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Libyen: Volksaufstand für Demokratie von des Westens Gnaden?

25. Februar 2011
Willi Langthaler

Ja zur Volksmacht von Benghazi, nein zu Sanktionen geschweige denn Militärinterventionen


Auf die demokratische Bewegung in Nahost angesprochen meinte Arundhati Roy, eine der intellektuellen Ikonen des Widerstands gegen die Globalisierung, dass man angesichts der Unterstützung durch die westlichen Medien fast Angst bekommen müsse.

Bei der ägyptischen Bewegung taten sich die Regime des Westens noch sehr schwer, denn Mubarak war weltweit einer ihrer wichtigsten Diktatoren. Milliarden an Militärhilfe für den arabischen Beschützer Israels flossen jährlich an den Nil. Im Gegenzug ließ Washington nach dem neoliberalen Prinzip Folter nach Kairo auslagern. Bei Tunesien hatten die Herren der Welt, die sich gerne als Gralshüter der Demokratie gerieren, angesichts der Wucht der Volksbewegung schon eingeschwenkt, da hielt die ehemalige Kolonialmacht noch immer ihre schützende Hand über ihren Folterknecht Ben Ali.

Doch bei Libyen scheint die Welt wieder in Ordnung. Der Medienmob tobt ganz nach dem bewährten Muster Saddam-Milosevic-Ahmedinedschad. Da hilft es Gaddafi nichts, dass der Westen seit Jahren blendende Geschäfte mit ihm macht, er im Gegenzug Europa die afrikanischen Habenichtse vom Leib hält und als Draufgabe noch die französische Kolonialpolitik im Tschad unterstützt. Der alternde Revolutionsführer blieb indes stets bemüht gegenüber seinem Volk und der arabischen Welt weiterhin den Antiimperialisten zu mimen. Je clownesker, desto inhaltloser. Und es ist just dieser verblichene Antiimperialist, der auf der anderen Seite des Mittelmeeres genauso bereitwillig wieder als Feindbild ausgegraben wird. Man will sich gleichsam posthum am alten Gaddafi rächen.

Tatsächlich ist die gegenwärtige Umarmung die schlimmste Bürde, mit der die demokratische Bewegung belastet werden kann. Will sie demokratisch bleiben, muss sie umgehend die Unterstützung durch den Westen zurückweisen, andernfalls kann Gaddafi wieder an Legitimität gewinnen. Diejenigen, die die Volksbewegung wirklich unterstützen wollen, müssen sich heftig gegen Sanktionen (man erinnere sich an die schleichenden Völkermorde im Namen der Demokratie im Irak und gegenwärtig in Gaza) aussprechen und selbstverständlich eine Militärintervention auf das Entschiedenste bekämpfen.

Es wäre jedoch falsch anzunehmen, dass die Unterstützung durch die westliche Medienmaschine automatisch eine prowestliche Bewegung hervorbringen würde. Klar gibt es nicht nur in Libyen, sondern sehr wohl auch in Ägypten oder in Tunesien Kräfte, die ihr Heil im Westen sehen. Doch in der großen Masse sind es die Mittel- und Unterklassen, die rebellieren und die demokratische mit sozialen und antiimperialistischen Forderungen verbinden. Das scheint auch in Libyen der Fall zu sein. Obwohl dort der durchschnittliche Lebensstandard signifikant höher ist als in den anderen Staat des Maghreb, wird die Ölrente ungleich verteilt und die politische Macht genauso monopolisiert wie in den Ölmonarchien des Golfs. Der Aufstand dagegen ist genauso legitim, auch wenn die Demonstranten nicht in gleicher Weise Hunger leiden wie in Ägypten.

Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied. Zumindest ein Teil der Armee scheint an Gaddafi festhalten zu wollen. Ohne brauchbare Angaben von vor Ort sind wir auf Mutmaßungen angewiesen, nämlich dass dieses Faktum einerseits auf eine etwas breitere Streuung der Ölrente zurückzuführen ist, andererseits dass in Libyen die Stammesloyalität noch einen gewissen Stellenwert hat. Es ist also durchaus möglich, dass in Libyen sich die Armee spaltet und der Konflikt zu einem Bürgerkrieg führt. Um Benghazi, die zweite Stadt des Landes, mag sich wohl gerade eine Gegenmacht konstituieren. Anders als in den Nachbarländern stützt sich diese nicht auf recycelte Militärregime, sondern dürfte etwas radikal neues sein mit der gigantischen Schwierigkeit, dass es keine organisierte und artikulierte Opposition gab die das Vakuum füllen könnte. Die Chance auf ein Experiment der Volksmacht besteht, das es unbedingt wert ist unterstützt zu werden.

Das Gerede von einer Militärintervention beschränkt sich derzeit auf die diversen Mediengeneräle. Man glaubt seine Tastatur zum Marschflugkörper der Demokratie machen zu können. Doch bevor die kapitalistische Oligarchie tatsächlich in Aktion tritt, wird sie sich sehr genau überlegen welche Kräfte sie unterstützt. Eine mögliche Volksmacht von Benghazi wird sie wohl eher in einem blutigen Bürgerkrieg zerrieben sehen wissen.

Überhaupt ist der Jubel der Medienmaschine kurzsichtig und unangebracht, ja eine Selbsttäuschung. Sie hoffen auf bunte Revolutionen wie sie in Osteuropa inszeniert wurden. Doch die arabische Welt ist Opfer von 150 Jahren brutalstem (Neo)Kolonialismus, permanenter israelischer Aggression, diversen US-Kriegen, neoliberaler Ausplünderungen garniert mit prowestlichen Ölprinzen, die den hungernden Volksmassen Disney-Arabien vorprotzen. Da reichen ein paar wild gewordene linksliberale Demokratieschreier nicht, um den legitimen Hass der Massen auf den Westen, der sich von Generation zu Generation immer tiefer in die Herzen einsenkte, umzudrehen.

Demokratie heißt in Nahost Antiimperialismus. Sobald der Traum vom sanften regime change durch die Realität überholt sein wird, weil die Massen soziale Rechte und nationale Souveränität im Zusammenstoß mit israelischen und westlichen Interessen einfordern, wird auch in den Gutmenschen-Redaktionen wieder Schluss mit lustig sein. Die Araber werden flugs wieder zu primitiven Untermenschen, die nur die Knute verdienen, die sie als Moslems bis vor wenigen Wochen noch waren. Nicht zufällig weist wieder Israel den Weg: Demokratie gilt nur für die weißen Herrenmenschen. Man trommelt sich als einzige Demokratie des Nahen Ostens auf die Brust und will es tunlichst auch bleiben.

Die Umarmung der demokratischen Revolutionen ist also zum Scheitern verurteilt.

Willi Langthaler
24.2.2011

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