(1) Die Banken müssen „freiwillig“ auf die Hälfte ihrer nominalen Außenstände in Griechenland verzichten.
(2) Die EFSF, der sogenannte „Rettungsschirm“, nämlich der Eurofonds für den Olivengürtel, soll einen „Hebel“ bekommen und damit das Dreifache seiner jetzt 440 Mrd. € wert sein.
(3) Die Banken müssen ihr Eigenkapital aufstocken, um krisenresistent(er) zu werden.
Nun der Reihe nach, soweit dies angesichts der mangelnden Informationen überhaupt möglich ist. Die Beschlüsse selbst sind unscharf und wolkig. Sie sollen mehr Einigkeit im Detail vorgaukeln, als faktisch vorhanden ist. Auch sind sicher nicht alle Informationen preisgegeben worden.
*) Der „Bankenverzicht“ ist rundum ein zynischer Witz. Mehr als die Hälfte der Außenstände der Banken haben EZB und EU-Länder bereits übernommen. Und die „Freiwilligkeit“ ist ein besonders schlechter Witz. Von den griechischen Schulden ist nur mehr ein nicht besonders großer Teil einbringlich, langfristig umso weniger, je schwerer die aktuellen Belastungen für Griechenland sind und je weniger die griechische Wirtschaft fähig ist, wieder auf die Beine zu kommen. Es gäbe also nur zwei Alternativen für die Banken: ein chaotischer Crash, der ganz außer Kontrolle gerät; oder etwas Ähnliches wie ein Konkurs, eine in der Zeit erstreckte geordnete Abwicklung. Nur das ist im Interesse der Banken, und dies soll jetzt denn auch versucht werden. Im Übrigen werden die Papiere ohnehin schon nur mehr zu 50 % gehandelt.
Aber mit Unterstützung ihrer Handelsbeauftragten Trichet, Sarkozy, aber auch Merkel gelingt es ihnen, durch Panikmache noch einen Teil ihres Kleingelds zu retten. Sie erhielten weitere Garantien über 30 Mrd. € für die bis 2020 die alten Schulden technisch ersetzenden rollenden Neukredite, und die Zusage, dass die Staaten weitere 100 Mrd. an Griechenland (d. h. die Banken) geben werden. Das sind dann 120+30+100=250 Mrd. seitens der öffentlichen Hände. Das sind 70 % des aktuellen griechischen Schuldenstands von 360 Mrd. bzw. 93 % von den nach dem „Bankenverzicht“ usw. erwarteten verbleibenden 270 Mrd. des Jahres 2020. Die Banken hätten nach Handelsrecht und ihren eigenen wirtschaftlichen Grundsätzen Alles zu tragen. Nach den Vereinbarungen sind sie ohne Leistung praktisch zur Gänze entlastet. Das wäre also der erste Punkt.
*) Der zweite Punkt ist etwas unklarer. Es könnte sein, dass geheime Zusatzvereinbarungen getroffen wurden. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um reine Augenauswischerei. Der berühmte „Hebel“ ist keiner, jedenfalls nicht i. S. des leverage-Effekts. Wie soll dies auch funktionieren? Warum sollen Banken unsichere Kredite vergeben, wenn ihnen nur ein Fünftel oder ein Viertel garantiert wird? Falls sich nicht eine weitere Schweinerei dahinter verbirgt, können wir den zweiten Punkt als eine dünne PR-Aktion abhaken.
*) Der dritte Punkt aber ist Ergebnis einer Politik, die seit rund zwei Jahrzehnten eine ohnehin gegebene Tendenz massiv förderte. Kleine Banken – so erzählt man uns – sind nicht wettbewerbsfähig. Sie müssen sich zusammenschließen. Das ergibt „Synergien“. Das Ergebnis ist: „Too big to fail.“ Und die „Synergien“? Von der ins Schleudern geratenen Dexia (Luxemburg / Frankreich) ist die kleine Tochter Deniz, die ihren österreichischen Kunden bei weitem die besten Konditionen anbietet, der einzig solide und aktive Betrieb. Die von der Stadt Wien verscherbelte Z / Bank Austria, angeblich zu klein, ist nahezu die einzige Preziose der Unicredit. … Es ist schwer, hinter dieser Art von Förderung der Wettbewerbsfähigkeit nicht Absicht zu vermuten, welche „Too obig to fail“ wünschte.
Als vor über 100 Jahren in einer Reihe von Wirtschaftszweigen der USA die Monopolisierung überhand nahm, beschloss der Kongress gegen den heftigen Widerstand der Regierung ein Antitrust-Gesetz (Sherman-Gesetz) und zerlegte Standard Oil und andere Unternehmen. Warum nicht Dexia wieder zerlegen? Warum nicht die Unicredit? Warum nicht aus der UBS vier Banken machen? Das wäre systemkonform, nähmen die Wettbewerbspolitiker ihre eigene Rhetorik ernst. Mit der 9 %-Regel – die nicht falsch ist – sind nur die Artisten der Umgehung heraus gefordert.
Der Krisengipfel war zweierlei: Er war eine PR-Veranstaltung für das erwartungsvolle politische Publikum der 27 EU-Staaten. Aber er war auch der Versuch, Zeit zu gewinnen. Zeit wofür? Unter einem technischen Aspekt möchte man den eigenen teils unsinnigen (weil überaus kurzfristigen) Regeln und damit dem Default entkommen. Es herrscht dabei das Prinzip Hoffnung: Die Lage wird sich schon entspannen! Aber die politische Stoßrichtung dürfte sogar umgekehrt verlaufen: Die Krise ist auch nützlich, soll daher kontrolliert weiterdauern. Sie kann verwendet werden, um mit Ausnahmemitteln die eigene Politik durchzusetzen. Die hat verschiedene Namen: „Wirtschaftsregierung“, „Europäisierung“, … Ziel ist der Abbau der noch vorhandenen Reste nationaler Demokratie; das Entkommen der zentralen Bürokratie von jeder Kontrolle von unten – mit einem Wort: der Aufbau eines europäischen Imperiums.
Es geht nur in einem Hintersinn um den Euro. Die derzeitige Stoßrichtung hängt nicht zuletzt auch am Weiterbestehen der Eurozone, so wie sie derzeit ist. Denn bricht auch nur Griechen¬land weg – wogegen unter einem rationalen Gesichtspunkt kaum jemand was einwenden könnte – dann ist diese Politik bloßgestellt. Die bisherige Propaganda ist entlarvt. Insofern ist die Sorge des herrschenden Zentrums, der Grünen, Sozial- und Christdemokraten und der Liberalen, vor einem Domino-Effekt nicht unbegründet. Noch wichtiger aber: Dieses Zentrum braucht die permanente Krise, aber sie soll beherrschbar bleiben.
Aber es ist für sie eine riskante Strategie. Einzelne wissen dies auch – vielleicht nicht Sarkozy und ganz sicher nicht Fekter und Faymann, auch wenn dieser Wahlhilfe wittert. Gelingt das Manöver („Wirtschaftsregierung“) nicht, verlässt vielleicht gar Griechenland die Eurozone, dann könnte ihr Projekt auf Jahre zusammenbrechen. Dann würde auch ein Personalwechsel von Christ- zu Sozialdemokraten + Grünen nicht mehr viel retten.