Gaddafi: Kein Antiimperialist, kein Revolutionär
Spätestens seit 2003 ist der 1969 an die Macht geputschte Muammar Gaddafi offen in das Lager der westlichen Vorherrschaftsbestrebungen über die arabische Welt übergelaufen. Während die US-Bomber den Irak verwüsteten verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck, im Kampf gegen „Terror“ hilfreich sein zu können und wurde von da an von Blair, Sarkozy und Berlusconi hofiert.
Seine Hauptleistungen sind: Stabilität garantieren, die afrikanischen Flüchtlinge in die Sahara zurückschicken, Öl und Gas zu liefern, Waffendeals abzuschließen und sein Land für Investitionen öffnen. (Die EU, vor allem Großbritannien, hat ihrem Jahresbericht zufolge 2009 allein Waffen im Wert von 344 Mio. Euro an Libyen verkauft).
Solidarität und Skepsis
Trotz der Reichtümer Libyens lebt ein Drittel der Bevölkerung in Armut. Seit Jahrzehnten wird das Leben der Menschen von Gaddafis Machtapparat kontrolliert. Seine letzte Ansprache, in der er sein mutiges, protestierendes Volk als Ratten und Junkies anschrie, zeigt seine Egomanie und Menschenverachtung. Für ihn geht es um mehr als sein politisches Überleben: Nach seinem Sturz würde ihn kaum ein Land der Welt aufnehmen wollen. Darum ist sein Kampf einzig ein Kampf um Macht und mehr Zeit, das verdeutlicht auch die wachsende Zahl desertierender Diplomaten und Armeeangehöriger.
Die arabische Straße, aber auch die palästinensisch-libanesischen Widerstandsbewegungen haben sich voll hinter die Volksrevolution in Libyen gestellt und die Massaker Gaddafis verurteilt. Die arabische Einheit, die Gaddafi in seinen jungen Jahren anstrebte, manifestiert sich jetzt in der Ablehnung seiner Verbrechen.
Aber es gibt auch Skepsis, insbesondere aus Kuba und Venezuela: Fidel Castro enthält sich einer Bewertung Gaddafis („man kann mit ihm einverstanden sein oder nicht“) und warnt, die NATO könne das Rohstoffreiche Land besetzen. Das muss man ihr zwar zutrauen – aber aus strategischer Sicht wäre es das Dümmste, was der Westen machen könnte. Die Revolutionen, deren Ausgang noch offen ist, würden sich in einen Befreiungskrieg gegen die Besatzertruppen verwandeln den die NATO nur äußerst blutig abwehren könnte.
Im Zweifelsfall für die Revolution
Die Repression verhindert derzeit eine umfassende Berichterstattung aus Libyen. Es kann aber durchaus davon ausgegangen werden, dass eine bedeutende Minderheit zu Gaddafi hält – insbesondere wegen Privilegien oder Angst vor der Rache des Volkes. Sollte es zu einem Bürgerkrieg kommen darf die Angst vor einer NATO-Intervention keine („kritische“) Solidarität mit Gaddafi auslösen. Der Mann kämpft weder für soziale Gerechtigkeit noch die arabische Einheit, er schlachtet sein Volk und müsste als Verantwortungsbewusster Herrscher die Macht abgeben um einem vollen Bürgerkrieg zuvorzukommen.
Es ist richtig, dass weder der Westen noch die revoltierenden Völker selbst wissen, wie die Zukunft aussehen wird. Das gilt für Tunesien, Ägypten und natürlich Libyen. Was aber in den letzten Wochen erlebt werden konnte war der Zusammenbruch tyrannischer, korrupter Diktaturen durch die arabischen Völker. Die Menschen wissen sehr genau, von wem diese Diktatoren jahrzehntelang Gelder und Unterstützung bekommen haben, und sie wissen noch besser, wie lange der Westen gezögert hat ihre mutige Aufstände willkommen zu heißen, der Westen, der im Irak einen Völkermord für den Sturz einer Diktatur in Kauf genommen hat. Den arabischen Massen nicht zuzutrauen, dass sie den kommenden Intrigen der amerikanisch-zionistischen Allianz gewachsen sind ist mehr als ungerecht.
Freiheit für Libyen!
Stoppt die Massaker!
Für die arabischen Volksrevolutionen!
23. Februar 2011
Antiimperialistische Koordination
Hintergrundinformationen:
Tagesschau: Libyen ist der Wachhund Europas
http://www.tagesschau.de/kommentar/libyen190.html
Castro warnt vor der NATO
http://www.granma.cu/aleman/kuba/22febrero-reflexiones21.html
al Jazeera English: Libyens lukrative Geschäfte mit dem Westen
Verurteilen Gaddafi: Hisbollah, Hamas, PFLP
http://www.almanar.com.lb/english/adetails.php?fromval=2&cid=14&frid=23&seccatid=14&eid=3411
http://english.peopledaily.com.cn/90001/90777/90854/7296429.html
http://www.pflp-info.de/pflp/gaddafi-libyen-massaker