Die Märtyrer und der Sieg sind eigentlich zwei Seiten derselben Medaille. Die eher traurigen Besuche der Märtyrermahle in Beirut waren deshalb notwendig um zu verstehen, welchen historischen Prozess der palästinensische und libanesische Widerstand durchlaufen hat, bis im Jahr 2000 der Sieg errungen wurde und Israel bedingungslos aus dem Südlibanon abzog. Der Krieg 2006 war ein zweiter Sieg des Widerstandes, dem es gelang, die israelische Armee zu demütigen und ihre heftigen Angriffe zu überstehen.
In diesem Geist reiste die Delegation am Freitagmorgen, dem 30. Juli, in den Süden. Der erste Zwischenhalt war das Dorf Maghdusheh, auf den Hügeln oberhalb des Lagers gelegen. 1986 erlebte das Dorf eine entscheidende Schlacht für den palästinensischen Widerstand gegen die pro-syrische Amal-Milz. Der palästinensische Gegenangriff beendete eine monatelange Hungerblockade der Amal und zwang sie zu einem Waffenstillstand und freiem Zugang zu dem Lager.
Nach diesem Kurzaufenthalt besuchte die Gruppe Mlita. Die ersten Aktionen der Hisbollah-Guerilla fanden hier während der Kämpfe zur Befreiung des Südlibanon statt. Eine Kriegsausstellung in einer ehemaligen Hisbollah-Basis zeigt zerstörte und aufgegebene Panzer, Kanonen, bewaffnete Fahrzeuge und Waffen der israelischen Armee und der SLA-Kollaborateure. Ebenfalls werden Waffen des Widerstandes, Tunnelsysteme in den Bergen, lebensgroße Figuren von Guerilleros im Kampf… etc… Die Ausstellung ist ein sehr beliebtes Ziel von Schulausflügen. Die Führer erklären die Waffen und wie sie genutzt wurden. Eine wichtige Errungenschaft des Widerstandes besteht darin, dass die neue Generation die Besiegbarkeit der israelischen Armee verstanden hat. Es ist der Widerstand gewesen, der die Mauern der Furcht durchbrach und das Selbstbewusstsein des Volkes wiederherstellte.
Danach ging es für die Delegation weiter nach Süden. Hier konnte man die Kreuzfahrerburg „Le Beaufort“ oder, auf Arabisch, „Shqeif“, besuchen. Auf einer beeindruckenden Position in den Bergen errichtet, erlaubt die Burg einen guten Ausblick ins besetzte Palästina. Deshalb war es in den 70ern eine der wichtigsten Basen des palästinensischen Widerstandes. Die israelischen Versuche, die Burg zu stürmen, blieben erfolglos bis zur vollständigen Invasion in den Libanon 1982. Die heroische Verteidigung der Burg durch eine Gruppe palästinensischer Kämpfer, die über Wochen die Burg hielten und hohe Opfer unter den israelischen Angreifern hervorriefen, ist ein wichtiger Teil der palästinensischen Geschichte. Heute ist das Gebäude leer und verlassen. Obwohl 40% der Burg während der Kämpfe zerstört wurden, bleibt das Gebäude beeindruckend. Die Hisbollah-Fahne auf dem verbliebenen Turm ist eine knappe Erklärung über das Endergebnis.
In Nabatiyyeh wurde Mittag gegessen. Das schiitische Dorf hat den Widerstand, palästinensisch wie libanesisch, stets unterstützt. Die Gruppe besuchte das leere Feld, wo bis 1974 das palästinensische Nabatiyyeh Flüchtlingslager zu finden war. Das Lager, welches das Einzige mit Blick auf Palästina gewesen ist, wurde durch intensive israelische Luftangriffe – bei denen sogar Napalm benutzt wurde – völlig zerstört. Über 800 palästinensische Zivilisten wurden getötet, als eine Bombe ihren Unterschlupf zerstörte. Die Überlebenden machten eine zweite Nakba, waren sie doch gezwungen, nördlich in andere Flüchtlingslager zu ziehen.
Der Ausflug endete einige Kilometer vor der nördlichen Grenze von Palästina. Nach einem kurzen Stopp beim Checkpoint der libanesischen Armee neben dem Wazan-Fluss konnte die Delegation zur Grenze gelangen. Für die palästinensischen Jugendlichen, welche die Delegation begleiteten, war dies mehr als ein Ausflug. Ihr besetztes Land vor ihren Augen, mit den israelischen Siedlungen darauf, war es schwer, sie daran zu hindern auf eine vorbei fahrende israelische Patrouille mit Steinen zu werfen. Der Spaziergang am Grenzzaun entlang provozierte sowohl die libanesische Armee als auch Unifil-Truppen, welche die Delegation nicht aus den Augen ließen. Die Grenze ist ein beliebtes Ausflugsziel für alle Libanesen. Das geplante Treffen mit einem Hisbollah-Repräsentanten an der Grenze war nicht möglich. Diesmal waren die Hisbollah-Fahnen größtenteils mit der Fahne von dem Staat Qatar ersetzt worden: Der Prinz von Qatar wurde in dem Dorf auf einen Besuch am nächsten Tag erwartet. Qatar finanzierte den Wideraufbau und die Renovationsarbeiten nach der massiven Zerstörung durch die israelischen Angriffe 2006.
Ein weiterer Stopp wurde in Bint Jbeil eingelegt, welches durch die Besatzung und den Krieg von 2006 Bekanntheit erlangte. Schuld war ein mechanischer Defekt an dem Bus, dessen Motor durch die Bergroute ausgesetzt hatte. Bint Jbeil war 2006 vollständig zerstört worden, ist aber fast vollständig wieder aufgebaut. Das einzige, das an den Krieg erinnert sind die Poster und Mahnmahle für die Märtyrer des Dorfes, sowie die typische weiße Farbe der jüngst wiedererbauten Häuser.
Nach der Reperatur des Busses ging es zurück in das nördlich gelegene Ein El Hilweh. Die Namen der Dörfer sind allen vertraut, weil sich die heftigen Kämpfe des Krieges von 2006 und der früheren Jahre hier abgespielt haben.
Wieder zurück, sangen die palästinensischen und italienischen Teilnehmer arabische Widerstands- und italienische antifaschistische Partisanenlieder. Den Märtyrern, Opfern und Siegen gedenkend, kehrte die Gruppe zurück in das Lager, in dem an dem SUMUD Dokumentarfilm weiter gearbeitet werden soll.
Teil I: Gedenkstätten der Märtyrer und die Last der Geschichte
http://www.sumud.at/node/30
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