und Regionen und ihre kulturelle Dominanz über den gesamten Planeten. Unser Antiamerikanismus richtet sich nicht gegen die amerikanische Bevölkerung. Er richtet sich dagegen, dass deren durch und durch kapitalistische und imperialistische Kultur als Mittel der Unterordnung der Welt unter die Interessen der USA verwendet wird, also gegen den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Weltherrschaftsanspruch der USA. „Globalisierung“ bedeutet in Wirklichkeit in erster Linie die Amerikanisierung der Welt, die Unterwerfung aller Staaten und Regionen unter den „weltweiten Markt“ unter Vorherrschaft der USA, sie bedeutet den Zwang, das Spiel des Kapitalismus mitzuspielen, dabei aber niemals den Interessen der USA in die Quere kommen zu dürfen.
„Kulturelles Zusammenwachsen“ und „Überwindung von Gegensätzen und Konfliktpotenzialen“ – mit diesen Schlagwörtern wird die Globalisierung als Fortschritt angepriesen. In Wirklichkeit erheben einfach die USA Anspruch auf das weltweite kulturelle Monopol. Wir haben es mit einer Kultur zu tun, in der trotz des Schlagwortes vom „Individualismus“ ein sehr einheitliches Denken und Handeln dominiert. Geschäftstüchtigkeit, Profit, Besitz und Konsum sind die wesentlichen Werte. Der eigene Vorteil als Maß aller Dinge. Größtenteils wird dem selben Schönheitsideal, den selben Autos, der selben Kleidung usw. nachgejagt. Das Recht, diesen nachzujagen, wird als individuelle Freiheit verkauft. Überfüllte Taschen in überfüllten Einkaufsstraßen werden als Erscheinungsbild der Demokratie und der Freiheit dargestellt. Gemeinschaftliche Ziele und Werte wie Solidarität und soziale Gerechtigkeit sind „nutzlos“, weil sie keine Profite bringen. Wer sich dieser Kultur verweigert oder gar dagegen ankämpft, bekommt häufig schnell die Grenzen der Freiheit und der Demokratie, zumindest aber der gesellschaftlichen Toleranz und des so genannten Individualismus, zu spüren.
So sehr auch im Rahmen der imperialistischen Expansion (sei sie hauptsächlich wirtschaftlicher Natur (Beispiel EU-Erweiterung), sei es im kulturellen Bereich durch die weltweite Auslöschung traditioneller Kulturen, sei es durch offenen Krieg) von Freiheit, Demokratie und von der Möglichkeit für alle, zu Reichtum zu gelangen, die Rede ist, so wenig ist davon in der Realität zu sehen. Je größer der Einfluss des Westen unter Führung der USA weltweit wird, umso mehr Kapital und Reichtümer fließen aus der ohnehin schon unterentwickelten Dritten Welt in die wohlhabenden westlichen Zentren des Kapitalismus, und umso brutaler wird die Unterdrückung derjenigen, die dagegen Widerstand leisten. Aufrüstung, Überwachung und andere autoritäre Züge nehmen im Westen schon seit langem wieder zu, verstärkt seit dem 11. September 2001. Dem Rest der Welt wird Selbstbestimmung und Souveränität nur bedingt erlaubt. Niemand verweigert ungestraft die Unterordnung unter westliche, besonders US-amerikanische, Interessen. Der zu Beginn der 90er Jahre verkündete „Siegeszug der Demokratie“ offenbart sich als Siegeszug des Weltherrschaftsanspruchs der USA und ihrer eisernen Diktatur. Von dutzenden Kriegen und Bürgerkriegen, die die USA und ihre Verbündeten seit 1945 geführt bzw. angestachelt und unterstützt haben, hat keiner die Welt friedlicher oder demokratischer gemacht, aber etliche haben zur Errichtung bzw. Erhaltung brutalster Terrorregimes, Militärdiktaturen und Gottesstaaten geführt, sei es in Afrika, Asien oder Lateinamerika. In den allermeisten Fällen wurden damit revolutionär-demokratische Bewegungen und Entwicklungen unterdrückt bzw. verhindert.
4.5. Antiamerikanismus – Antiimperialismus – Antikapitalismus
Immer mehr Menschen erkennen, dass die USA versuchen, ein Weltreich unter ihrer Herrschaft aufzubauen. Der Amerikanismus wird berechtigterweise von einer immer breiteren Öffentlichkeit als Verkörperung von Kapitalismus und Konsumdenken wahrgenommen, als Inbegriff von Profit- und Machtgier bis zum offenen Krieg. Der Amerikanismus ist die bisher umfassendste und erfolgreichste Erscheinungsform des Imperialismus. Unser heutiger Antiamerikanismus ist schlicht die Ablehnung dieses Systems und dieser Herrschaftsform. Er richtet sich nicht abstrakt gegen „Amerika“, sondern konkret gegen die Vollzugsorgane des Amerikanismus: EU, WTO, NATO, Weltbank und all die nationalen Regierungen, die den Amerikanismus politisch umsetzen und verwalten.
Unser Antiamerikanismus enthält die Forderungen der Völker nach Selbstbestimmung, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit. Wir haben die Möglichkeit, über den Antiamerikanismus zum Entstehen eines neuen, demokratischen, antikapitalistischen und antiimperialistischen Bewusstseins beizutragen. Ein solches Bewusstsein ist die Grundvoraussetzung für den antikapitalistischen Kampf. Über Antiamerikanismus zum Antiimperialismus und dadurch zum Antikapitalismus, das ist unsere Perspektive. Nur die Niederlage des amerikanischen Reichs und die Zerschlagung seiner Vollzugsorgane kann zum Sieg über den gesamten Imperialismus und zur Überwindung des Kapitalismus führen.