Konkrete Vorwürfe betreffen allerdings fast ausschließlich die Arbeit in legalen Kulturvereinen, Solidaritätsarbeit zur menschenrechtswidrigen Situation in türkischen Gefängnissen und die Unterstützung politischer Gefangener. Auf dieser dürftigen Grundlage wird den Beschuldigten auch die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §129 b Strafgesetzbuch (StGB) vorgeworfen. Eine angemessene Verteidigung halten die VerteidigerInnen allein aufgrund der Unbestimmtheit der Anklage für nicht möglich.
Das von der Bundesanwaltschaft (BAW) angestrebte Anklagekonstrukt „§34 Außenwirtschaftsgesetz in Zusammenhang mit der EU-Terrorliste“ ist weit beliebiger als der bisher in ähnlichen Prozessen im Vordergrund stehende §129b. Der in diesem Fall relevante §34 Abs. 4 des AWG besagt, dass diejenigen, die gegen eine wirtschaftliche Sanktionsmaßnahme der EU oder der Vereinten Nationen gegenüber bestimmten Organisationen, Personen oder Ländern verstoßen, mit Strafen zwischen 6 Monaten und 15 Jahren Haft bestraft werden können. Sanktionsmaßnahmen im Sinne des § 34 AWG können wie in diesem Fall die Anordnungen in Zusammenhang mit der EU-Terrorliste oder auch Handelsembargos gegen einzelne Länder etc. sein. Der Sonderermittler der EU, Dick Marty, bezeichnet das Vorgehen der EU, in Bezug auf die Terrorliste, als ungerecht und pervers. So würden Menschen im Sinne des Feindstrafrechts mit einer zivilen Todesstrafe belegt, da sie in keiner Weise mehr handlungsfähig wären. Selbst Serienkiller hätten mehr Rechte als die dort gelisteten.
Die VerteidigerInnen im Düsseldorfer Verfahren halten das gesamte Anklagekonstrukt aufgrund seiner Unbestimmtheit für rechtswidrig. Dass die Strafbarkeit einer Person von in regelmäßigen Abständen wechselnden EU-Ministerratsbeschlüssen abhängen soll, genügt dem Verfassungsgrundsatz des Art. 103 II Grundgesetz nicht. Strafgesetze müssen danach so hinreichend bestimmt sein das Jede/r klar erkennen können soll, wann eine Strafbarkeit vorliegt. „Die Entscheidung würde, wenn sich das Konstrukt der BAW durchsetzt, vielmehr durch die grund- und menschenrechtlich höchst fragwürdige Aufnahme der Organisation auf die EU-Terrorliste vorweggenommen und somit einer effektiven, einem Strafverfahren angemessenen, gerichtlichen Kontrolle entzogen“, so Rechtsanwältin Anni Pues. „Wir befürchten, dass hier ein neues Mittel der Kriminalisierung unliebsamer politisch tätiger Menschen erprobt werden soll, dass kaum mehr einer juristischen Kontrolle unterliegt.“, fügt Rechtsanwältin Britta Eder hinzu. Auf solch einer Grundlage könnte künftig quasi jegliche Unterstützungsarbeit von politischen Gefangenen oder in Kulturvereinen kriminalisiert werden.
Die Beschuldigten im Prozess vor dem OLG Düsseldorf müssen sich neben dem beschriebenen Konstrukt auch mit Isolationshaftbedingungen, Deprivation, jahrelanger Untersuchungshaft, sowie der bereits geschehenen Auslagerung eines Teils der Entscheidungen an den Europäischen Gerichtshof auseinandersetzen.
„Das OLG Düsseldorf hat auf Betreiben der Bundesanwaltschaft dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) drei Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, deren Beantwortung für eine etwaige Strafbarkeit der Mandanten entscheidend ist. Zu Prozessbeginn wird der Beschluss oder das Urteil des EuGH noch nicht vorliegen. Auch aufgrund dieser in einem Strafverfahren ungewöhnlichen Vorgehensweise sind ein faires Verfahren und eine effektive Verteidigung nicht denkbar,“ so Anni Pues und Britta Eder.