Das Jahr 2011 wird als das Jahr der arabischen Volksaufstände in die Geschichte eingehen. Die tunesische Revolte und der Fall des Diktators Ben Ali beschleunigten einen Prozess im Arabischen Raum, der nach langen Jahren politischer Repression, Korruption und Verarmung den Volkszorn aufflammen ließ. In Ägypten, Libyen, Jordanien, Jemen, Syrien, Bahrain, Algerien und sogar Saudi-Arabien protestieren zwar Menschen unterschiedlicher Auffassungen – letztendlich stellen sie jedoch alle die selben Forderungen nach Demokratie, Menschenrechten, sozialer Gerechtigkeit und nationaler Souveränität. Nach Monaten der Proteste versuchen die Regime in allen betroffenen Ländern die Errungenschaften der Volksbewegungen rückgängig zu machen und ihre Weiterentwicklung zu verhindern. Im Westen wird mit zweierlei Maß gemessen und nur selektiv über die Ereignisse im Arabischen Raum informiert. So wurde die Zerschlagung des bahrainischen Aufstands durch den Einmarsch saudischer Truppen und die darauf folgenden Repressionswellen praktisch verschwiegen. Ebenso finden die Versuche der Regime Ägyptens und Tunesien, vorbei an den Volksbewegungen das alte System wiederherzustellen, wenig Beachtung. In Syrien befindet sich die Bewegung zwischen dem Amboss der westlichen Instrumentalisierung und dem Hammer des Regimes. Hierzulande wird nur ein verzerrtes Bild dieses komplexen Prozesses wahrgenommen.
Die Vorträge finden sowohl in Wien als auch in Graz statt. In Graz wird die Vortragsreihe in Zusammenarbeit mit dem Afro-Asiatischen Institut (AAI) abgehalten werden.
Fr, 16. Sep 2011, 19h
Volksaufstand in Syrien zwischen Unterdrückung und Instrumentalisierung
Mit: Soubhi Hadidi
S. Hadidi ist Literaturkritiker, Schriftsteller und Journalist. Hadidi wurde 1951 in der Stadt Kamischli in Syrien geboren. Er studierte englische Literatur an der Universität von Damaskus. Heute lebt er in Paris. Hadidi publizierte mehrere Studien über Literaturtheorie und moderne Kritikschulen. Er beschäftigt sich intensiv mit post-kolonialer Literatur und moderner arabischer Lyrik. Zudem übersetzte er mehrere Werke ins Arabische, wie etwa Montgomery Watts „Islamic Political Thought“, Ken Keseys „One Flew Over the Cuckoo’s Nest“, S. H. Hookes „Middle Eastern Mythology“, und Edward W. Saids “Afterwards to Orientalism”. Hadidi schreibt regelmäßig in der bekannten, in London erscheinenden arabischen Zeitung „Al-Quds Al-Arabi“, sowie in Le Nouvelle Afrique-Asie (Frankreich), An-Nahar (Libanon) und der palästinensischen Literaturzeitschrift Al-Karmel. Im arabischen Raum ist er als langjähriger politischer Gegner der Assad-Regierung in Syrien bekannt. Als junger politischer Aktivist der Syrischen Kommunistischen Partei – Politbüro (die heutige Demokratische Volkspartei, eine der bekanntesten Parteien der syrischen demokratischen Opposition) musste er mehrere Jahre im Untergrund leben, bis er in den 1980er Jahren floh. Er gilt heute als einer der führenden Figuren der oppositionellen „Pariser Gruppe“ des Komitees der „Damaskus Erklärung“ (2005).
Unterstützer: Syrische Gemeinden in Österreich
Fr, 14. Okt 2011, 19h
Bahrain: Konfessionalismus als Waffe des Regimes
Mit Dr. Said Al-Shihabi
Dr. Said Al-Shihabi ist Generalsekretär der „Bewegung Freies Bahrain“. Gegründet 1982, gilt sie als eine der ältesten Oppositionsbewegungen des Landes. Sie führte in den 1980er und 1990er Jahren die wiederholten Aufstände gegen die Willkür des Regimes und für demokratische Rechte und Gleichheit im Land an. 2011 schloss sich die Bewegung der „Koalition für die Republik“ an, die über die Reformforderungen hinaus den Sturz der Monarchie und die Errichtung einer demokratischen Republik fordert. Shihabi gilt als einer der unerbittlichsten Gegner des bahrainischen Regimes. Er nahm an den ersten Protestbewegungen 1975 gegen das Einfrieren der Landesverfassung durch den König teil. 1979 musste er das Land verlassen. Shibabi war Chefredakteur der oppositionellen Zeitung „Al-Alam“, die zwischen 1983 und 1999 in London herausgegeben wurde. Nach seiner Rückkehr 2001 während eines kurzen Tauwetters zwischen dem neuen König und der Opposition eskalierte die Lage abermals und Shihabi verließ erneut das Land. Am 26. Juni 2011 wurde er in Abwesenheit zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Sa, 19. Nov 2011, 19h
Ägypten im Kampf gegen die Konterrevolution
Mit: Dr. Mohammad Wakid
Dr. Wakid ist Journalist, Anthropologe und politischer Aktivist aus Ägypten. Er nahm im Jänner als Mitglied der Aktivistengruppe „Revolutionäre Sozialisten“ am Volksaufstand teil. Heute ist er politisch als Mitbegründer der Plattform „Nationale Front für Gerechtigkeit und Freiheit“ tätig, einem Bündnis von politischen Aktivisten aus unterschiedlichen Spektren auf der Basis sozialer Gerechtigkeit, Demokratie und nationaler Souveränität. Er ist Mitherausgeber des Internetportals Jadaliyya (arab. für Dialektik). In seiner Dissertation befasst sich Wakid mit den internen Dynamiken des „Aid Business“ (dem Geschäft mit der Entwicklungshilfe) in Ägypten.
Interview mit der deutschen Zeitung Junge Welt vom 21.05.2011.
Fr, 2. Dez 2011, 19h
Tunesien, die unvollständige Revolution
Mit: Ing. Raouf Ghali (PCOT) und einem Vertreter von Nahda
Ing. Raouf Ghali ist Sprecher der Kommunistischen Arbeiterpartei Tunesiens (PCOT) für den deutschsprachigen Raum. Er lebt und arbeitet seit fünf Jahren als technischer Angestellter in Deutschland. Er nahm er an mehreren Aktivitäten zur Unterstützung des Volksaufstands in Tunesien teil und beteiligte sich direkt an den Ereignissen in seiner Heimatstadt Djebeniana. Weitere Aufenthalte in Tunesien ermöglichten ihm direkten Einblick in die politischen Ereignisse. Ghali ist aktives Mitglied des Palästina-Komitees Stuttgart und des Arabischen Kulturklubs Stuttgart.
Hasan Trabelsi ist Sprecher der islamischen Nahda-Bewegung in Deutschland.
Geboren in Sfax im Südost Tunesien. Schloss sich in den 1980ern als Student der islamischen Bewegung an. Zwischen 1991 und 1992 lebte er im Untergrund, bevor er das Land über Libyen und Malta nach Deutschland verließ, wo er politisches Asyl bekam. Heute lebt er in München.