Das zur Abstimmung stehende sogenannte „Icebank“ Entschädigungsgesetz zugunsten der britischen und niederländischen Regierung lehnten die Isländer mit knapp 94 % der Stimmen bei lediglich 1,6 % Zustimmung ab. Eine Abstimmungsergebnis, das als rekordreif gelten kann.
Zum Hintergrund und zur Vorgeschichte:
Tausende Briten und Holländer hatten bei Isländischen Banken, der Icebank zuvorderst, Geld eingelegt (Auf Sparbücher uns in sonstigen Einlageformen), da hohe Zinsen vereinbart wurden. Diese Banken galten aber als ausländische Institute in den Niederlanden und Großbritannien und unterlagen daher keiner Bankensicherung dieser Länder. Rechtlich bindend war das Isländische Bankensicherunggesetz, das eine Entschädigung im Ausfallsfall ausschließlich für IsländerInnen vorsah und vorsieht – und nicht für AusländerInnen.
Nach der Zahlungsunfähigkeit und der Verstaatlichung der isländischen Banken gingen die betroffenen Briten und Holländer ihrer Einlagen verlustig. Vorerst. Denn aus Gründen der politischen Propaganda („Schaut her, wir stehen für euch ein!“), um Kapitalinteressen (der Betroffenen Einleger) zu schützen und vermutlich auch, um die Kaufkraft der eigenen Bevölkerung maximal zu erhalten und einen unwiederbringlichen Kapitalabfluß zu verhindern, entschädigten die britische und niederländische Regierung die Betroffenen vollständig aus Budgetmitteln. Dies mit dem Vorsatz: „Das holen wir uns schon von den Isländern zurück.“
Diese Entschädigungszahlungen an die Einleger waren eine pur freiwillige Maßnahme der britischen und niederländischen Regierung ohne jede Rechtserfordernis. De juris hätten die betroffenen Einleger auf ihren Verlusten sitzenbleiben müssen. Ebensowenig ist ein moralisches Recht der Einleger auf Entschädigung abzuleiten, denn es war im Sinne einer Anlegerverantwortung allgemein zugänglich, daß die Einlagen lediglich isländischem Sicherungsmechanismus unterliegen.
Die britische und niederländische Regierung forderten darauf die freiwillig an ihre BürgerInnen geleisteten Entschädigungszahlungen von der Isländischen Regierung ein. Die Summe beträgt satte 3,8 Mrd. Euro. Für das winzige Island eine derart hohe Summe, daß selbst der britischen und niederländischen Regierung klar war, daß Island diese Summe frühestens im Laufe von 25 Jahren abstottern könnte.
Daß es dafür keinerlei gesetzliche Grundlage gibt und gab, war den Briten und Holländern klar. Der Druck wurde erpresserisch über den gewünschten EU Beitritt Islands aufgebaut. „Wenn ihr uns das nicht ersetzt, dann legen wir, NL und UK, gegen euren Beitritt ein Veto ein!“
Die isländische Regierung (Sozialdemokraten und Grünen Koalition) knickte ein und beschloß entgegen der klaren Haltung und den Interessen der eigenen Bevölkerung ein entsprechendes Gesetz, womit sich die britische und niederländische Regierung am Ziel sahen. Als Retter in der Not erwies sich Islands Staatpräsident Olafur Grimsson.
Im Bewußtsein der massiven und breiten Ablehnung des Gesetzes in der Bevölkerung lehnte er ab, das Gesetz zu unterzeichnen und erzwang damit die Volksabstimmung. Zitat Grimmsons „Ich bin überzeugt, daß beim Interessenskonflikt zwischen Finanzmärkten und Demokratie die Demokratie den Vorzug haben muß.“
Politisch zentral für die Einschätzung bleibt die Beurteilung, ob das Ergebnis pure Eigeninteressen der IsländerInnen ausdrücken würde oder einer revolutionären Grundstimmung entspricht.
Reportagen vor Ort der Nachrichtenmagazine „Spiegel“ und „Neue Züricher Zeitung“ nach zu urteilen ist das Ergebnis aber als deutliches Zeichen einer Haltung der IsländerInnen zu deuten, die sich in immer schärferem offenen Konflikt mit der Elite befinden.
Es sei daran erinnert, daß die Rejkavijker Bevölkerung bereits vor eine knappen Jahr Regierungsgebäude stürmte. Laut akuteller Reportagen richtet sich der Zorn der Bevölkerung nicht gegen die britischen und niederländischen EinlegerInnen. Ihr Zorn richtet sich dagegen, für die Verbrechen ihrer Regierung und ihrer Banken/Kapitalisten enteignet zu werden. Die Forderungen richten sich klar darauf, das isländische Kapital klar abzuschöpfen, bevor und um irgendwelche Forderungen des Auslands zu erfüllen.
Die Reportagen berichten davon, daß Wohnhäuser und Geschäftssitze der Großkapitalisten in Island mit roter Farbe als Zeichen der sozialen Ausgrenzung besprüht werden und es bereits zu Salzsäureattacken kam. Ebenso wird der eigenen Regierung nur mehr mit offenem Widerstand begegnet. Als besondere Pointe berichteten die genannten Medien von den Pissoirs Islands, in deren Pißbecken seit kurzem die Fotos von Kapitalisten angebracht sind, um ihnen die entsprechende Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen.
Wie berechtigt das ist, zeigt die Reaktion von Ministerpräsidentin Sigurdardottir auf das Abstimmergebnis. Sie betonte nach Bekanntwerden der überwältigenden, praktisch vollständigen Ablehnung der Zahlungen durch die Bevölkerung, daß die Regierung jetzt neu mit der der Niederlande und der Großbritanniens verhandeln werde, um eine Regelung zu erreichen, mit der man gegenüber der eigenen Bevölkerung durchkommt.
Eine 94%ige Ablehnung eines Regierungsvorhabens durch die eigene Bevölkerung führt also in unseren Demokratiefarcen noch lange nicht dazu, daß eine Regierung von einem Vorhaben abläßt. Was im Kapitalinteresse und als Übereinkunft von Eliten vereinbart wurde, soll selbst gegen 94 % der Bevölkerung halten.
Ein leichtes Durchkommen ist für die Isländische Regierung dennoch mit dem Abstimmungsergebnis nicht mehr möglich, da Präsident Grimmson umso überzeugter blockieren wird. Aber irgendwann kann seine Amtszeit enden…
„Kann“ deshalb, weil seine jetzige Amtszeit bis 2012 reicht, aber eine Wiederwahl möglich ist. Er wurde bereits 3mal im Amt bestätigt, in Island existiert keine Begrenzung der Anzahl möglicher Amtsperioden des Präsidenten.