Site-Logo
Site Navigation

Kaputt gespart

Die europäischen Sparpakete angesichts der Krise


3. November 2010
Von Stefan Hirsch

Nach der Krise ist vor der Krise. Die ganze Welt will weitermachen wie früher, nur Europa ist anders. Europa hat den Verstand verloren und möchte sich gerne kaputt sparen.


Die große Krise geht in ihre nächste Phase. 2007 ist die Blase am amerikanischen Häusermarkt geplatzt. 2008 gab es die große Finanzkrise mit dem Zusammenbruch der Lehman-Brothers. 2009 erlebte dann einen nach dem Zweiten Weltkrieg beispiellosen Einbruch der internationalen Realwirtschaft und eine Serie von gigantischen Staatsinterventionen, die eine Kernschmelze verhindert haben. 2010 ist von einer Erholung der Weltwirtschaft gekennzeichnet – ohne dass die tieferen Krisenursachen verschwunden wären – und von einem Auseinanderfallen der staatlichen Stabilisierungsstrategien.

Demgegenüber geht in den USA die Staatsintervention ungebremst weiter. Wie schon in den Vorjahren ist die US-Strategie nicht darauf gerichtet, die Ursachen der Krise zu bekämpfen, die vor allem in einer extrem ungleichen Einkommensverteilung liegen. Im Wesentlichen möchte man den Zustand von vor 2006 wiederherstellen: Die Haushalte sollen sich weiter verschulden. Dafür hat man Hunderte Milliarden in das Bankensystem gepumpt. Im November 2010 folgt die nächste Runde: Die Sache nennt sich „Quantitative Easing“. Im Wesentlichen werden von der Federal Reserve Dollar gedruckt und damit Wertpapiere gekauft. Das billige Geld soll die Vermögenspreise (etwa die Aktienkurse oder auch die Hauspreise) in die Höhe treiben, auf dass die Haushalte wieder ausgabenfreudiger werden. Die Ramschpapiere, die man dabei am Hypothekenmarkt zusammenkauft (mittlerweile ist die Federal Reserve der größte Spieler für Immobilienkredite), können natürlich niemals zum selben Preis wieder abgesetzt werden. Eine neue gewaltige Subvention für die Finanzmärkte.

Die billigen Dollar überfluten dabei die ganze Welt und treiben nicht nur Vermögenspreise in die Höhe, sondern auch die Währungen anderer Staaten. Das ist auch Sinn der Sache: Über einen schwächeren Dollar soll die US-Wirtschaft wieder konkurrenzfähiger werden, die Industrie wieder mehr exportieren. Vor allem die asiatischen Schwellenländer wollen das nicht akzeptieren. Die Fed druckt Dollar, die Koreaner drucken Won, im Augenblick ist die Fed aber schneller und die meisten Währungen haben in den letzten Monaten aufgewertet. Einzig China hält die Bindung seiner Währung an den Dollar mit massiven Deviseninterventionen. Im Endeffekt bedeutet das aber, dass nicht nur die USA versuchen die Welt vor der Krise wiederzubeleben, China hat sein Wachstumsmodell ebenso wenig geändert: Per unterbewertetem Renminbi weiter und immer mehr exportieren, sowie durch gigantische Investitionen die Industrieanlagen bauen, die dann noch mehr Exportgüter produzieren können. Nur ist schleierhaft, wer das Zeug kaufen soll, die USA wollen jedenfalls nicht mehr.

Europa ist da, wie gesagt, anders. Ein paar Länder sparen sich kaputt, um die Banken zu retten. Etwa Griechenland oder Irland, möglicherweise auch Spanien und Portugal. Wenigstens Griechenland und Irland sind pleite. Griechenland deswegen, weil der Staat schon vor der Krise zu viele Schulden hatte. Irland ist pleite, weil die Regierung darauf besteh, alle jene zu retten, die seinem insolventen Bankensystem Geld geborgt haben. Sowohl im Fall Irlands wie Griechenlands sind das die anderen Banken des Euroraumes. Ob die ihr Geld jemals wieder sehen, ist aber ohnehin zweifelhaft – in beiden Ländern bricht Wirtschaft und Gesellschaft auseinander. Die unglaublichen Opfer der Bevölkerungen werden wohl im Endeffekt nicht ausreichen, um der Oligarchie das Geld zurückzuzahlen (das sie uns zuvor allen gestohlen hat). Die Frage ist, ob da nicht noch andere dazukommen. Spaniens Bankensystem scheint sehr anfällig und die österreichischen Banken haben den Kollaps in Osteuropa merkwürdig gut überstanden.

Dann gibt es Andere, etwa Großbritannien, die sparen sich einfach so kaputt. In einem Akt von halluzinatorischem Liberalismus glaubt die britische Regierung, dass der private Sektor dort in die Bresche springen wird, investieren wird und Arbeitsplätze schafft, wo ein unglaubliches staatliches Sparpaket alles kahl schlägt. Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: Der öffentliche Wohnbau wird um 50 Prozent gekürzt, im öffentlichen Sektor fallen 500.000 Stellen weg – und damit verbunden noch einmal 400.000 andere Jobs. Und in einem solchen Szenario steigender Arbeitslosigkeit und weg brechender Nachfrage sollen auf einmal private Unternehmen einen Wert von acht Prozent des BIP (soviel soll das staatliche Defizit fallen) zusätzlich investieren.

Deutschland ist zu solchem Wahnsinn nicht bereit, hat aber auch schon Sparpakete beschlossen und schlägt in der EU ununterbrochen Radau, dass alle sofort zu sparen beginnen müssen. Fragt sich, wer dann die deutschen Exporte kaufen soll. Die Iren, Griechen und Briten fallen in jedem Fall aus, die USA will nicht mehr.

In Österreich ist das Ganze ein bisschen gemütlicher. Die Ausfallsrisiken im Bankensystem werden verdrängt und verschwiegen, während man auf das Beste hofft. Was soll man auch machen: Wenn die staatlichen Garantien fällig werden, ist man sowieso pleite. Daneben gibt es die üblichen Sparpakete, das Reden über die zukünftigen Generationen, denen man keine Schulden hinterlassen darf. Schon aber eine schlechtere Ausbildung, denn es ist die Frage, ob noch alle fertig studieren können, denen man mit 24 die Familienbeihilfe streicht. Wenigstens erspart uns Bundeskanzler Fayman das Gepolter über die faulen Griechen.

Die eigenständigen Weltmachtambitionen werden übrigens auch abgesagt. Großbritannien kürzt sein Militärbudget um acht Prozent, Österreich die Entwicklungshilfe um 10 Prozent. Sinkende Rüstungsausgaben sind natürlich erfreulich, nur dass im Gegenzug die politische Umklammerung der USA noch einmal stärker wird.

Thema
Archiv