Am Sonntag, 27. Juni demonstrierten in der libanesischen Hauptstadt Beirut Tausende Libanes/innen und Palästinenser/innen mit der Forderung nach elementaren Menschen- und Bürgerrechte für die Palästinenser/innen im Libanon. Die Aktion lief unter dem Slogan „Ich möchte in Würde leben… bis wir zurückkehren“. Es handelt sich u.a. um Grundrechte wie das Recht auf Arbeit, das Recht auf Sozialversicherung und das Recht auf Hausbesitz.
Einige Tage davor, am 16. Juni, scheiterte im libanesischen Parlament eine Abstimmung über einen Gesetzesentwurf, demzufolge die im Libanon lebenden Palästinenser/innen bisher vorenthaltene Menschen- und Bürgerrechte erhalten sollen.
Seit der Nakba (Vertreibung der Palästinenser/innen und Errichtung des Staates Israel in Palästina im Jahr 1948) leben Millionen palästinensischer Flüchtlinge in den Umgebungsländern, davon 400 000 im Libanon.
Im Gegensatz zu anderen arabischen Ländern, wo die Palästinenser/innen eingebürgert (Jordanien) bzw. gleichgestellt (Syrien, Irak, Ägypten) sind, sind die Palästinenser/innen im Libanon, die in fünfter Generation großteils in den Flüchtlingslagern leben, von den meisten staatlichen Dienstleistungen ausgeschlossen. Siebzig Berufe (darunter Ärzte, Anwälte, Ingenieure) sind den Palästinenser/innen vorenthalten. Die libanesische Armee umzingelt die Lager und schränkt sowohl Personenbewegung als auch die Einfuhr von Baumaterialien ein.
Der Gesetzesentwurf, der von Dschumblats „Sozialistisch-Progressiven Partei“ (sie unterstützt die Regierung von Ministerpräsident Hariri) dem Parlament vorgelegt wurde, fiel dem konfessionellen Charakter des Staates zum Opfer.
Die Abstimmung verlief nicht entlang der üblichen politischen Fraktionen, sondern entsprach der konfessionellen Verteilung: Unabhängig von der politischen Front, stimmten die christlischen Abgeordnete (Christen haben eine Parlamentsquote von 50%) gegen den Entwurf. Sowohl die pro-Hariri Katayeb-Partei, die „Lebanese Forces“ als auch die mit Hezbollah alliierte „Freie Nationale Strömung“ stimmten gegen den Gesetzesentwurf.
Hingegen stimmten die meisten moslemischen Abgeordneten, ebenfalls unabhängig von der politischen Front, für das Gesetz.
Die christlichen Parteien, Nachfolger der rechtsgerichteten „Phalangisten“ des Bürgerkrieges in den 1970er und 1980er Jahren, betrachten eine Verbesserung der Lage der Palästinenser/innen als einen Schritt in Richtung Einbürgerung. Dies würde eine weitere Verschiebung des demographischen Gleichgewichts zugunsten der Moslems bedeuten (christliche Palästinenser/innen sind großteils längst eingebürgert worden). In ihrem Diskurs wird nicht zwischen Einbürgerung und Grundrechte unterschieden.
Die Palästinenser/innen im Libanon sind nicht nur Opfer der Weltpolitik, die den Landraub und die Massenvertreibung durch Israel unterstützt, sondern auch Opfer der internen politischen Gleichgewichte eines konfessionell aufgebauten Staates.
Ob die nächsten Parlamentssitzungen einen Kompromiss herbeibringen können, ist fraglich. Bis dahin setzt sich die Misere in den Palästinenserlagern fort.