Die SPÖ zeigt in dieser Debatte wie selten zuvor ihre völlige Abhängigkeit von wohl nur vermeintlich wahlerfolgsversprechenden populistischen Forderungen, bei der sie gleich mehrere Grundsätze auf einmal entsorgt. Sie bricht damit nicht nur mit jeglicher historischen Kontinuität, bei der doch (wenn auch eigentlich nur von Teilen und schon gar nicht der Parteiführung) der erste bewaffnete Widerstand in Europa gegen den Faschismus Teil dieser Tradition war, und der steht halt im engen Zusammenhang einer nur dem abgehalfterten Adel u. dem Großkapital verpflichteten Berufsarmee. Daher kommt auch heute nicht mal mehr aus der 3.Reihe einer SJ der Hinweis, dass wir zwar noch nicht wissen, ob Gaddafi wirklich Bomben auf Demonstranten werfen läßt, aber sehr wohl der Dollfuß die Arbeiterwohnungen in Wien, Steyr und Bruck/Mur mit Artillerie beschießen ließ. Und der hängt bekannterweise noch immer im Parlamentsklub der ÖVP. Die Conclusio, dass man zwar einerseits die ständig steigende Armut und das zunehmende Auseinanderklaffen bei Einkommen und Vermögen bedauert, auch bei uns sich einmal in gewalttätigen Auseinandersetzungen entladen könnte, ist wohl zu abstrakt für den gelernten Sozialpartner. Und ein Vergleich mit Honduras, wo dies erst vor kurzem wieder einmal vorgeführt wurde, wie sich die Oligarchie allzu demokratischer Umwälzungen mit Hilfe einer hörigen Armee entledigen kann, gehen da wohl ins Leere.
Das Annähern an die NATO zum jetzigen Zeitpunkt, wo viele NATO-Länder ihren Rückzug aus dem Irak u. tlw. auch Afghanistan abschließen od. schon abgeschlossen haben, deutet entweder auf die eigene Vollverblödung hin od. die Erkenntnis der Spin-Doktoren in der Löwelstraße das dies beim Großteil des Wahlvolkes gegeben ist. Wettbüros wo beide Behauptungen in einer Kombiwette angenommen werden, soll es bis dato keine geben.
Die ÖVP hat da einfach den pragmatischeren Zugang, weil sie einerseits weiß, dass das Berufsheer mehr kostet, und andererseits auch nicht geil auf kämpfende und sterbende österreichische Soldaten am Hindukusch oder schon bald am Persischen Golf od. in Nordafrika ist man dort auch nicht. Außerdem wäre es dann vorbei mit den billigen Arbeitskräften beim Zivildienst. Trotzdem will ich hier ungeachtet der Wertigkeit von Sozialarbeit in einem kapitalistischen System schon die Grundsatzfrage aufwerfen, ob in einem hochentwickelten Wohlfahrtsstaat, bei der die Gesellschaft immer mehr zu einer hedonistischen Gemeinschaft von Personen ohne sozialer Verantwortung degeneriert, nicht das Individium für die Gemeinschaft zumindest einmal in die Pflicht genommen werden sollte. Ich glaube, dass dies eine Grundvoraussetzung ist, soziale Sensibilität bei unpolitischen Menschen überhaupt entwickeln zu können und dadurch erst eine Politisierungsmöglichkeit gegeben ist.
Der These mit den „wehrpflichtigen“ Militärdiktaturen möchte ich jedoch schon deutlich entgegentreten. Die Wehrmacht war natürlich nur eine Fortsetzung der bereits im 1.WK von Volksarmeen der imperialistischen Mächte geführten Kriege, deren Oligarchien ihre ausgebeuteten Massen mit der Droge Nationalismus gegeneinander in den Tod hetzten. Trotzdem war es aber gerade dieses Element, dass nach der verheerenden Niederlage mit den enormen Verlusten, die bis heute andauernde Kriegsunlust der Deutschen ebenso erklärt, wie auch die Niederlage der USA in Vietnam, wo nicht mehr nur die klassische US-Berufsarmy eingesetzt wurde. Zumindest in Lateinamerika sind die Militärapparate mit einer eindeutig der Oligarchie zugeordneten Offizierskaste und einer daraus resultierenden disziplinär extrem hierarchisch aufgebauten Struktur des Militärapparates verknüpft gewesen, der sowohl Ausbildung, Waffengattung, Einsatzorte und rücksichtslose Durchsetzung der Befehlsgewalt sehr gut kontrollierte (z.B. Putsch in Chile). Da kann man schon sehr gut Rekruten aus der Atacama und den südlichen Provinzen gegen die Arbeiter in Santiago einsetzen, wenn der „teniente“ im Hintergrund schon in der Ausbildung brutal genug war, dass ihm jederzeit zuzutrauen ist, dass er dir sofort in den Rücken schießt, wenn du den Befehl nicht ausführst, und jeder weiß, dass es dafür auch keine Ahndung gibt. Umgekehrt gibt es keine revolutionäre Bewegung, die nach der Machtergreifung auf die Wehrpflicht verzichtet hätte. Dies hängt aber auch mit den völlig anderen strategischen Anforderungen einer Volksarmee zusammen, die ja einen Staat und alle seine Einrichtungen, die ja oft überlebenswichtig für die Bevölkerung sind, zu verteidigen hat, und nichts mit den oft rein punktuell auftretenden Einheiten einer Guerilla zu tun hat.
Als die Sandinisten 1979 mit einer langjährig kampferprobten Guerilla an die Macht kamen, war spätestens mit den ersten konterrevolutionären Aktivitäten im Jahr danach das Thema Volksbewaffnung sehr schnell ein Thema, wie auch die oftmals nicht sehr human durchgeführte Rekrutierung für die Armee ein unbedingtes Muss zur Verteidigung der lebenswichtigen Infrastruktur. Letztendlich war es aber auch die Stärke dieser Armee, die in 11 Jahren Antiguerillakampf gegen eine von den USA hochgerüstete Contra, niemals die Hoheit auch nur über Teile des Staatsterritoriums für mehr als ein paar Stunden verlor. Und sie war auch ein wesentlicher Hemmschuh für die USA mit eigenen Truppen zu intervenieren, weil die Gefahr auf Grund der topografischen Situation des Landes eines neuen Vietnams gegen bis zu 300.000 teilweise sehr kampferfahrene Bewaffnete ein hohes Risiko darstellte. Aber auch die Erfolgsstory des Zionistenstaates beruht letztendlich auf der Stärke der IDF, deren hohen Stellenwert in der israelischen Bevölkerung und die daraus resultierende Selbstverständlichkeit einer Wehrpflicht wohl nicht in Frage gestellt werden kann.
Ich will dies aber auch noch mit einigen Anmerkungen ergänzen, die den grundsätzlichen Charakter bewaffneter Einheiten auszeichnen. Dass dabei Disziplin und klare hierarchische Strukturen bedeutsam sind, werden Überlebende aus allen Armeen u. Guerillaorganisationen der Welt bestätigen. Die nicht nachvollziehbaren Erlebnisse in Gefechten und dabei auszuführende Befehle, welche mit hohem Risiko verbunden sind, werden in den seltensten Fällen nur mit individueller Motivation umsetzbar sein. Dies ist nicht mit basisdemokratischen Grundsatzdiskussionen herstellbar. Auch die Guerillabewegungen (FMLN, UNRG) in El Salvador u. Guatemala haben exerziert und sind in Reih und Glied zur Waffeninspektion angetreten, und schließlich schlendert die Hisbollah auch nicht irgendwie dahin, wenn sie militärische Präsenz zeigt. Das Disziplinlosigkeit im Zusammenhang mit Waffen oft auch Menschenleben durch Unfälle kostet, ist wohl auch hinlänglich bekannt, und endete mit ungesicherten AK 47ern in Zentralamerika genauso tragisch, wie es das heute durch „friendly fire“ bei der NATO immer wieder vorkommt.
Noch pikanter wird das Ganze dadurch, dass gerade die SPÖ, welche völlig hilflos auf Grund ihres eigenen permanenten „Nicht-Handelns“ zu einem hohen Ausmaß für die Integrations- und Migrationsprobleme verantwortlich ist, einen der wenigen gesellschaftlichen Gemeinplatze, wo Integration u. Multikulturalität meistens gut funktioniert (das ist halt leider oft nur der Fußballplatz und die Kasernen des österr. Bundesheers) ersatzlos entsorgt. Außerdem nimmt sie sich eines der besten Gegenargumente in der Auseinandersetzung mit den „heimatverbundenen Kräften“, wenn der Anteil der Migranten bei den Wehrpflichtigen viel höher ist jener der Autochthonen. Wenn ein Rassistenherz etwas kürzer schlagen soll, als biologisch vorgesehen, braucht man es nur öfters zu einer Angelobungsfeier schicken, wo die „Dragans und Mehmets“ noch öfter anzutreffen sind, als irgendwo sonst auf der Straße. Ergänzt um die oft zahlreich erschienene Verwandtschaft, die festlich gekleidet stolz auf ihre Söhne sind, wenn diese den Eid auf die Republik leisten, wird selbst dem blödesten „Kanaken- und Tschuschenhasser“ bewusst, dass beim nächsten Katastropheneinsatz, er wohl nicht darauf bestehen wird können, dass ihm nur ein echter Österreicher die Sandsäcke vor dem Haus aufbaut.
von MPK