1. Das „Rettungspaket“ von EU und IWF rettet nicht Griechenland, sondern Europas Banken. Der griechische Ministerpräsident Papandreu spricht von der Notwendigkeit die Katastrophe der Staatspleite zu verhindern. Wo er recht hat: Staatspleiten sind unangenehm. Allerdings: Schlimmer als das, was jetzt in Griechenland passiert? Gehaltseinbußen von 25 Prozent im öffentlichen Dienst? Mehrwertsteuer auf 23 Prozent – in einer Wirtschaft die ohnehin mit steigenden Preisen zu kämpfen hat? Schlimmer als ein Liter Benzin für 2 Euro? Das verordnete Sparpaket ist derartig brutal, das die griechische Wirtschaft nach Schätzung des IWF in diesem Jahr um vier Prozent schrumpfen wird. Damit wird zwar das aktuelle Defizit verringert, die Gesamtschulden in Prozent der Wirtschaftsleistung wiegen aber dank schrumpfender Wirtschaft immer schwerer. Das „Rettungspaket“ bringt eine wirtschaftliche Depression.
Solche Zustände könnte Griechenland wirklich billiger haben, da brauchen die keine Antikapitalisten als Berater. Zahlungsunfähigkeit erklären, mit den Schuldnern einen Abschlag von etwa 50 Prozent vereinbaren. Kurzfristig gibt es dann Schwierigkeiten das laufende Defizit auf Kapitalmärkten zu finanzieren. Das ist bitter und gibt eine schwerste Krise der Wirtschaft – aber schlimmer als jetzt geht eigentlich nicht und wenigstens wäre man die Schulden los. Nach einem Jahr kann man sich dann wieder Geld ausborgen. Wer weniger Schulden hat, dem glauben die Kapitalmärkte, dass er neue Außenstände auch bedienen kann.
Heißt: Das Hilfspaket von EU und IWF hilft nicht Griechenland, sondern den Gläubigern, den Banken, Versicherungen, Pensionsfonds und den Stiftungen der Superreichen. Wenn Griechenland dann in zwei Jahren tatsächlich Pleite geht, fallen die Steuerzahler der restlichen Eurostaaten um ihr Geld um. Besonders bei den Banken ist das empörend: wenn die sich jetzt neu eindecken, erhalten sie für 2 jährige griechische Anleihen über 10 Prozent Zinsen und können die dann bei der EZB als Sicherheit für frisches Geld hinterlegen. Falls was schief geht hängen die Verluste bei der Allgemeinheit.
2. Gemacht wird das Ganze also um das Bankkapital zu retten und den Finanzmarkt der Eurozone zu stabilisieren. Dafür kommt das Griechenland-Paket aber reichlich spät. Deutschland hat mit der Hilfszusage so lange gezögert, dass Spanien und Portugal bereits von der Panik infiziert sind und auch dort die Zinsen steigen. Es ist ganz offensichtlich, dass ein Land wie Portugal Staatsschulden seine Gesamtschulden von 80 Prozent des BIP ohne Schwierigkeiten bedienen kann, wenn die Zinsen für 10jährige Anleihen bei 3 Prozent liegen (so viel zahlt Deutschland). Aktuell fast sechs Prozent wird aber langsam herausfordernd. Es entwickelt sich eine Spirale: die Finanzmärkte werden ein bisschen nervös, der erste Pensionsfonds verkauft Portugal, Spekulanten steigen ein und wetten auf Ausfälle. Die Zinsen steigen. Das ist schlecht für die Konjunktur und verteuert den Schuldendienst, die erste Ratingagentur senkt daher ihren Ausblick. Dann werden die nächsten Pensionsfonds nervös und verkaufen ebenfalls.
Eine solche Finanzmarktpanik ist um so leichter beherrschbar, je früher man handelt. Hätte Merkel ein paar Wochen früher einem 40 Mrd. Paket zugestimmt, wäre die Sache fürs erste wohl gegessen gewesen. Jetzt sind die110 Mrd. eigentlich zu spät. Angesichts des Umfangs des Griechenlandpakets und angesichts der politischen Tumulte, die es auslöst, glauben eigentlich nur wenige an ähnliche Hilfen für Spanien, Portugal oder Irland. Die wären zu teuer und politisch zu umstritten. Man sollte meinen, die deutsche Bundesregierung braucht keine Antikapitalisten als Berater, um einen derartigen Murks zu vermeiden. Sollte man meinen, aber bitte. Wir würden auch vermuten, dass die Europäische Zentralbank in den nächsten Tagen oder Wochen Geld drucken möchte, um spanische und portugiesische Anleihen zu kaufen und die Zinsaufschläge unter Kontrolle zu kommen. Falls Berlin dann wieder einen ideologischen Anfall Liberalismus bekommt und das zu lange verhindert, können sie sich möglicherweise die Euro-Zone aufzeichnen. Und es gibt das Risiko einer Rückkehr der Finanzkrise, wie nach dem Zusammenbruch der Lehman-Brothers im Herbst 2008.
3. Agiert die deutsche Bundesregierung weniger dilettantisch, dann geht das Ganze noch länger gut. Das ändert aber nichts an dem Grundproblem, dass es insgesamt zu viele Schulden gibt. Dass die Einkommen zu ungleich verteilt sind, um für ausreichende Nachfrage zu sorgen. Dass die Industriestruktur zahlreicher Länder (gerade in Südeuropa) durch Jahrzehnte des Finanzmarktkapitalismus völlig ausgehöhlt ist. Das sind die Probleme, die die Wurzel der Krise darstellen. Man kann damit fortfahren das Bankensystem immer wieder von neuem aufzufangen und damit die Oligarchen (aber auch die Privatpensionen, die man den Leichtgläubigen angedreht hat) retten. Man kann die durch die ungleiche Einkommensverteilung und die Deindustrialisierung fehlende Nachfrage durch Staatsschulden ersetzen. Mit dem Nachteil, dass bei jeder Rettung und jedem Konjunkturpaket die Schulden größer werden. Und man könnte den ganzen Mist eindampfen.
Die Schulden gehören gestrichen, und die Griechen sollten damit anfangen, die haben nichts zu verlieren. Die Inhaber der Schuldentitel und Halter größerer Barvermögen werden dann durchdrehen, das gibt eine Finanzmarktpanik von gigantischen Ausmaßen. Um die unter Kontrolle zu halten, braucht man Kapitalverkehrskontrollen und eine öffentliche Verwaltung der Banken. Schließlich benötigt es eine öffentliche Investitionslenkung, um die Industriestruktur zu erneuern. Und eine gerechte Einkommensverteilung, um Entwicklung zu ermöglichen, die nicht von der Schöpfung immer größerer Kreditmassen abhängig ist und nur einer Minderheit zu Gute kommt.
Das wird nicht leicht. Länder wie Griechenland werden damit mehr Schwierigkeiten haben als Österreich oder Deutschland. Wir halten nichts vom „Endloskonsum für alle“ Versprechen, das in der Linken recht beliebt ist. Solche Eingriffe bringen gewaltige Turbulenzen und sind auch mit Opfern verbunden. Aber in Wahrheit fehlen die attraktiven Alternativen. Den Griechen helfen wir gerne. Und für nachhaltige Entwicklung sind wir auch bereit fürs erste Opfer zu bringen. Bluten für die Banken werden wir nicht.