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Das Massaker von Maspero und die Prüfung der Moslemischen Brüder

Ägyptens Militärrat will die Bevölkerung spalten


13. Oktober 2011
Antiimperialistische Koordination (AIK)

Der Tod von mehr als zwanzig Menschen bei den Koptenprotesten vor dem ägyptischen staatlichen TV-Sender im Kairoer Maspero-Viertel wirft mehrere Fragen über die Zukunft der Demokratiebewegung und des gesamten Landes auf. Nicht nur wird der Charakter und die Rolle des Militärrats immer offensichtlicher. Auch die verbündeten Moslemischen Brüder stehen vor einer schweren Prüfung. Der Militärrat und seine Verbündete im Westen haben lieber einen konfessionellen Krieg als eine Demokratiebewegung. Die Moslemischen Brüder haben es mit konfessioneller Hetze zu weit getrieben.


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„Wer Wind sät, wird Sturm ernten“

Seit dem Abgang Mubaraks versuchen Regime und islamistische Kräfte über die konfessionelle Polarisierung von der tatsächlichen Reformdebatte im Land abzulenken. Schon das Referendum über die kosmetische Verfassungsänderung (und gegen die Forderung der demokratischen Bewegung für eine neue Verfassung) konnte nur durch religiöse Mobilisierung seitens der Moslembrüder und der Salafiten gewonnen werden. Sie traten für die alte Verfassung ein, um den „islamischen Charakter des Staates“ zu beschützen.

Mitten im Kairoer Frühling führten von Saudi-Arabien bezahlte salafitische Gruppen eine Kampagne gegen Christen. Hauptthema waren häufig christliche Frauen, die angeblich zum Islam übertraten und in den Kirchen gefangen gehalten werden. Bei der Eskalation im Mai sorgten Provokateure dafür, dass in den Auseinandersetzungen von Imbaba mehrere Leute starben. Mehrere Kirchen wurden von Unbekannten angezündet.

Seit Monaten demonstrieren Christen und Moslems vor dem staatlichen TV-Sender in Maspero für den säkularen Charakter des Staates und gegen die Diskriminierung der Christen.

Ein wichtiger Spannungspunkt zwischen den Christen und dem Staat ist ein noch geltendes ottomanisches Gesetz aus dem Jahr 1856, das die Baugenehmigung neuer Kirchen vom Einverständnis des Staatsoberhaupts abhängig macht. Die Renovierung von Gebetsstätten kann auf Gouverneurs-Ebene genehmigt werden. Das ägyptische Regime nutze traditionell diese Klausel um die Christen zu erpressen. Bauen diese ohne Genehmigung, so wird von den Salafiten dagegen gehetzt oder der Staat reißt den Bau ab.

Als der Gouverneur der südlichen Stadt Aswan den Abriss eines ungenehmigten kirchlichen Baus verordnete, protestierten die Christen und forderten die Absetzung des Gouverneurs. Die Proteste breiteten sich nach Kairo aus, wo Demonstranten erneut in Richtung Maspero marschierten.

Obwohl es im Moment über den Ausbruch der Gewalt unterschiedliche Aussagen gibt, steht fest, dass die Militärpolizei und die Armee exzessive Gewalt gegen Demonstranten ausübten. Mehrere Demonstranten wurden von Panzerwagen überrollt. Schlägerbanden in Zivil tauchten auf und griffen die Demonstranten an. Am Ende des Tumults waren etwa zwanzig Menschen tot und hunderte verletzt.

Die Tatsache, dass Proteste in Alexandria auf ähnliche Weise angegriffen wurden, deutet darauf hin, dass die Repression dieser Proteste vorprogrammiert war. Das staatliche Fernsehen stellte anfangs die Situation als einen sektiererischen gewalttätigen Angriff von Kopten auf hilflosen Soldaten dar.

Von der größten Kundgebung am selben Tag, wo Christen und Moslems mehrerer politischer Strömungen gegen Diskriminierung und für einen säkularen demokratischen Staat demonstrierten, wurde wenig berichtet.

Die Reaktion des Militärrats, der auch nach dem Massaker keine Entschuldigungsworte finden konnte und nur von „der hohen Moral der Soldaten“ sprach, lässt über den repressiven Charakter des Militärrates keinen Zweifel. Politische Aktivisten betrachten die Repression vor Maspero als eine Provokation des Militärrates, um den Ausnahmezustand zu verlängern und die Wahlen im November zu verschieben.

Die mit dem Militärrat verbündeten Moslemischen Brüder stehen dadurch vor einer doppelten Prüfung. Ihr Bündnis mit dem repressiven Militärrat kostet sie täglich an Glaubwürdigkeit als Oppositionskraft. Bei ähnlichen Auseinandersetzungen zwischen Militärrat und Demonstranten standen sie bisher auf der Seite der Militärs und begrüßten die „Beendigung der abartigen Situation am Tahrir“. Nützt der Rat die Eskalation, um die Wahlen zu verschieben, so würden sie erneut in Konflikt mit dem Militärrat stehen.

Die zweite Prüfung ist jene der konfessionellen Konfrontation. Die Moslemischen Brüder selbst spielen in ihrer Mobilisierung auf die religiöse Zugehörigkeit. Auch wenn sie nicht direkt gegen Christen hetzen, geben sie keine klare Stellungnahme zur von den Salafiten betriebenen Hetze bzw. zur Diskriminierung seitens des Regimes ab. So ziehen sie indirekt Nützen daraus, wenn „die islamischen Werte“ und der „islamische Charakter“ des Landes gegen Christen, Liberale, Säkulare und Sozialisten zu verteidigen sind.

Diese pragmatische Haltung mündet in Opportunismus und ist für konfessionelle Eskalationen mitverantwortlich. Die Moslemischen Brüder und ihre neue politische Partei der „Gerechtigkeit und Freiheit“ sind dazu aufgefordert, VOR den Wahlen klare Worte zum Thema Christen auszusprechen, die über Bedauern und allgemeine Versprechen für danach hinaus gehen. Ein konfessioneller Konflikt wird mittelfristig auch für die Moslemischen Brüder selbst schädlich sein, wenn dadurch ihre geliebten „Ruhe und Ordnung“ nicht mehr zu bewahren sind.

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