Vor einigen Tagen hatte sich eine Gruppe von Opfern des Mubarak-Regimes und ihren Angehörigen am Tahrir versammelt, um gegen die Ungestraftheit der ehemaligen Folterer zu demonstrieren. Zuletzt waren zahlreiche Aktivisten vor Militärgerichten abgeurteilt worden, während der Prozess gegen Mubarak selbst verschleppt wird. Mit äußerster Härte ging die Polizei auf sie los. Doch statt sie damit zu vertreiben, verbreiteten sich ihre Hilferufe wie ein Lauffeuer. Schnell eilten ihnen zehntausende und zuletzt sogar hunderttausende zur Hilfe. Ihr übergeordnete Forderung ist der Rücktritt des Militärrates.
Doch dieser Konflikt wird von einem zweiten überlagert. Bisher waren die Moslembrüder ein mal engeres mal weiteres Bündnis mit den Militärs und gegen die Bewegung eingegangen. Das Kalkül dahinter war, dass sie durch die Wahlen, die die Vertreter der Bewegung de facto ausschließt, an die Macht kommen würden. Bereits bisher hatte das Parlament keinerlei Kompetenzen, nicht einmal eine Regierung durfte es bilden. Doch nun kündigten die Militärs die langfristige Verschiebung der Präsidentenwahlen an und schreiben an einer sogenannten „überkonstitutionellen Erklärung“, die ihre Macht im Namen eines säkularen Staates verewigen soll.
Das wurde nun auch den Moslembrüdern zu viel, die das erste Mal seit vielen Monaten wieder gegen die Militärs Stellung bezogen und sogar demonstrieren gingen. Sie sahen ihren langsamen und institutionellen Marsch an die Macht versperrt.
Die Strategie der Militärs ist nun die systematische Eskalation mit dem Ziel die Wahlen, die die Moslembrüder gewinnen würden, zu verschieben. Die Moslembrüder ihrerseits versuchen nun die Notbremse zu ziehen und die Bewegung zu demobilisieren. Doch das gelingt ihnen nicht, denn sie haben durch ihren Rückzug und ihr Bündnis mit den Militärs den Einfluss auf die Bewegung weitgehend verloren.
Die im weiteren Sinn links geprägte Bewegung hat an diesen Wahlen nur geringes Interesse, denn sie waren ein abgekartetes Spiel zwischen Militärs, Großkapitalisten und den islamischen Kräften. Das Wahlrecht führt dazu, dass die Demokratiebewegung mit einer Handvoll Sitzen abgespeist würde (möglicherweise sogar keinem einzigen), während die alten Mubarak-Seilschaften sichere Plätze hätten. Viele riefen daher zum Boykott auf.
Die zentralen Forderungen der Bewegung sind so einfach wie klar: das Ende der immer autoritäreren Militärherrschaft und die sofortige Übertragung der Macht an eine zivile Übergangsregierung. Eine vom Volk bestimmte verfassungsgebende Versammlung, die die Spielregeln bestimmt, und zwar vor den Parlamentswahlen. Nur so können wirklich demokratische Wahlen durchgeführt werden.
Die Wahlen sind ein Farce. Zuerst muss der Militärrat gestürzt werden.
Die ägyptische Revolution geht weiter.
21. November 2001
Solidaritäts- Demonstration
Freitag, 25. November • 14:30 – 17:30, Wien
Treffpunkt U6 Nussdorfer Straße – Abmarsch 15 Uhr zur Ägyptischen Botschaft (Hohe Warte 54, 1190 Wien)