Teil I
1. Die Geschichte
Das Schicksal der Menschheit hängt von ihrer Geschichte ab. Diese Geschichte hat bis heute weder einen linearen Verlauf noch ein Ziel gehabt. Bis zur russischen Revolution haben die ständigen, oft katastrophalen Transformationen nur die Form der sozialen Systeme betroffen, jedoch nicht ihren Inhalt. Seitdem das Privateigentum die gemeinschaftliche Lebensweise verdrängte die sich auf den kollektiven Besitz der Produktionsmittel stützte und auf deren Basis ein egalitärer Genuss des Arbeitsproduktes möglich war, hatten alle sozialen Systeme ein gemeinsames Fundament: Die Spaltung der Gesellschaft in zwei sich gegenüberstehende Klassen und die Ausbeutung der einen durch die andere. Auf der einen Seite Reiche und müßiggängerische Besitzer des Bodens und der Industrie, auf der anderen Seite Mittellose, die, um sich zu ernähren, wie Sklaven an ihre Arbeit gebunden waren. Die Spaltung in Klassen brachte sehr bald den Kampf der Klassen hervor. Auf den Aufstand der Ausgebeuteten für die Gerechtigkeit antworteten die herrschenden Klassen mit Eisen und Feuer. Damit schaukelte sich ein immer prononcierterer und mächtigerer Mechanismus von Gewalt und Repression auf. Aus den ersten bewaffneten Banden, die zur Verteidigung der eigenen Privilegien gegründet wurden, entwickelten sich schließlich jene komplexen Repressionsapparate, die Staaten genannt werden. Aber das konnte zur Verteidigung der sozialen Ordnung nicht genügen: Es wurde notwendig, mit allen Waffen zu kämpfen, sich die Kultur, die Wissenschaft die Religion unterzuordnen und in den Dienst zu stellen. Diese sind keineswegs neutrale Werkzeuge, sondern Mittel zur Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft.
Die Menschen sind weder gut noch böse, weder gewalttätig noch friedlich. Sie werden von ihrer sozialen Umgebung geformt. Jahrtausende der Barbarei, der Ungerechtigkeit und der blinden Gewalttätigkeiten, haben ein anthropologisch infames Wesen geboren, das sich nur durch eine revolutionäre Läuterung seiner Unmenschlichkeit entledigen kann.
Die Geschichte hat keinerlei Sinn, nur die Menschen können ihr ein Ziel geben. Das einzige Ziel das wert ist verfolgt zu werden, ist der Kommunismus, der Wiederaufbau der Zivilisation auf der Grundlage von Gemeinschaftlichkeit, Solidarität und Kollektivität.
2. Der Kapitalismus
Mit dem Beginn des 21. Jahrhundert kann der Kapitalismus, wenn man seinen Ursprung im mittelalterlichen Italien in Betracht zieht, sein tausendjähriges Bestehen feiern. Mit dem Auftreten des Kapitalismus – nach einem schmerzhaften Entwicklungsprozess und einer ursprünglichen Anhäufung von Reichtümern über mehrere Jahrhunderte hindurch, die die Völker mit bisher nicht gekannten Entbehrungen bezahlten – hat die Menschheit auf den verschiedensten Gebieten tiefgehende und offensichtlich nicht mehr rückgängig zu machende Veränderungen durchgemacht. Dank der sozialen Nutzung der Wissenschaft, der Industrialisierung auf breiter Basis, der Mechanisierung der Landwirtschaft und der Schaffung eines Transport- und Kommunikationsnetzes, hat der Kapitalismus ein derart machtvolles produktives System geschaffen, das schließlich in der Lage sein könnte, die Grundbedürfnisse des Menschen (Nahrung, Kleidung, Gesundheit, Wohnen) und einer Reihe von nicht minder wichtigen Bedürfnissen (Erholung, Lesen, Schreiben, Reisen, Wissen, körperliche Betätigung, Teilnahme am politischen Leben) zu befriedigen. Dennoch, der antagonistische Charakter der kapitalistischen Produktionsweise – der Widerspruch zwischen dem stetig zunehmenden sozialen und internationalen Charakter der Produktion einerseits und der Konzentration des Eigentums und/oder der Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel in den Händen einer immer kleineren Oligarchie – ist heute mehr den je eine drohende Gefahr für das Schicksal der Menschheit. Wenn wir dies auf internationaler Ebene betrachten, so ist leicht zu erkennen, wie die Früchte der kapitalistischen Produktion nur von einer Minderheit der Menschheit genossen werden. Der Reichtum dieser kapitalistischen Klasse bedingt jedoch notwendigerweise die Verarmung der großen Mehrheit der Bevölkerung und die Herausbildung eines weltweiten Industrieproletariats. Diese Klasse der Proletarier ist in der Geschichte vollkommen neu, ihrer Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel beraubt und ohne jegliches Eigentum außer ihrer Arbeitskraft. Das Proletariat ist eine hochkonzentrierte und einheitliche Klasse, so wie sie sie zuvor noch nie gab. Dies betrifft nicht nur seine Zusammenfassung in riesigen Fabriken, sondern bezieht sich vor allem auf seine sozialen Interessen. Der Kampf dieser Klasse braucht, um siegreich zu sein, Kollektivität und Solidarität, die tendenziell die gesamte Klasse ergreift, zwischen der kein Unterschied des Eigentums besteht. Der proletarische Kampf birgt die Keime eines verallgemeinerten und internationalen Kampfes.
Da der Kapitalismus notwendigerweise die proletarische Klasse hervorbringt, produziert er nicht nur seinen Totengräber, sondern auch erstmals eine Klasse, die, um sich zu befreien, die gesamte Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung einer Klasse durch die andere befreien muss. Der Kapitalismus schafft eine Klasse, die aufgrund ihrer Stellung im Produktionsprozess in der Lage ist, durch ihre Selbsterkenntnis die Gesamtheit der gesellschaftlichen Entwicklung und Funktion, ihre inneren Gesetze, zu erkennen und dadurch – über die Enteignung der Kapitalisten – die Produktivkräfte der bewussten Kontrolle der Produzenten zu unterstellen und eine geplante Entwicklung der Gesellschaft einzuleiten
vermag.
3. Der Imperialismus
Die Gründe der Ungleichheit zwischen den entwickelten Ländern und der „Dritten Welt“, die nicht aufhört sich weiter zu verschärfen, gehen auf die Ursprünge des modernen Kapitalismus und seine kolonialistische Entwicklung zurück. Das außerordentliche Wachstum des Westen ist dank zweier Faktoren möglich gewesen: Eine bisher nicht gekannte Ausbeutung des westlichen Proletariats und die systematische Ausplünderung der Kolonien. Selbst die OECD (Daten vom Oktober 1995) hat auf die mit der Epoche des Imperialismus eingeleiteten immensen Verschiebung von materiellen Ressourcen vom Süden in den Norden hingewiesen. Wenn es heute die imperialistischen Länder sind, die den größten Anteil am weltweiten Sozialprodukt halten, so waren es 1820 noch China und Indien, die den ersten Rang einnahmen. Deren Anteil betrug 28.7% beziehungsweise 16%. Wenn man dem Imperialismus den Zugang zu seinen primären Quellen des Reichtums abschneiden würde, so wäre er zum Zusammenbruch verurteilt. Es ist wahr, dass ein wichtiger Teil des westlichen Proletariats im Verlauf dieses Jahrhunderts seine materielle Situation verbessern und Privilegien erreichen konnte, die früher undenkbar waren. Das war aber nur auf der Basis der sich steigernden Ausraubung der „Dritten Welt“ möglich.
Lenin beschränkte sich nicht auf eine ökonomistische Analyse des Imperialismus. Er begriff sofort seine radikalen politischen Implikationen: ,,Der Kapitalismus ist zu einem Weltsystem kolonialer Unterdrückung und finanzieller Erdrosselung der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung der Erde durch eine Handvoll ‚fortgeschrittener’ Länder geworden.“ Daraus schloss er, dass dem Befreiungskampf dieser Völker eine erstrangige Bedeutung in der Weltarena zukäme. Wenn sich dieser Befreiungskampf mit der proletarischen Weltrevolution verknüpfen würde, so könne er den Weg zum Sozialismus eröffnen, ohne den Zusammenbruch des Kapitalismus im Westen abwarten zu müssen. Der Imperialismus hatte also die Begriffe des Problems des Übergangs umgekehrt: Jene, die als letzte den Kapitalismus erreichten, sind als erste gezwungen, mit diesem zu brechen. Von diesem Zeitpunkt an konnte im Westen kein wirklich antikapitalistischer Kampf mehr existieren, der nicht von Grund auf antiimperialistisch wäre. Genauso wie in den rückständigen Ländern kein antiimperialistischer Kampf mehr existieren konnte, der keinen antikapitalistischen Inhalt hätte.
Die letzten Jahrzehnte haben die leninistische Analyse erneut bestätigt. Die ,Unterentwicklung’ der kolonisierten Völker, verursacht durch die imperialistische Ausräuberung, ist heute der wichtigste Grund für die Spannungen, die das kapitalistische Weltsystem erschüttern. Solange die Zügel der Wirtschaft in den Händen einiger weniger multinationaler Konzerne bleiben, gibt es für diese Völker keinen Ausweg. Ihre Unterentwicklung, die Kluft die sie von den stärksten Ländern trennt, ist dazu verurteilt, mit immer größerer Geschwindigkeit zu wachsen. Die westlichen Mächte, die sich der Gefahr eines allgemeinen Zusammenbruches ihres Herrschaftssystems bewusst sind, antworten damit, sich bis auf die Zähne zu bewaffnen. In ihrem verzweifelten Versuch, ihre weltweite Vorherrschaft aufrechtzuerhalten, verwenden und vervielfachen sie die Repressionsmittel. Nunmehr ist es vor allem der Krieg, den die westlichen Mächte in die ,Dritte Welt’ exportieren. Dort, wo es nicht angebracht ist, die eigenen Söldner hinzuschicken, wird die lokale Soldateska mit ihren Kriegsherren benutzt. Die bewaffneten Konflikte, die bereits die Mauern der westlichen Festung unterspülen, könnten sich ausweiten und diese niederreißen. Das wäre das Ende der bereits erschütterten ,Neuen Weltordnung’. Wird dieser Punkt überschritten, so gibt es keine Rückkehr mehr und es ist es nicht auszuschließen, dass sich die imperialistischen Mächte entscheiden werden, sich in einem neuen Weltkrieg gegenseitig zu zerfleischen.
Ein System, das nicht für die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Menschheit sorgen kann und das vielmehr diese zunehmend verarmen lässt, ist dazu verdammt, hinweggefegt zu werden, wie viel Widerstand dem auch immer entgegengesetzt werden sollte. Der Wiederaufbau der Zivilisation auf neuer Grundlage liegt nicht nur im Interesse der übergroßen Mehrheit des Proletariats der ärmsten Länder, sondern auch in jenem der ,fortgeschrittensten’. Die Bereicherung, die die westliche Arbeiterklasse verbürgerlicht und gelähmt hat, geht bereits ihrem Ende zu. Seit Ende der 70er Jahre hat das westliche Bürgertum begonnen, dem Proletariat wieder zu entreißen, was es ihm zugestanden hatte, um seine Kämpfe zu beruhigen und sein Bewusstsein zu verkleistern. Die ständige Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen eines wachsenden Teils der Werktätigen ist ein Teil der allgemeinen Verrottung der fortgeschrittenen bürgerlichen Gesellschaften. Die Entwicklung der materiellen Produktivkräfte geht so einher mit einem ständigen sozialen und zivilen Rückschritt. Diese Regression, die bereits zur irreversiblen Zerstörung der Natur, unseres Lebensraumes, geführt hat, dringt in die verschiedensten sozialen Bereiche vor. Korruption, Egoismus, Individualismus, Kriminalität, Mafia, Drogen, Analphabetismus, neue Epidemien. Der Kapitalismus führt zur Verschärfung der selbstzerstörerischen Momente, die sich in den Jahrhunderten angesammelt haben. Diese bedrohen nicht nur die Grundlagen der Zivilisation, sondern führen zur Zurückwerfung des homo sapiens zu seinen Ursprüngen.
4. Der Katastrophe entgegen
Die Weltwirtschaft, die Produktivkräfte – und mit ihnen die Völker und Nationen – sind nunmehr in der Gewalt der Finanzspekulationen einer Handvoll von Hyperkapitalisten. Diese haben keine Fabriken, keine Ländereien. Vielmehr haben sie solche gigantischen Beträge an Geld angehäuft, dass diese bereits das Sozialprodukt der imperialistischen Länder übersteigen. Diese Geldmengen können in der kürzest möglichen Zeit Superprofite abwerfen. Diese verschieben sich von einem Teil der Welt in den anderen, von einem Sektor in den anderen, ohne nationale, politische und vertragliche Grenzen zu berücksichtigen, in ihrer Geschwindigkeit einzig durch die Grenzen der Telekommunikation beschränkt. Die Staaten, die Regierungen und selbst die internationalen Konsortien, weit davon entfernt die Kontrolle über die fluktuierenden Kapitalmassen zu behalten, sind ihren Gesetzmäßigkeiten und ihren Zirkulationszeiten unterworfen. Der Neoliberalismus ist nichts anderes als die Kapitulation dieses Megakapitalismus vor dem ins Verrückte gesteigerte Streben nach Superprofiten. Die Zusammenbrüche der Währungen, der Finanzen, der Börsen und der Banken des letzten Jahrzehnts sind nur schüchterne Vorboten dessen, was die Zukunft bringen könnte. Wenn die Bremsen morgen aussetzen, die die Regierungen heute gezogen haben, um dieses Monster in geordneten Bahnen zu halten, dann ist eine weltweite Katastrophe bisher unbekannten Ausmaßes unvermeidlich. Die schwächsten Glieder des kapitalistischen Systems würden gesprengt werden. Ganze Nationen der ,Dritten Welt’ könnten einen Zusammenbruch erleben, der andere mitreißen und eine ganze Kette von Zusammenbrüchen, Volkserhebungen und Revolutionen auslösen würde. Die Flutwelle, die selbst über die imperialistischen Mächte hereinbräche, würde den Wohlstand entzauberten, auf den sich der soziale Friede stützt und der das Proletariat vorübergehend korrumpiert hat. Die Epoche, in die wir eingetreten sind, wird von der Libanonisierung des Planeten gekennzeichnet sein. Die Schere zwischen der Herrschaft des Imperialismus, der heute mächtiger denn je ist, und seiner Unfähigkeit, das weltweite Chaos, das von seinen eigenen Widersprüchen herrührt, zu beherrschen, ist dazu verdammt, sich auszuweiten. Die Entwicklung der kapitalistischen Produktivkräfte, die, um sich erhalten zu können, nicht nur nicht in der Lage sind, die weltweiten Ungleichgewichte auszugleichen, sondern diese noch weiter vertiefen, führen bereits seit zwei Jahrzehnten zu einer ‚Verdrittweltisierung’ selbst der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder. Dies zeigt sich in vielfältiger Art und Weise: 1. Die Verbindungen der Bourgeoisie zu kriminellen Aktivitäten vertiefen sich. 2. Die krisengeschüttelten und deindustrialisierten Gebiete wachsen selbst im Westen. 3. Die Verwüstung und Auslaugung agrarischer Böden schreitet voran. 4. Der Abstieg und Zerfall der Peripherien der großen Metropolen vertieft sich. 5. Die Migrationswellen vom Süden in den Norden und vom Osten in den Westen nehmen Ausmaße an, die sich einer politischen und staatlichen Regulierung zunehmend entziehen. 6. Die sozialen Einrichtungen und Unterstützungen, die die Marginalisierten und aus dem Produktionsprozess Ausgeschlossenen schützen, werden geschliffen. 7. Die Zahl der Industriearbeiter sinkt, aber die Intensität ihrer Ausbeutung wächst während gleichzeitig ihr Lohn und ihr Lebensstandard, der über 40 Jahre ununterbrochen gewachsen war, zusammenbricht. 8. Die Tendenz zur sozialen Verlumpung geht einher und steht einem zunehmenden Parasitismus eines konservativen neuen Kleinbürgertums gegenüber. Dieses dient als zentrale Stütze der imperialistischen Regierungen und manifestiert sich in immer bedrohlicherer Art und Weise in seinem neofaschistischen Potential. 10. Der rein repressive Aspekt des imperialistischen Kommandos wird mit der Transformation der NATO zum Wachhund der imperialistischen Festung immer deutlicher. Der Kapitalismus ist zu einer Bürde auf der Schultern der Menschheit geworden. Wenn diese nicht in der Lage ist, sich dieser Last zu entledigen, wird sie unter dem Gewicht zusammenbrechen.
Der Zusammenbruch der kapitalistischen Produktionsweise ist weder nah noch fern. Er ist bereits da und wirkt sich aus. Der Zusammenbruch ist kein einmaliges Ereignis sondern ein schmerzhafter und langwieriger Prozess einer ganzen Reihe von Ereignissen, von Stößen, die den Niedergang des Kapitalismus anzeigen, und die zu seiner Auflösung, seiner Zersetzung führen sei es nun durch das Proletariat, das sich als fähig erweist, ihn mit den Mittel der Weltrevolution zu begraben, oder durch seine Verfaulung, ohne dass jemand sein Begräbnis organisiert hätte.
Dieser Niedergang ergibt sich aus dein tendenziellen Fall der Profitrate aufgrund des Wachstums der Produktivkräfte und der organischen Zusammensetzung des Kapitals. Der fortgesetzte Niedergang einer sozialen Formation, die auf eine Spaltung in Klassen beruht, endet immer in ihrem Zusammenbruch. Das kapitalistische System kann sich diesem historischen Gesetz nicht entziehen. Auch wenn die proletarische Revolution nicht stattfinden sollte, kann das bürgerliche System zusammenbrechen, denn es stellt eine Sackgasse dar. Wir leben heute in einer Epoche, in der der Kapitalismus den Höhepunkt seiner maximalen Entwicklung im Rahmen seiner Produktionsverhältnisse überschritten hat. Dieser Höhepunkt ist die Semiautomatisierung des Produktionsprozesses. Jenseits der Semiautomatisierung kann die kapitalistische Formation nur noch ihrem Ende entgegengehen, das die Auflösung der kapitalistischen Verhältnisse mit sich bringen kann. Mit anderen Worten – es ist der Beginn des Niedergangs, der entweder zum Zusammenbruch der gegeneinander kämpfenden Klassen oder zu einer neuen Epoche der proletarischen Revolution führt. Die proletarische Revolution ist notwendig, um zu verhindern, dass die Tendenz zum Zusammenbruch des Kapitalismus auch den Zusammenbruch der Möglichkeit des Sozialismus mit sich bringt.
5. Für den Kommunismus
Ist es möglich diese Katastrophe zu verhindern? Es wäre notwendig in kurzer Frist die Zügel der Weltwirtschaft aus den Klauen der imperialistischen Gruppen zu entreißen und eine internationale Regierung zu errichten, die die Produktivkräfte und die soziale Arbeit auf der Basis eines Entwicklungsplanes reorganisiert, der eine Alternative bietet. Leider ist das Proletariat, die einzige Klasse, die die Kraft und das Interesse für eine derartige Umwälzung hat, heute für diese Aufgabe völligunvorbereitet. Wenn die Revolution zur Abwendung der Katastrophe nicht in absehbarer Zeit vollzogen wird, so wird es die Katastrophe sein, die der Revolution den Weg versperrt. Die Kommunisten werden ihrer höchste Aufgabe, nämlich dem revolutionären Prozess eine Führung zu geben, nur gerecht werden, wenn zwei Bedingungen gegeben sind. Die erste ist ganz offensichtlich die Existenz einer revolutionären Massenbewegung. Die zweite ist eine starke proletarische Internationale, die zumindest in einigen Ländern über Masseneinfluss verfügt. Heute erscheint dies als weit entferntes Hirngespinst: Die breite Masse der Ausgebeuteten ist gelähmt und wenn sie handelt, dann nicht um das kapitalistische System zu überwinden, sondern nur um illusorische Vorteile in dessen Rahmen zu erlangen. Gleichzeitig ist die kommunistische Bewegung sehr, sehr schwach. Wie auch immer, im weltweiten Sturm werden sich die proletarischen Massen stählen, sich ihrer Illusionen in den Kapitalismus entledigen, gezwungen sein, den finalen Kampf aufzunehmen. Sie werden sich in einer Situation wiederfinden, die ihnen die Möglichkeit gibt, die Gesellschaft auf neuer Grundlage wiederaufzubauen. Sie werden das Schicksal der Zivilisation in ihren Händen halten. Gezwungen, seinen Kopf schließlich wieder aufzurichten, wird das Proletariat zumindest nicht umhinkönnen, ihn zu benutzen. Trotz des Scheiterns der unvollendeten Versuche des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft, gibt es keinen Zweifel daran, dass es schließlich wieder der Kommunismus ist, für den das internationale Proletariat kämpfen wird. Diese Rückbesinnung hat einen zweifachen Grund: Der Kommunismus ist nicht nur ein sehr machtvolles Ideal. Er ist ein gesellschaftliches Modell, dessen Keime in den Widersprüchen der kapitalistischen Gesellschaft bereits angelegt sind und die durch die revolutionäre Überwindung dieser Widersprüche mittels des Klassenkampfes schließlich in die neue Gesellschaft münden werden. Der Kommunismus ist deshalb auch das einzige soziale Modell, das gleichzeitig sowohl eine rational mögliche als auch eine progressive Alternative zum Kapitalismus bietet. Es gibt nichts Elementareres als die Idee, dass es notwendig sei, den Kapitalisten ihr Eigentum an den Produktionsmitteln zu entreißen, um es den assoziierten Werktätigen anzuvertrauen. Mit dem Ziel, zumindest eine egalitäre Verteilung des Reichtums zu erreichen, nicht mehr basierend auf den Kriterien des Besitzes und der Klassenzugehörigkeit, sondern auf jenem der tatsächlichen Beteiligung an der Produktion.
Mit eben dieser Einsicht und Überzeugung müssen wir uns auf die Lösung des Problems der Probleme vorbereiten: Die Krise der kommunistischen Bewegung, ihre Untauglichkeit, ihre gigantische fehlende Vorbereitung sowohl auf theoretischen wie auf praktischer Ebene. Wir werden aus dieser Krise nicht herauskommen, wenn wir nicht ihre Wurzeln, ihre Gründe, ihre organische Natur begreifen. Die Krise der kommunistischen Bewegung ist der besondere Ausdruck der Krise der Arbeiterbewegung, die den Motor ihres Kampfes, die Perspektive des Sozialismus, verloren hat. Gleichzeitig ist im Klassenwiderspruch die Lösung der Krise angelegt: Das Proletariat wird wieder in den Kampf treten müssen. In diesem Kampf wird sich das Proletariat als höchsten Ausdruck eine kommunistische Avantgarde schaffen, die die Interessen der Gesamtbewegung und ihre historischen Ziele vertritt und versteht diese mit der Bewegung zu verknüpfen. Nur durch eine revolutionäre Wiedergeburt der Theorie von Marx und der Methode von Lenin, nur auf Basis dieser zwei Grundsteine kann der Kommunismus wieder der stärkste Faktor auf der Weltbühne werden. Nämlich als der organische, verallgemeinerte Ausdruck der Interessen der kämpfenden, proletarischen Klasse und als das Instrument. diese Klasse auf die Höhe ihrer historischen Mission zu heben.
Teil II
6. Die Sozialdemokratie
Der Marxismus nach Marx erfuhr, anstatt sich in eine revolutionäre Richtung zu entwickeln, eine schädliche Rückbildung. Die Zweite sozialdemokratische Internationale war der Ort dieser Degeneration. Anstatt den im großartigen Werk Marxens enthaltenen revolutionären Kern zu entwickeln, hat sie diesen begraben, indem sie ihn heilig sprach und der Geschichte einen orthodoxen Marxismus übergab, der nichts anderes war als eine andere Variante des bürgerlichen positivistischen Denkens. Dieser orthodoxe Marxismus hatte vier Dogmen: 1. Der sozialistische Horizont ist umso naher, je höher die kapitalistischen Produktivkräfte entwickelt sind. 2. Der Antrieb des Klassenkampfes, konstant und linear, führt unvermeidlich zur Überwindung des Kapitalismus und zum Eintritt in den Sozialismus. 3. Das moderne Proletariat hat die unausweichliche Mission der Errichtung des Sozialismus. Sein ständiges Wachstum macht eine gewaltsame Revolution überflüssig. Eine reformistische Überwindung des Kapitalismus ist möglich. 4. Die Vorreiterrolle im Prozess der Transformation der Menschheit fällt kraft ihrer numerischen Stärke ihrer verästelten Organisation und ihres kulturellen Niveaus der Arbeiterbewegung der europäischen sowie der
,fortgeschrittenen’ kapitalistischen Länder zu.
Dieser positive Evolutionismus wird die gesamte sozialdemokratische Politik formen: Vom maximalistischen Radikalismus der Prinzipien und der Endziele bis zur scholastischen Verteidigung der marxistischen ,Wahrheit’ entsprach alles einer auf dem immerwahrenden Klassenkompromiss mit der Bourgeoisie basierenden Praxis. In der ersten Phase, der klassischen, war die sozialdemokratische Politik noch ein passiver Reflex der proletarischen Spontaneität der machtvollen Kämpfe der deutschen Arbeiter um den Kapitalisten neue Rechte zu entreißen und verbesserte Arbeitsbedingungen zu erlangen. Danach wurde sie zum Ausfluss und zur theoretisch-politischen Form der zunehmenden Verbürgerlichung der obersten Schichten der Arbeiterklasse. Deren Botschafter und Destillat waren die Bürokraten, die mittelmäßigen Intellektuellen der Partei. Wohin diese Entwicklung schließlich führen sollte, zeigte sich am 4. August 1914: Zum offenen Überlaufen auf die Seite des Imperialismus, zum Zusammenbruch der europäischen Arbeiterbewegung und der Zweiten Internationale. Es waren also die sozialdemokratischen Parteien selbst, die eigenhändig die westliche Vorreiterrolle in der sozialistischen Weltbewegung, auf die sie so stolz gewesen waren, über den Haufen schossen. Der imperialistische Krieg hatte fatale Konsequenzen für den historischen Prozess und das marxistische Lager. Die russische Revolution hervorbringend, zeigte der Krieg, dass die imperialistische Kette nicht an der Stelle brach, an der das Proletariat am stärksten, sondern an jener, an der die Bourgeoisie am schwächsten war. Er zeigte weiters, dass der Marxismus als revolutionäre Kraft nicht dort aufstieg, wo die Arbeiterbewegung die tiefsten Wurzeln und die solideste Tradition hatte, sondern dort, wo sie in ihrer Jugend eine Feuertaufe des Kapitalismus erhielt.
7. Die Methode Lenins
Es fiel dem russischen Proletariat zu, in die revolutionäre Offensive zu gehen und die Herrschaft des Bürgertums zu beenden. Es begann das gigantischste, je in der Geschichte der Menschheit unternommene Projekt: Der Aufbau des ersten auf kollektivem Eigentum und einer Arbeiterregierung beruhenden sozialen Systems – und das nach einem wütenden Bürgerkrieg. Das höchste Ergebnis, der Niederschlag dieser Revolution war der Bolschewismus. Er repräsentierte den Beginn eines radikalen Bruchs mit dem Ökonomismus und Determinismus und versetzte den Positionen, die der sogenannte orthodoxe oder offizielle Marxismus in der Arbeiterbewegung inne hatte, einen schweren Schlag. Die Größe Lenins bestand darin, dass er die revolutionäre Politik der aktuellen Epoche, der imperialistischen Phase, schuf. Er war es, der den Kampf für eine politische Partei als vorrangige Form des Kampfes um die Staatsmacht, als Epizentrum des marxistischen Kampfes konzipierte. Dieses Werk entwickelte sich mehr in der Sphäre der Praxis als in der der Theorie. Lenin selbst war die Verkörperung revolutionärer Politik: Das Zusammentreffen von glühender Leidenschaft und eines kalten Weitblicks, um es mit Lukacs zu sagen, der richtigen Mischung aus Blut und Verstand. Der für die Sozialdemokratie charakteristischen, passiven Vision, nach der es genüge, der Geschichte nachzuhelfen um die sozialistische Revolution zu verwirklichen, stellte Lenin eine aktive Konzeption gegenüber. Entsprechend dieser ist es notwendig, selbst Hand an das Getriebe der Geschichte zu legen, um dein revolutionären Projekt, der Sache der Arbeiter, Vorschub zu leisten. Daher rühren die Grundsteine revolutionärer Politik: Leidenschaftliche Überzeugung in der Durchführung der Sache. Verantwortungsbewusstsein für die Sache als Leitlinie der Aktion, Klarheit und Weitsichtigkeit, notwendige Qualitäten die Führung zu übernehmen und die Geschwindigkeit der sozialen Prozesse zu begreifen, um bereit zu sein, im entscheidenden Augenblick die revolutionäre Erhebung zur Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates auszulösen. Lenin verstand, dass der westliche, ,Linke’ Kommunismus niemals in der Lage sein würde, zu begreifen, dass das was theoretisch richtig ist, politisch falsch sein kann, dass es einen Widerspruch zwischen Theorie und Politik gibt. Theorie ist Analyse und Bewusstsein der objektiven Realität. Politik ist die radikale Zurückweisung der Realität, der Wille, diese Realität umzuwälzen, die subjektive Aktion, sie zu verändern. Der Partei, die sich passiv den sozialen Prozessen unterordnet, stellte Lenin die Partei als Werkzeug gegenüber, das an einem gewissen Punkt die Aufgabe hat, die Arbeiterklasse in das zu verwandeln, was sie nur potentiell ist. Die Partei ist das Werkzeug, um in den sozialen Prozess einzugreifen, um ihn zu verändern, ihm eine Richtung zu geben. Lenin negiert weder die spontane Aktion der Klasse noch stellt er sich ihr entgegen. Er überwindet sie, gibt ihr eine Orientierung und transformiert sie so in die bewusste Aktion. Die Revolution nimmt ihren Ausgang immer von unten, aber der Befehl zur finalen Offensive kommt immer von oben, vom Hauptquartier. Im September 1917 schrieb Lenin an das Zentralkomitee: ,,Die Geschichte wird es uns nicht verzeihen, wenn wir jetzt nicht die Macht ergreifen. … die Partei verpflichtet ist, festzustellen, dass der Aufstand vom objektiven Gang der Ereignisse auf die Tagesordnung gesetzt ist, … dass man im gegenwärtigen Augenblick dem Marxismus, der Revolution nicht treu bleiben kann, wenn man nicht den Aufstand als eine Kunst betrachtet.“, Und einen Monat später: ,,Von Stimmungen der Massen auszugehen ist unmöglich, denn diese Stimmungen sind veränderlich und unberechenbar: wir müssen ausgehen von der objektiven Analyse und Einschätzung der Revolution.“ Lenin legte, in dem Maße in dem er die Selbstkritik des Marxismus repräsentierte, den Grundstein für dessen Wiedergeburt als revolutionäre politische Partei.
8. Die russische Revolution
In dem Moment in dem der Bolschewismus die Macht eroberte, war er sich der Tatsache bewusst, dass er sich nur allzu bald mit einer schrecklichen Gegenoffensive der Konterrevolution konfrontiert sehen würde. Letztere traf pünktlich ein. Um zu siegen, zögerten die Bolschewiki nicht, das System des ,Roten Terrors’ (des Kriegskommunismus) zu institutionalisieren, sich wohl der Gefahren bewusst, die dieses mit sich bringen würde. Diese Gefahren bestanden nicht nur in der gefährlichen Depression des Produktionssystems, sondern auch in den fatalen Veränderungen des Regimes der proletarischen Demokratie. Im Rahmen der globalen Strategie Lenins – die die russische Revolution nur als einen Teil des Ganzen ansah und von der Notwendigkeit, sobald wie möglich die europäische Revolution auszulösen, ausging – stellten sie das kleinere Übel dar. Denn, falls Sowjetrussland allein bleiben würde, bräche es früher oder später ohnehin zusammen.
Daher war Widerstand um jeden Preis notwendig. Es galt dem europäischen Proletariat Zeit zu geben, um den Kapitalismus zu überwinden. Allerdings wurden die Hoffnungen der Bolschewiki enttäuscht. In Deutschland, Bulgarien, Ungarn und Italien vollzogen sich zwischen November 1918 und September 1920 revolutionäre Krisen, die schließlich in Niederlagen des Proletariats endeten. Die defensive Phase des Bürgerkriegs (den Lenin korrekterweise als Krieg gegen den Weltimperialismus definierte) überwindend, versuchten die Bolschewiki im Juni und Juli 1920 zur Offensive überzugehen. Sie überrannten die polnischen Truppen von Pilsudski und befahlen der Roten Armee, die Curzon-Linie zu überschreiten und bis vor die Tore Warschaus vorzustoßen. Damit brachen sie ganz offen die imperialistischen Ultimaten. Die Bolschewiki wagten dies nicht nur in der Hoffnung, das deutsche Proletariat wachzurütteln, sondern versuchten auch, Litauen und Polen zu sowjetisieren und den Arbeitern dieser Länder bewaffnete Unterstützung anzubieten. Im September 1920, auf der IX. Parteikonferenz, legten sie sich Rechenschaft über die Niederlage der Roten Armee und den nicht stattgefundenen Aufstand der polnischen Arbeiter ab. Lenin zögerte nicht, jenen Versuch zu rechtfertigen, indem er unterstrich: ,, … wir mussten das Terrain mit Bajonetten sondieren, um uns Klarheit darüber zu verschaffen, ob Polen für die soziale Revolution des Proletariats reif war.“ Im Sommer 1920 befand sich der Bolschewismus auf dem Gipfelpunkt seiner Macht. Aber das Proletariat war nicht fähig, das Staffelholz zu ergreifen. War der höchste Punkt der europäischen Revolution aber einmal überschritten, so konnte sich die internationale Situation nur verschlechtern. Ein temporärer Rückzug war deshalb unvermeidlich. Das Scheitern des Zusammenschlusses mit der Revolution im Westen hinterließ Russland isoliert und erschöpft. Dies verpflichtete die Partei Lenins, angesichts der Tatsache, dass der ,Kriegskommunismus’ nicht einmal in der Lage war, die Massen zu ernähren, der privaten Initiative Platz zu lassen und Maßnahmen wie Normen kapitalistischen Typs wieder einzuführen. Die Partei und das Sowjetsystem machten in der Zwischenzeit eine Metamorphose durch, die sich als irreversibel herausstellen sollte. Laut der akuten Diagnose waren diese einem tiefgehenden Prozess der Bürokratisierung unterworfen worden und hatten sich von den nunmehr ermüdeten und träge gewordenen Massen abgelöst. Die revolutionären Kämpfer verwandelten sich in Administratoren, in Techniker, in Bürokraten. In dem Moment, in dem Lenin seinen Kampf gegen die neue Gefahr eröffnete, verschiedene Maßnahmen der Selbstverteidigung – unter ihnen auch die Entfernung Stalins – vorschlagend, wurde er schon wieder abgebrochen. Er hinterließ eine Partei ohne eine gleichermaßen angesehene Führung. Mit Fehlern und fatalem Zögern nahm Trotzki und die Linke diese Herausforderung, den Kampf gegen die Bürokratie, für die Wiedereinführung der Arbeiterdemokratie, für die Wiederbelebung der Sowjets auf. Angesichts der radikalen Veränderungen der internationalen Situation und der Wartestellung auf eine neue revolutionäre Welle, war dies die einzig wirksame Maßnahmen zur Verteidigung der sozialen Errungenschaften des Oktober gegen die der NEP innewohnenden Gefahren. Die Linke wurde schließlich besiegt. Die Partei gehorchte von nun an einer Bürokratie sui generis, die alles der Verteidigung ihrer sozialen Privilegien unterordnete und sich durch ein totales Misstrauen gegenüber den revolutionären Fähigkeiten der proletarischen Massen auszeichnete. Selbst die Parteien der Kommunistischen Internationale mussten sich dieser Bürokratie beugen und verwandelten sich in hörige Instrumente ihrer konservativen Außenpolitik.
9. Der Faschismus
Die Niederlage aller revolutionären Anläufe in den drei Jahren zwischen 1918-20, warfen ein Licht auf die Unvorbereitetheit des Proletariats und die daraus folgende Überlegenheit der Bourgeoisie. Letztere war sich der außerordentlich gefährlichen Situation bewusst und nutzte den errungenen taktischen Vorsprung, um einen strategischen Erfolg zu erzielen. Aus den Eingeweiden der Gesellschaft entstieg nun der Faschismus – Ausdruck des organisch reaktionären Charakters eines schwer angeschlagenen und von der proletarischen Revolution terrorisierten Kleinbürgertums. Ursprünglich als wütende Reaktion auf den Bolschewismus entstanden, stellte sich der Faschismus schnell in den Dienst des Großkapitals. Er wurde zum Werkzeug einer Gegenoffensive größten Ausmaßes. Der erste, entscheidende Test fand in Italien statt, in jenem Land, in dem der Faschismus geboren wurde. Die zitternde italienische Bourgeoisie entschloss sich, der sich entwickelnden sozialistischen Revolution in offensiver Art und Weise entgegenzutreten, indem sie einen präventiven Bürgerkrieg anzettelte. Sie forderte das Proletariat auf bisher unbekannte Art und Weise heraus – nämlich auf die finale Abrechnung abzielend. Mors tuo, vtia mei. Die faschistischen, paramilitärischen Banden waren der Schlüssel zur Zerschlagung der organisierten Arbeiterbewegung und zur Sondierung ihrer Fähigkeit zum Widerstand. Deren bewaffnete Antwort hätte ohne weiteres die Faschisten hinwegfegen können, ohne ihnen Zeit zur Konsolidierung zu geben. Aber der Widerstand wurde von den Reformisten verraten und von der jungen Kommunistischen Partei trotz der Warnungen der Bolschewiki mit Verachtung links liegen gelassen. Sie verstand weder die Natur des Faschismus noch die Situation des präventiven Bürgerkrieges, in den das Land gestürzt wurde. Sie trugen so zur endgültigen Niederlage bei.
Die italienische Arbeiterklasse, durchtränkt mit Pazifismus und Legalismus, wusste nicht, wie die sich entwickelnde faschistische Bewegung bekämpft werden konnte. Dies war unter Respektierung der bürgerlich-demokratischen Legalität, die Verteidigung der Arbeiterbewegung an die Organe des bürgerlichen Staats delegierend, nicht möglich. Im Gegenteil! Präventiver Bürgerkrieg implizierte die Bereitschaft zum frontalen Angriff. die Bereitschaft, den präventiven bewaffneten Kampf aufzunehmen, der den Bruch mit jeder bürgerlichen Legalität, die Bildung von bewaffneten Kräften gestützt auf die proletarische Jugend heißen musste. Diese war zu den größten Opfern bereit und von höchster Mobilität. Man konnte den Faschisten niemals die Straße versperren, indem man seine eigenen Positionen abwartend und statisch im proletarischen Schützengraben verteidigte. Im Gegenteil! Es war notwendig, sie zu verfolgen. sie aufzustöbern, zu verscheuchen, ihre Streifzüge zu unterbinden und ihre Heiligtümer anzugreifen.
Trotz der Niederlage größten Ausmaßes in Deutschland begriff die europäische Arbeiterbewegung die italienischen Lehren nicht vollständig: Der Faschismus kann nur im Angriff besiegt werden, seine Geburt verhindernd, Eisen und Feuer gegen das bürgerliche System richtend. Die Sozialdemokratie und der Stalinismus tragen große Verantwortung für die Niederlage des deutschen Proletariats. Der Sieg des Nazismus hatte mit der Politik der Einheitsfront und mit der Bewaffnung der antifaschistischen Arbeiter verhindert werden können. Die KPD warf sich nicht mit aller Macht in die Schlacht. Trotz des Aufrufes an die sozialdemokratischen Arbeiter sich an der Einheitsfront von unten zu beteiligen, hat sie auch in diese Richtung nicht den entscheidenden Schritt unternommen, nämlich basierend auf Komitees und Arbeitermilizen den bewaffneten Kampf gegen den Faschismus zu beginnen. Diese hätten die Organe der ,Einheitsfront von unten’ werden können. Eine solche Politik hätte den Sieg nicht garantieren können, doch wie Marx nach den Erfahrungen der Kommune von Paris feststellte, ist eine Niederlage im Kampf, wie blutig sie auch immer sein möge, immer der schmachvollen kampflosen Kapitulation vorzuziehen. Obwohl die Arbeiterklasse von ihren Führern entwaffnet wurde, versuchte sie dennoch in einigen Ländern, am deutlichsten in Spanien, das Ruder der Geschichte noch einmal herumzureißen. Aber die Stalinisten wollten kein Risiko auf sich nehmen. Da die außerordentliche Selbstorganisation der Massen und die Initiative von unten jede von ihnen geführte bürokratische Revolution verunmöglichte, bevorzugten diese die klassenübergreifende Politik der Volksfront, die die Revolution auf dem Altar des Paktes mit dem englischen und französischen Imperialismus opferte. Dies in der trügerischen Illusion, dass dies ausreichend wäre, um die UdSSR von Faschismus und Krieg fernzuhalten. Stalingrad hat die Sünden der europäischen Arbeiterbewegung vergeben, jedoch nicht ungeschehen gemacht: Sie musste sie mit einer nicht weniger schweren Buße sühnen, nämlich der für ein weiteres halbes Jahrhundert dem Stalinismus ausgeliefert, seiner erstickenden Hegemonie unterworfen zu sein.
10. Der Stalinismus
Nachdem die Bürokratie die trotzkistische Opposition besiegt hatte, ergriff sie mit eiserner Faust die Macht, eine verheerende politische Theorie gebärend: den ,Sozialismus in einem Land’. Russland könne, ungeachtet des Zusammenbruchs der europäischen Revolution, auf seine eigenen Kräfte gestützt, den Übergang zum Kommunismus organisieren. Die Unterstützung des internationalen Proletariats war nicht mehr die conditio sine qua non des Übergangs. Die Unterstützung durch die russische Bauernschaft sollte jene durch das internationale Proletariat ersetzen. Während der momentane Zusammenbruch der Revolution im Westen und der Vormarsch des Faschismus in den stalinistischen Reihen eine defätistische Überzeugung entstehen ließ, dass die europäische Arbeiterbewegung nicht mehr in der Lage wäre, in einem revolutionären Sinn zu handeln, führte der Erfolg der stürmischen Versuche der Kollektivierung und Industrialisierung, die einen machtvollen und zentralisierten bürokratischen Apparat hervorbrachten, zu einem richtiggehenden Delirium der Omnipotenz. Versteckt hinter dem durchsichtigen ideologischen Schleier des Marxismus-Leninismus, diesen in unantastbare Dogmen gießend, entstand der Stalinismus. Abgesehen von Bucharin, kristallisierte dieser von nun an in einer richtiggehenden autonomen Denkschule: Die Theorie des Sozialismus in einem Land wurde zum bürokratischen Subjektivismus, die ins höchste gesteigerte, noch niemals zuvor gesehene Form des politischen Voluntarismus. Dem sozialdemokratischen Fetisch der Produktivkräfte, stellten die Stalinisten das kategorische Primat der Produktionsverhältnisse gegenüber: Wenn die russischen Produktivkräfte zurückgeblieben waren, so mussten diese um jeden Preis entwickelt werden. Das politische Subjekt, das nicht mehr die Arbeiterklasse, sondern der von Stalin geführte bürokratische Apparat war, musste alle sich in den Weg stellenden objektiven Hindernisse in Stücke schlagen. So war ein neuer geschichtlicher Weltenschöpfer entstanden, die wirkliche Antriebskraft, die Russland zu einem modernen Land machen sollte. Doch wenn sich die Tatsachen nicht dem Willen des politischen Subjekts beugen wollten, um so schlimmer für die Tatsachen!
Es gibt keinen Zweifel darüber, dass der Stalinismus diese Zentralität des politischen Wollens aus der Tradition Lenins entnommen hat. Aber in dem Maße, in dem er es zu gigantischer Größe aufblähte, es von allen anderen fundamentalen Elementen trennte, es fetischisierte, wurde jede Referenz zur Konzeption von Lenin zur reinen Groteske. Die tieferliegenden Ursprünge des Stalinismus liegen einerseits im russischen Volkstümlertum – im antikapitalistischen Voluntarismus, der die gemeinschaftlichen Traditionen des russischen Volkes nicht nur als für die Errichtung des Sozialismus sich selbst genügend, sondern sogar als Hebel zur Rettung der Menschheit vor der Katastrophe, in die sie vom bürgerlichen Westen gestürzt wurde, betrachtete. Auf der anderen Seite in der autokratischen Tradition zuerst des Byzantinismus und später des Zarismus, im asiatischen Despotismus, der von Iwan dem Schrecklichen bis zu Peter dem Großen reicht. Man kann Stalin und den zutiefst inhumanen Charakter seines politischen Systems nicht vollständig verstehen, ohne seine nihilistische Durchsetzung in Betracht zu ziehen. Die tiefgreifende Geringschätzung des menschlichen Lebens. Die Idee, dass die einzige Hoffnung auf Rettung der Menschen jene unter der eisernen Faust der Tyrannei sei. Die Überlegung, dass das Volk einzig und allein mit Macht und Gewalt zu einem großen Ziel getrieben werden könne. Der zynische Hass auf seine eigene, ihm zu Diensten stehende Hierarchie. Der Stalinismus ist ein moderner Nihilismus, aufgepfropft auf den verwundeten Körper des russischen und internationalen Proletariats.
Teil III
11. Die trotzkistische Opposition
Wir lehnen den deterministischen Ansatz ab, demzufolge die Linke Opposition der bolschewistischen Partei nur deswegen geschlagen wurde, weil die Ereignisse sich gegen sie richteten. Sicher, mit der Niederlage der europäischen Revolution kam der Linken ihr solidester Stützpunkt zur Einwirkung auf den sozialen Prozess abhanden. Die Müdigkeit des russischen Proletariats führte dazu, dass dieser Kampf wie eine vox clamantis in deserto erschien. Es ist wahr, dass der einzige Hebel, der in Händen der Antistalinisten verblieb, die Partei selbst war – und diese litt, wie Lenin bereits 1921 warnte, an der Plage des Bürokratismus. Aber der Hebel wurde falsch verwendet. Die Niederlage der Linken erklärt sich aus ihrer Zurückweisung des Kampfes um die Macht, um die Zügel der Partei in die Hand zu nehmen.
Der entscheidende Moment des Kampfes war tatsächlich der XII. Kongress im April 1923. Trotzki, anstatt wie Lenin, der bereits gelähmt war und nicht mehr seine Arbeit aufnehmen konnte, es gefordert hatte, den frontalen Angriff zu eröffnen, zog sich zurück. Er weigerte sich, den Kongressteilnehmern das Testament Lenins zur Kenntnis zu bringen, in dem die unwiderrufliche Absetzung Stalins als Generalsekretär gefordert wird. Dass jener Moment der entscheidende war, dass das Zögern fatal sein und dem folgenden Kampf schweren Schaden zufügen würde, bestätigt später Trotzki selbst. Er definiert den XII. Kongress als den ,,letzte(n) Kongress der bolschewistischen Partei“. Und es war wieder Trotzki, der viele Jahre später feststellte: ,,Unser gemeinsames Vorgehen gegen das Zentralkomitee wäre Anfang 1923 bestimmt siegreich gewesen. Mehr noch. Ich zweifle nicht daran, wäre ich am Vorabend des Zwölften Parteitages im Geiste des ,Blockes Lenin-Trotzki’ gegen den Stalinschen Bürokratismus aufgetreten, ich hätte auch ohne die direkte Beteiligung Lenins am Kampfe einen Sieg errungen. Wie weit dieser Sieg haltbar gewesen wäre, ist eine andere Frage.“ Trotzki, der Organisator des Oktobers, der Führer der Roten Armee, zögerte also im entscheidenden Moment. Er lehnte es ab, um den Posten Lenins zu kämpfen. Er betrachtete den Kampf um die Macht als etwas seiner nicht würdiges: ,,Mein Hervortreten hätte verstanden werden, oder richtiger, dargestellt werden können als der persönliche Kampf um Lenins Platz in der Partei und im Staate. Ich vermochte nicht ohne inneren Schauder daran zu denken.“ Hier kommen die tiefgehenden Beschränkungen Trotzkis zum Vorschein, dem unvergleichlichen Führer in Momenten des revolutionären Aufstiegs, aber unsicher, zögerlich, fast zwergenhaft, wenn sich der politische Kampf zurückzog und nachgab. Darin unterschied er sich zutiefst von Lenin, der klar die unveränderlichen Gesetze der Politik begriff. Für ihn war es notwendig, unter allen Bedingungen um den Sieg zu kämpfen. Und kämpfen um zu siegen heißt nichts anderes, als um die Macht zu kämpfen. Wenn der Kampf um die Macht die Quintessenz des Klassenkampfes ist, so gilt das um so mehr wenn die Partei die Hebel des Arbeiterstaates in Händen hält. Wenn Trotzki in romantischer Weise den Kampf um die persönliche Macht gering schätzte, so ging Lenin im Gegenteil davon aus, dass die Vorherrschaft einer Klasse manchmal die Konzentration der Macht in der Hand einer Person bedeuten kann, auch im sogenannten ,Arbeiterstaat’. Einen Kompromiss mit Stalin akzeptierend, meinte Trotzki, dass der Faktor Zeit zu seinen Gunsten und gegen die bürokratische Clique wirken würde. Er nahm als sicher an, dass in Europa ein revolutionärer Aufschwung bevorstünde, der den Stalinismus hinweggefegt hätte. Diese Annahme brachte Trotzki jedoch nicht einmal dazu, den Kampf der russischen Opposition so schnell wie möglich auf die Parteien der Kommunistischen Internationale auszuweiten und ihn international zu koordinieren. Er irrte in beiden genannten Punkten. Kein objektiver Prozess kann die Defizite der revolutionären Führung ausgleichen.
Die trotzkistische Bewegung wurde behindert geboren. Sie trug von Anfang an die Unfähigkeit der russischen Linken, einen standhaften Kampf gegen die Stalinisten zu führen, ihre moralischen und idealistischen Skrupel hinsichtlich der Benutzung der Mittel, die der Kampf um die Macht forderte in sich. Sie theoretisierte diese Skrupel in der Mystik von der proletarischen Demokratie und vom Arbeiterstaat.
12. Die Sowjetunion
Was war der Klassencharakter der sozialen Formation, die aus diesen schrecklichen Jahren hervorgegangen ist? Und was war ihre Zukunft? Die Weltbourgeoisie hatte ein Interesse daran, die offizielle Lüge der Stalinisten zu verbreiten: Die UdSSR sei eine sozialistische Gesellschaft, in der die Prinzipien von Marx und Lenin vollständig verwirklicht wären. Trotzki gab eine völlig andere Definition von der stalinistischen sozialen Formation: Es handle sich um einen Arbeiterstaat, der einem ununterbrochenen Prozess der Degeneration unterliege. Ein Prozess, der ohne eine neue proletarische Revolution unvermeidlich in der offenen kapitalistischen Restauration enden würde. Trotzdem, solange die stalinistische Bürokratie die kollektivistischen Produktionsverhältnisse gegen die Attacken der Weltbourgeoisie verteidigte, blieb ihre Diktatur, wie verformt auch immer, ein Ausdruck der sozialen Vorherrschaft des Proletariats. Die soziale Herrschaft einer Klasse kann verschiedene politische Formen annehmen. Die russische Erfahrung reicht bereits aus, um dieses historische Gesetz auf die Übergangsphase vom Kapitalismus zum Sozialismus auszudehnen: Die Formen und Methoden, mit denen die Arbeiterklasse ihre Herrschaft ausübt, verändert sich entsprechend des internationalen Klassenkampfes und der verschiedenen nationalen Traditionen.
Je mehr die UdSSR vorwärts schritt und ihrer Zurückgebliebenheit entstieg, desto mehr trat die Bürokratie in einen sich verschärfenden Konflikt mit den kollektivierten Produktivkräften. Dies hing mit ihrem Verhältnis zum Produktionssystem zusammen, mit der parasitären Art und Weise, in der sie sich den sozialen Reichtum aneignete. Gezwungen, sich im Rahmen des kollektiven Eigentums zu bewegen, war sie nicht in der Lage, die Massen anzugreifen, um die alten Eigentumsverhältnisse wiederherzustellen. So entwickelte sich die Bürokratie schrittweise zu einer Kaste feudalen Typs. Als solche gab sie sich schlicht und einfach dem unproduktiven Konsum des sozialen Mehrprodukts hin. Kraft ihres antagonistischen Verhältnisses zu den Produktivkräften und der kollektivistischen Produktionsweise, war diese Kaste zum Untergang verdammt. Sie machte aus dem sowjetischen Kollektivismus eine moderne Form der asiatischen Produktionsweise. Im Mittelalter wäre ein solches Regime fähig gewesen, für Jahrhunderte zu überleben. aber nicht in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die von einer neuen mächtigen Attacke des Kapitalismus gekennzeichnet ist. Mit dem Beginn der 50er Jahre trat das stalinistische System der Kommandowirtschaft, das die Industrialisierung des Landes ermöglicht hatte, in eine offene Krise ein. Es erwies sich als nicht in der Lage, vom rein quantitativen Wachstum der Produktivkräfte zum qualitativen, das die neuen Bedürfnisse der Massen und der Gesellschaft hätte befriedigen können, überzugehen. Nach dem Tod Stalins stand die UdSSR vor einem Scheideweg: zum Sozialismus oder zum Kapitalismus? Aber der Sozialismus hätte die Unterstützung der internationalen Revolution und die Konfrontation mit dem imperialistischen System bedeutet. Er hätte die Wiedergeburt der Arbeiterdemokratie und die Auflösung der Bürokratie als privilegierte und parasitäre Kaste sowie die des politischen Despotismus bedeutet. Mit dein Chrustschowismus schlug die Bürokratie den zweiten Weg ein: Friedliche Koexistenz mit dem Imperialismus in der Außenpolitik, wirtschaftliche und politische Reformen kapitalistischen Typs im Inneren. Als Bollwerk der Weltordnung und Gendarm der inneren Verhältnisse handelte die Kreml-Bürokratie ab einem gewissen Punkt als longa manus der Weltbourgeoisie, als Kompradorenbürokratie. Mit der graduellen aber vollständigen Einordnung in die weltweite Arbeitsteilung, mit dem daraus folgenden Eindringen des Wertgesetzes und seiner verwüstenden Wirkung, wurde die imperialistische Bourgeoisie de facto zur externen herrschenden Klasse in der UdSSR.
13. Verschiebung in den Osten
Den Siegern über den Faschismus gelang es, die europäische Revolution zu lähmen, nicht aber die internationale. Diese verlagerte sich in den Osten. Der alte Maulwurf, aus dem Westen vertrieben, grub weiter, das imperialistische System an seinen schwächsten Punkten demolierend, die Zügel von Jalta zerreißend. Der Todgeweihte kann seinen eigenen Totengräber nicht begraben. Die chinesische Revolution markierte die zweite Etappe der Weltrevolution, rückte jedoch ihr Epizentrum vom zentralen imperialistischen Nervensystem an seine extreme Peripherie.
Hier nahmen die proletarischen und plebejischen Massen die Herausforderung an und sammelten sich am Schlachtfeld des letzten Kampfes. Nach der Tragödie von 1925-26 nahm der Klassenkampf die Form eines bewaffneten Kampfes um die Macht an, wurde zum Krieg, und zögerte nicht, sich dessen spezifischen Gesetzen zu unterwerfen. Lassen wir uns nicht vom Phänomen des verlängerten Volkskrieges täuschen, der sich unter den Kleidern einer vorkapitalistischen Jacquerie versteckte. Er war in Wirklichkeit eine Form des internationalen
Bürgerkriegs, noch mehr ihr Vorposten.
Uns liegt es fern, aus dem Krieg als höchste Form des Klassenkampfes einen Fetisch zu machen. Im Gegenteil, es ist die Revolution, die ihrerseits die höchste Form des Klassenkrieges darstellt und keinerlei Normen folgt, außer jenen unregelmäßigen und ungezügelten der totalen Offensive.
Das Gesetz der ungleichen und kombinierten Entwicklung, das Gesetz, das die zurückgebliebensten Zonen des Erdballs mit jenen des fortgeschrittensten Kapitalismus unauflöslich verkettet, behält auch in der Sphäre der Politik seine Gültigkeit. So wie die Indianer Amerikas nicht zwanzig Jahrhunderte verstreichen ließen, um vom Pfeil zum Gewehr überzugehen, so warteten die Maos und Ho Chi Mins nicht den proletarischen Sieg im Westen ab, um es den Russen gleichzumachen. Diese fernen Nachkommen Thomas Münzers an der Spitze von großartigen Bauernarmeen stehend, erfasst vom Räderwerk des Todeskampfes zwischen Imperialismus und Sozialismus, handelten als jakobinistische Avantgarde. Doch sie konnten nicht mehr den Spuren Robespierres und Justes, wohl aber jenen Lenins und Trotzkis folgen. Sie wurden sich schnell der Tatsache bewusst, dass die demokratischen Wünsche und Forderungen der halbproletarischen Bauernschaft, der Arbeiterschaft und der städtischen plebejischen Massen nur durch das Ergreifen der Macht in ihrer Gesamtheit zu verwirklichen war. Das bedeutete, sich des imperialistischen Systems zu entledigen, die kompradorische Bourgeoisie und den verkrüppelten nationalen Kapitalismus zu vernichten und auf kollektivistischer Basis eine neue Gesellschaft zu errichten. Die marxistische Theorie der permanenten Revolution bestätigte sich von der chinesischen bis zur vietnamesischen Revolution auf brillante Weise, jedoch in einer unerwarteten Variation: Die treibende Kraft des Bruches mit dem Imperialismus war nicht die extrem schwache städtische Arbeiterklasse jener Länder, sondern die armen Bauern mit dem Gewehr in der Hand. An ihrer Spitze standen stalinistische Parteien, die mit dem Kreml gebrochen hatten und als Ersatz für die flüchtige proletarische Führung handelten. Die kubanische Revolution hingegen, welche mit der Aktion einer mit der Bauernschaft verbundenen Guerillagruppe begann, hätte ohne das entschiedene Auftreten der städtischen Arbeiterklasse und der Landarbeiter nicht siegen können. Die Castristen konnten sich erst an ihre Spitze stellen, als sie sich dafür entschieden, sich dem antiimperialistischen Lager anzuschließen.
Einmal an die Macht gelangt, konnten diese bäuerlichen Partei-Armeen nicht anders, als sofort und vollständig den russischen Stalinismus zu imitieren. Sie schlugen den Weg des genauso umfassenden wie bürokratischen, politisch autoritären und autokratischen Kollektivismus ein. In einem von der sozialen Rückständigkeit, vom tiefen kulturellen Niveau der Bauernschaft und von der Abwesenheit von Organen der proletarischen Gegenmacht geprägten Umfeld, wurden die politisch-militärischen Kader – die bereits an ein paternalistisch autoritäres Verhältnis zu den Massen gewöhnt waren und ihnen ausschließlich eine Unterstützerrolle als Partisanen zuwiesen – schnell zu einer Kaste von Administratoren und Bürokraten. Sie waren entschlossen, ihre politische und soziale Vorherrschaft zu verteidigen. Ob diese Herrschaft gänzlich mit den kapitalistischen Beziehungen brach oder diesen trotz der Vernichtung der nationalen Bourgeoisie verhaftet blieb, hing von den Kräfteverhältnissen der Klassen im Land, den aktuellen internationalen Verhältnissen zwischen dem Imperialismus und den Arbeiterstaaten und zu aller erst von den politischen Kräfteverhältnissen in der Führung, der Stärke des linken Flügels, ab.
Wenn wir nun dem Weg des alten Maulwurfs folgen, sehen wir, dass seine Gänge einer genauen Geometrie gehorchen. Der Maulwurf folgte der Linie des geringsten Widerstandes. Er kreiste die imperialistische Festung ein. Diese Einkreisung brachte die Festung aber nicht zum Einsturz. Das westliche Proletariat hat nach dem Zweiten Weltkrieg, weit davon entfernt sich zu erheben, einen lang anhaltenden, historischen Wundstarrkrampf durchgemacht.
14. Der eiserne Vorhang
Die Art, in der der Faschismus hinweggefegt wurde, hat die europäische Situation nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt und den Klassenkampf mit einer schweren Hypothek belegt. Der Faschismus wurde nicht von der proletarischen Revolution besiegt, sondern durch das militärische Zusammenwirken des ,demokratischen’ Imperialismus und des stalinistischen Russland. Das Proletariat spielte für die mächtigen Alliierten Armeen trotz des Widerstands der Partisanen nur die Rolle einer Hilfskraft. Es war nicht fähig, der Alliierten Schirmherrschaft zu entfliehen. Nur in Jugoslawien gelang es der Partisanenarmee Titos, dank der am Schlachtfeld gesammelten Kräfte, sich dem imperialistisch-stalinistischen Schraubstock zu entziehen. Der Befreiungskampf verwandelte sich in einen antikapitalistischen Klassenkampf. Nach der Wende von Jalta, in der die imperialistischen Siegermächte und die UdSSR gemeinsam eine Nachkriegsordnung aushandelten, legte die siegreiche jugoslawische Revolution das Fundament für den zweiten Arbeiterstaat nach dem russischen.
Anders als der Bund der Kommunisten Jugoslawiens, akzeptierten und exekutieren die anderen Kommunistischen Parteien Europas sklavisch die Direktiven aus Moskau. Westlich von dem was der ,Eiserne Vorhang’ werden sollte, mussten diese Parteien den beginnenden revolutionären Prozess auslöschen. Sie halfen bei der Wiedererrichtung kapitalistischer Staaten indem sie die Macht in die Hände der Bourgeoisie legten. Die bewaffneten Antifaschisten und Partisanen in Italien, Griechenland, Frankreich wurden entwaffnet, weil die Weltordnung von Jalta keine Revolution in Gebieten, die dem ,demokratischen’ Imperialismus zugesprochen wurden, duldete. Wenn notwendig wurden die Revolutionäre und Arbeiter, die sich nicht dem Diktat von Jalta beugten, mit Gewalt niedergeschlagen. Anders im Osten. Die Präsenz der sowjetischen Besatzungskräfte aus-nutzend, waren die Kommunistischen Parteien gezwungen, sich für die Ergreifung der ganzen Macht bereitzuhalten, für den Fall, dass die ,antifaschistischen’ imperialistischen Kräfte versuchen würden, wie sie es dann tatsächlich taten, die strategischen und geopolitischen Interessen der UdSSR zu bedrohen. Der Kreml entschied, nach den ersten eine internationale Krise ankündigenden Scharmützeln sich mit Pufferstaaten zu umgeben, die als cordon sanitaire fungieren und sie vor einem neuerlichen westlichen Angriff schützen sollten. Der Kalte Krieg mündete in den von der UdSSR besetzten Ländern in eine kalte Revolution, in die Liquidation der Bourgeoisie von oben, manu militari. Die Rote Armee und die autochthonen stalinistischen Parteien waren die Werkzeuge zur strukturellen Assimilation der osteuropäischen Länder, die sie politisch und ökonomisch der UdSSR anglich. Stalin versuchte nicht einmal, proletarische Revolutionen durchzuführen. Er folgte nicht den Fußstapfen der nach Polen vorstoßenden Roten Armee Trotzkis, sondern jenen Hitlers in der Ukraine, das bürokratische soziale System mit Bajonetten und zynischer Brutalität durchsetzend. Jeder Versuch der Arbeiterklasse ihrer Eigenständigkeit Ausdruck zu verleihen, musste sich gegen die eingesetzte Bürokratie richten, und wurde als konterrevolutionär niedergeschlagen. Von oben und auf kalte Weise eingeführt, blieb die Kollektivierung in diesen Ländern immer brüchig und rachitisch, Anhängsel der UdSSR und abhängig von deren Stärke. Die Entstehung ist also bereits die Erklärung für den ruhmlosen Zusammenbruch: Die kalte Revolution konnte nicht anders, als in die kalte Konterrevolution, in die Reintegration in das imperialistische System ohne Gegenwehr zu münden. Die jugoslawischen Ereignisse beweisen im Gegensatz dazu ganz eindeutig, dass nur ein Bürgerkrieg das strangulieren kann, war ein Bürgerkrieg gebar.
15. Die Vierte Internationale
Heute erscheint es als klar, dass die Vierte Internationale durch die Niederlage der russischen Linken bereits mit einem schweren Handicap geboren wurde, das sie in ihrer weiteren Entwicklung immer belasten sollte. Die von Trotzki gegründete Bewegung, nachdem sie vergeblich versucht hatte, die stalinistischen Parteien zu ihrem Hebel zu machen, verknüpfte ihre Entwicklung mit einem als sicher angenommenen, bevorstehenden revolutionären Aufschwungs des europäischen und insbesondere des deutschen Proletariats. Dieses erlitt aber neuerlich entsetzliche Niederlagen, die dem Faschismus und einem neuen Weltkrieg, der noch wesentlich zerstörerischer werden sollte als der vorangegangene, den Weg bereiteten. Diesem folgte nun aber keine dem Roten Doppeljahr vergleichbare revolutionäre Welle. Die Vierte Internationale stand der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Situation zerschlagen und völlig unvorbereitet gegenüber. Der Stalinismus ging aus den schrecklichen Kriegsereignissen alles andere als zerschlagen, sondern enorm gestärkt hervor. Das Epizentrum der Revolution befand sich nicht im Westen, sondern noch weiter im Osten und immer mehr an der weiten Peripherie des imperialistischen Systems. Manchmal stellt sich heraus, dass der Hebel mit dem man versucht, der Geschichte und den sozialen Prozesse eine Richtung zu geben, untauglich war. Das ist der erste Grund für den Niedergang und die frühzeitige Degeneration der Vierten Internationale.
Der zweite Grund bestand in einem grundsätzlichen Fehler des Programms selbst, auf dessen Basis die Internationale gegründet wurde. Trotzki erstellte das Programm auf der Grundlage einer katastrophistischen und eschatologischen Analyse, laut derer der Kapitalismus bereits sein Endstadium erreicht hätte. Die Produktivkräfte könnten sich nicht nur nicht mehr weiterentwickeln, sondern nicht mehr anders als rückwärts zu schreiten. Ohne eine sofortige Weltrevolution würde die Menschheit schnell in die Barbarei zurückgestoßen werden. Auf diesem Fundament konnte die Vierte Internationale nicht nur keine führende Rolle spielen, sondern sich nur den Kopf blutig schlagen. Statt den Fehler zu korrigieren, hat die Führung der Internationale ihn nur weiter vertieft. Sie prognostizierte einen sofortigen Dritten Weltkrieg und fantasierte von seiner Transformation in einen internationalen Bürgerkrieg, deren antiimperialistische Führung die Stalinisten oborto collo übernommen hätten. Von daher kam die Entscheidung, die Sektionen aufzulösen und sie in die stalinistischen Parteien eintreten zu lassen, mit dem Ziel, diese zu regenerieren.
Die darauf folgenden kettenreaktionsartigen Spaltungserscheinungen, der ins Übermaß gesteigerte Fraktionismus. war nichts anderes als die Begleiterscheinung, die Form, in der die Agonie einer Bewegung zum Ausdruck kam, die weder fähig war, ihre Analyse noch ihr Projekt energisch zu korrigieren. Die Unfähigkeit die gesellschaftliche Entwicklung zu begreifen führte dazu, dass die Vierte Internationale nicht in der Lage war in den Prozess verändernd einzugreifen. Gleichzeitig bedingte ihr Unvermögen, sich durch leninistische Parteien mit dem Klassenkampf zu verbinden, die Unmöglichkeit den realen Prozess theoretisch zu greifen. Die Theorie hob sich von der revolutionären Praxis ab und degenerierte zu leeren Abstraktionen. Die Bewegung verstand es daher nicht, sich für den sie erwartenden strategischen und langfristigen Kampf zu rüsten. Anstatt die Gründe der Krise der Bewegung aufzudecken und mit der nun mehr sterilen trotzkistischen Orthodoxie zu brechen, anstatt dem Beispiel Lenins zu folgen, die Analysen und das Programm auf die neuen Gegebenheiten abzustimmen und auf dieser Basis die Partei und Internationale wiederaufzubauen, bekriegten sich die vielfältigen trotzkistischen Tendenzen im Namen ihrer Orthodoxie wie religiöse Sekten zur Zeit der christologischen Dispute. In Abwesenheit einer verdienten und anerkannten internationalen Führung, verfolgte jede Sekte ihren eigenen Weg. Die Zeit, in der es richtig gewesen wäre, für die Wiedervereinigung der Bewegung auf der Basis eines neuen Programms und daher auch um eine neue Führung zu kämpfen, haben wir nun hinter uns gelassen. Die Vierte Internationale kann nicht regeneriert werden, weil sie bereits tot ist. Man kann sie nicht mehr wiederaufbauen, weil ihre Fundamente selbst sich als unzuverlässig, als irrig herausgestellt haben. Man kann sie nur neu, nochmals auf einer neuen politischen Grundlage aufbauen.
Teil IV
16. Eine lange Lähmung
Der Grund für ein halbes Jahrhundert substantieller Stabilität in Europa, in den USA und in Japan liegt nicht im ,ökonomischen Boom’ an sich, sondern in der keynsianistischen Politik und im Wohlfahrtsstaat die von den imperialistischen Regierungen verwendet wurden, um das westliche Proletariat zu korrumpieren und der Expansion des Stalinismus etwas entgegenzusetzen. Ab dem Ende der 40er Jahre hat der Imperialismus einen beträchtlichen Teil seiner Superprofite geopfert und akzeptiert, dass die Regierungen diesen neuen Reichtum nach dem Gießkannenprinzip verteilten.
Im Westen setzte die kapitalistische Entwicklung, der Reichtum, einen Prozess des sozialen Zerfalls, der Entproletarisierung der Arbeiterklasse in Gang. Es stimmt zwar, dass sich das traditionelle Kleinbürgertum kontinuierlich verringert hat, andererseits aber hat sich die Zusammensetzung der Lohnarbeiterschaft radikal geändert. Das Industrieproletariat hat sich in absoluten Zahlen sehr verringert, während der tertiäre Sektor enorm angewachsen ist, so dass wir von einem neuen Kleinbürgertum sprechen können. Die unproduktive Arbeit überflügelte die produktive in vielen Wirtschaftssektoren. Die Mehrwertproduktion beschränkte sich immer mehr und mehr auf einen kleiner werdenden Teil der Arbeiterklasse, ein großer Teil der Mehrwertproduktion verschob sich hin zu den unterentwickelten Ländern, während sich im Westen eine Arbeiteraristokratie ausbreitete, deren Einkommen weit über dem Weltdurchschnitt lag. In den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts war diese Arbeiteraristokratie in den imperialistischen Ländern noch eine kleine Minderheit, in der letzten Zeit ist sie jedoch zu einer Mehrheit des westlichen Proletariats geworden. Der Lohn ist nur noch Teil des monatlichen Einkommens dieses Semi-Proletariers. In einigen Ländern bestand dieses zusätzliche Einkommen aus Schwarzarbeit, Ersparnissen und Sozialleistungen. Mit der Zeit konnte er nicht nur den wachsenden Komfort des westlichen Konsumismus genießen, sondern er war auch in der Lage, sich ein Haus zu kaufen, Ersparnisse anzuhäufen, und ihre Zinsen einzustreifen. All dies näherte ihn der Bourgeoisie als Partner im Geschäft der Ausbeutung der rückständigen Völker an. Nur eine Minderheit der Arbeiterklasse wurde von diesem Prozess des kleinbürgerlichen Zerfalls ausgeschlossen und an seinen Rand gedrängt. In gewissem Sinne kann man also bestätigen, dass erst in der letzten Jahrhunderthälfte die Bourgeoisie ihre Revolution vollenden, die Ziele von 1789 erreichen konnte. Der Kapitalismus hat es geschafft, seinen Zusammenbruch hinauszuschieben indem er den Reichtum aufgeteilt, das heißt die bürgerliche Freiheit und Gleichheit gewährt hat. Eine Freiheit als conventio ad excludendum, erreicht auf Kosten von drei fünftel der Weltbevölkerung, eine jakobinische Gleichheit, die den Arbeitern die Brosamen und der Bourgeoisie die Produktionsmittel zuspricht. Dieser widersprüchliche Prozess des sozialen Zerfalls musste sich auch politisch äußern, und zwar in einer politischen Degeneration. Die ,Arbeiterbewegung’ unter der Führung der ,reformistischen’ Parteien und Gewerkschaften agierte vor allem als konservierender Faktor der imperialistischen Weltordnung. Sie wurde organisch in das bürgerliche Herrschaftssystem eingebunden und verlor, wie die 70er Jahre es gezeigt haben, immer mehr ihre Fähigkeit, die radikalsten Stöße des Proletariats zum Ausdruck zu bringen. Die Reformen, die diese ,Arbeiterparteien’ errangen, wohl gemerkt auf Kosten der Völker der Peripherie, wurden in gewisser Weise entschärft. Sie waren funktional im Sinne der Verteidigung des inneren sozialen Friedens, ebenso wie im Sinne der sich vertiefenden Korruption des Proletariats. Angesichts der revolutionären Welle, die aus dem Süden kam, nahm das Proletariat, weit davon entfernt, die Zugbrücke herunterzulassen und so dem entscheidenden Konflikt Einlass in die belagerte Festung zu gewähren, im Gegenteil sogar an ihrer Verteidigung teil, mit dem Ziel, besagten Konflikt von der Festung fern zu halten. In unbemerkter Weise geschah etwas, was den Ereignissen des 4. August 1914 an Schärfe um nichts nachsteht. Der Klassenkonflikt manifestierte sich praktisch nie mehr in wirklich revolutionären Formen. Die verlängerte Periode des Klassenkampfes mit niedriger Intensität hat ihre Spuren im westlichen Proletariat hinterlassen. Wir müssen die Konzeption der Klasse von ökonomistischer Metaphysik säubern, für uns ist der Klassenwiderspruch nicht wie ein Paar Schuhe, welche die Arbeiterklasse beliebig an und ausziehen kann. Er ist die Bedingung ihrer Existenz als soziale Kraft, als eine Kraft in Opposition zum Kapital. Die Arbeiterklasse ist revolutionär oder sie ist nicht.
17. Die kalte Konterrevolution
Die Gorbatschow’sche Perestroika war die letzte Etappe der langsamen bürgerlichen Degeneration der stalinistischen Bürokratie. Diese Bürokratie war gleichzeitig der Hauptagent und der wichtigste Grund der kapitalistischen Restauration. Nach Jahrzehnten der unbemerkten Zerstörung des Kollektivismus, was den stalinistischen Ländern die Akzeptanz des imperialistischen Systems einbrachte, verringerte die Bürokratie nach und nach ihre Verbindungen zum Proletariat, sie wurde immer unabhängiger von diesem. Auf die kapitalistischen Kräfte gestützt, verfolgte sie das Ziel, die Konterrevolution so schmerzfrei wie möglich durchzuführen und sich selbst in eine echte Bourgeoisie zu verwandeln. Zu dem Zeitpunkt, als sich die Bürokratien dazu stark genug fühlten, dem definitiven Akt der sozialen Konterrevolution Vorschub zu leisten und ihn zu leiten, die unvermeidlichen sozialen Zerfallsprozesse kontrollieren und einer etwaigen proletarischen Reaktion etwas entgegensetzen, entschlossen sie sich zu diesem Schritt – oder besser gesagt, als sie sich sicher waren, dass es überhaupt keine revolutionäre Reaktion geben würde. Die Implosion der Jahre 1989-91 hat gezeigt, dass die bürgerliche Metamorphose der stalinistischen Bürokratie bereits die Grenze erreicht hatte, jenseits derer es nur noch die definitive Konterrevolution geben konnte. Jelzin ist die brutalste Verkörperung dieses reaktionären Prozesses. Er hat nur deshalb die politische Macht mittels eines Staatsstreichs an sich reißen können, weil er den verlängerten Arm des Imperialismus darstellte. Er hat sich die Macht aufgrund der Politik der eisernen Faust gegen die Opposition erhalten und hat schließlich die Armee benützt, um jenes bürgerliche Parlament aufzulösen, das ihn selbst zwei Jahre zuvor zum Bonaparte gekrönt hatte.
Das Proletariat war die einzige soziale Kraft, die diese pseudo-demokratische Konterrevolution aufhalten hätte können. Unter Bedingungen, charakterisiert durch den Rückgang der Klassenkämpfe im Westen und den Rückzug der antiimperialistischen Bewegungen auf der ganzen Welt, hat es das russische und osteuropäische Proletariat, nach einem halben Jahrhundert unter einem erstickenden bürokratischen Regime bar jeglichen Klassenbewusstseins und jeglicher marxistischer Organisation, nicht nur nicht geschafft, der kapitalistischen Restauration einen Schlag zu versetzten, sondern ist im Gegenteil von den Ereignissen überrannt worden. Wenn es also kein proletarischen Klassenbewusstsein gab, so gab es umso mehr ein bürgerliches Bewusstsein, das dank der strategischen Offensive der imperialistischen Kräfte, die eine wirtschaftliche, militärische, politische und kulturelle war, in den Osten eingedrungen war. Von der Beschleunigung der Ereignisse an die Wand gedrückt, ließ das Proletariat den Zusammenbruch der bürokratisch-kollektivistischen Systeme zu. Indem es sich den demokratischen und konterrevo1utionären Massenbewegungen anschloss, zeigte es sich unfähig, sich in politischer Hinsicht eigenständig auszudrücken, seine eigenen Interessen zu verteidigen. Diese Tatsache lässt sich nur durch das Ausmaß der vom Stalinismus verursachten Zerstörung erklären, der, nachdem er jahrzehntelang jede Initiative und Aktion proletarischer Demokratie erstickt hatte, die Antriebskräfte der Arbeiterklasse nunmehr endgültig außer Kraft gesetzt hatte. So entzündete sich eine Kettenreaktion, die die internationale Arbeiterbewegung in ihre tiefste Krise dieses Jahrhunderts geführt hat. Es wird noch viel Zeit vergehen müssen, bevor das Weltproletariat seine klaffenden Wunden wird heilen können.
In Jugoslawien mündete der Prozess der kapitalistischen Restauration in einen Bürgerkrieg. Auch deswegen, weil die Erinnerung an die Revolution der 40er Jahre noch frisch, ihre Spuren noch sichtbar, die Linke noch lebendig war und weil es die konterrevolutionären Kräfte gewagt hatten, die traditionellen Trennungen in Ustascha, Moslems und Tschetniks für ihre Zwecke zu verwenden, genau jene Kräfte also, welche die Partisanen Titos so heroisch bekämpft hatten. Nachdem es dem Imperialismus mit seinem Krieg nicht gelungen ist, Jugoslawien zu zerstören, versucht er es nun mittels Erpressung durch seinen erstickenden Friedensplan.
18. Eine neue Arbeiterklasse
In den 80er Jahren, zu dem Zeitpunkt als der Prozess der Verbürgerlichung seinen Höhepunkt erreichte, begann er bereits sich umzukehren. Die Überproduktionskrise nahm immer offenere Formen an, nachdem es der Bourgeoisie in den 70er Jahren noch gelungen war, sie zu mildern. Das Kapital kann sich nun nicht mehr den Luxus des Keynsianismus leisten. Gierig nach Profit, hat es begonnen, einige Errungenschaften des westlichen Proletariats hinwegzufegen, viele unproduktive Kosten zu eliminieren, den Wohlfahrtsstaat gründlich abzubauen und die Löhne zu senken, um sie dem weltweiten Durchschnittslohn anzugleichen. Kurz, es hat begonnen, den sozialen Vertrag mit dem Proletariat einseitig, jedoch mit Akzeptanz der ,Arbeiterparteien’ und -gewerkschaften, zu brechen. Vermittels radikaler Umstrukturierungen des Sozialsystems veränderte es den Arbeitsmarkt und die Fabrik selbst vollkommen. Es regiert praktisch uneingeschränkt die Flexibilität der Arbeitskraft, es werden die Errungenschaften eines ganzen Jahrhunderts des Kampfes zerstört und die Arbeitskraft vollkommen den Zirkulationszeiten des Kapitals ausgeliefert. Die neue Generation des Proletariats wird nicht mehr die Privilegien der alten genießen. Der Arbeitsplatz ist einer ständigen Verschiebung innerhalb des Arbeitsmarktes unterworfen und zwar mit der selben Geschwindigkeit mit der das Kapital sich auf dem Markt bewegt. Es zählt nun nicht mehr der Arbeitsplatz, sondern das Arbeitsverhältnis als solches, abstrakt, entkleidet jedweder Dauerhaftigkeit, jeder vertraglichen Garantie. Für den Arbeiter gibt es keinen Arbeitsplatz mehr, nur noch einen Raum, den Markt, in dem er sich ständig bewegen muss, um vorübergehend. ad interim, Beschäftigung zu finden. Der ältere Arbeiter kann sich diesem Mechanismus noch entziehen, der jüngere jedoch ist dazu verdammt, ein Klon seines mexikanischen oder maghrebinischen Kollegen zu werden. Nur das Ausmaß des Raumes, in dem er dem Kapital hinterherlaufen muss, um ihm seine Dienste anzubieten, ist unterschiedlich. In der Fabrik haben Roboter und Informatik es dem Kapital erlaubt, sein tyrannisches Regime wieder voll aufzubauen, jenes Regime, das der Arbeiter des tayloristischen Fließbandes in Frage gestellt hatte. Der junge Arbeiter ist an eine infernalische Maschine gebunden. Es gibt keinen Platz für persönliche Befriedigung, weder in der Arbeit noch in der ,Freizeit’, wo alle Aspekte der Autonomie des Arbeiters von der Kapitalverwertung dieser zusehends unterworfen werden. Aus dem fordistischen Arbeiter ist der totale Arbeiter geworden, vollkommen einem Prozess unterworfen, dessen Mechanismus er nicht kennt und der seine bedingungslose Unterwerfung fordert. Unter diesen Umständen ist der Widerspruch gegen das Kapital entweder total, oder er ist nicht existent. Es heißt entweder Sabotage oder völlige Unterwerfung. Unter diesen neuen Umständen bleibt den Gewerkschaften nichts anderes übrig, als die Funktion einer zusätzlichen Kontrolle über die Arbeitskraft im Interesse des Kapitals anzunehmen.
Heute müssen sich Kommunisten mehr denn je auf die ausgebeutete Arbeiterjugend orientieren, auf den Hebel der zukünftigen proletarischen Partei. Es erweist sich also als nötig, moderne Methoden des politischen Kampfes zu finden, sich neuer Sprachformen zu bedienen, Propagandismus und Intellektualismus zu überwinden, sich mit den ausgebeutetsten und dynamischsten Sektoren zu verbünden, mit jenen die bereit sind, eine führende Rolle in den proletarischen Kämpfen zu spielen, denn diese Kämpfe werden der Grundstein für die künftige Internationale sein.
19. Die Weltrevolution
Die westliche Arbeiterbewegung versuchte der kapitalistischen Offensive der letzten zwanzig Jahre Widerstand zu leisten, indem sie sich auf diejenigen Parteien und Gewerkschaften stützte, die dem Imperialismus am nächsten standen. Das Ergebnis war, dass das Proletariat schließlich einige historischen Errungenschaften – die eigene Kampffähigkeit, die Selbstorganisation in den Fabriken und in der Gesellschaft, seine autonomen Klassenorganisationen – zu verschachern begann, im Ausgleich für Konsumprivilegien, die das Mehrprodukt dieser Errungenschaften waren. Nun sieht sich das Kapital dazu gezwungen, genau diese Errungenschaften anzutasten. Doch nicht alles Schlechte bringt gezwungenermaßen Schaden mit sich. Diese Privilegien waren die Quelle der Korruption, welche die antagonistische Initiative gelähmt hat: die moderne Verarmung kann den Grundstein für die zukünftige Vereinigung des Weltproletariats legen. Dieser Prozess, der die westliche Gesellschaft grundlegend verändern wird, wird die Krise des organisierten Proletariats vertiefen. Es ist die Aufgabe der Kommunisten, an den Verteidigungskämpfen des organisierten Proletariats anzusetzen, und die Verbindung zwischen den kämpfenden Teilen der alten mit der neuen Arbeiterbewegung herzustellen. Es ist notwendig, sich von den traditionellen Vorstellungen von Links und Rechts zu befreien. Diese eben haben keine Bedeutung, wenn sie nicht mit der Zusammensetzung der Klassen und ihrem Kampf auf Weltebene in Wechselwirkung verbunden sind. Vom Standpunkt der bestehenden sozialen Ordnung ist Saddam Hussein linker als Jesse Jackson, ein serbischer Tschetnik nicht rechter als ein gut gefütterter deutscher Pazifist, ein Fundamentalist der Hamas steht einem Kommunisten näher als ein Mitglied der Israelischen Arbeiterpartei.
Dass die kommunistische Bewegung nicht völligverschwunden ist, haben wir der Tatsache zu verdanken, dass sie der Überträger eines riesigen Weltproletariats ist, das nicht aufgehört hat zu wachsen, auch wenn dies nicht mehr in den fortgeschrittenen Ländern passierte, und das nicht aufgehört hat zu kämpfen wann immer es konnte. Wenn im Westen immer noch Kommunisten existieren, dann deswegen, weil nicht das gesamte Proletariat in den korporatistischen Mechanismus einbezogen wurde, sondern eine ausgebeutete, antagonistische Minderheit weiterexistierte. Es ist diese Minderheit, die wir organisieren können und müssen, sie ist das Rohmaterial der kommunistischen Revolution.
Der soziale Block der Revolution im Westen kann nicht in den engen nationalen Begriffen gedacht werden. Die ausgebeutete und unterdrückte Minderheit des Westens hat ihren stärksten Verbündeten nicht im alten oder neuen Kleinbürgertum der imperialistischen Festung, sondern im riesigen Proletariat Osteuropas, der rückständigen Länder und des Fernen Ostens.
Die portugiesische Revolution von 1974 liefert vielleicht ein authentisches Modell der zukünftigen Weltrevolution. Sie war die letzte der alten proletarischen Revolutionen und die erste der zukünftigen. Das portugiesische Proletariat trat unter dem Druck des Befreiungskampfes der Kolonialvölker auf die politische Bühne. Es nahm die Herausforderung an, öffnete die Falltore der belagerten Festung, verband seinen Kampf mit jenem der Sklaven und trat in den Kampf um die Macht. So wie die Revolte von Chiapas, die ein Nachkomme der alten Bauernguerilla, und dennoch ein Vorbote der amerikanischen Revolution ist, und jetzt ihre ersten Schritte macht, gleich einem Kleinkind, das schon Soldatenstiefel trägt. So wie die europäische Revolution, die sich nicht entfalten wird können, außer als Resultat eines Zerfallsprozesses des neokolonialistischen Systems, der bereits im Gange ist, als Resultat einer Verschweißung der Arbeiterkämpfe des Kontinents mit jenen des unterdrückten Proletariats des Maghreb, des Mittleren Ostens, des Balkans und Russlands.
20. Neugründung der proletarischen Internationale
Der heterogene Charakter der Komintern, das Scheitern der europäischen Revolution, die faschistische Offensive, der Aufstieg des Stalinismus in der UdSSR gestatteten es der kommunistischen Bewegung des Westens nicht, sich die leninistische Erfahrung zu eigen zu machen und sie zu entwickeln – weder in der Praxis noch im Denken. Wenn diese Aufgabe Trotzki zufiel, unter dem Druck der Dringlichkeit dem stalinistischen Angriff entgegenzutreten, so konnte er nur mehr retten was zu retten war. Andererseits stellte der europäische und westliche ,Linke Kommunismus’ auf diesem Gebiet sein völliges Scheitern unter Beweis. Wenn wir von Bordiga absehen, der dem Sozialdemokratismus und dem Stalinismus eine noch stärker übertriebene Version des lähmenden Determinismus Kautskys entgegensetzte, so hat angefangen von Rosa Luxemburg bis zu den ,Linken Kommunisten’ niemand die politische Lektion Lenins verstanden. Alle blieben Gefangene eines übertriebenen Subjektivismus neohegelianischer Prägung, der sich mit einer Metaphysik der Arbeiterklasse und einem Fetischismus ihres spontanen Kampfes paarte. Für diesen war das voluntaristische Element das einzige Leitmotiv der Aktion der Partei. Die absteigende Kurve der Revolution konnte nicht anders als den ,Linken Kommunismus’ für eine lange Zeit zu begraben. Für eine kurze Zeitspanne nach dem französischen Mai erschien er wieder auf der Bildfläche, um gleich darauf mit dem Ende dieses Zyklus von sozialen Kämpfen wieder zu verschwinden.
Einzig ausgehend von der Wiederaneignung und Verteidigung der von der Erfahrung und der Praxis der Bolschewiki gesetzten Grundpfeiler, kann man nicht nur eine moderne revolutionäre Aktion, sondern auch den Marxismus neu begründen und sich so für die entscheidende Schlacht zwischen Proletariat und Bürgertum rüsten.
Was ist nun skizzenhaft die konzeptionelle Grundlage eines modernen Marxismus? Wahr ist, dass die machtvolle Entwicklung der modernen Produktivkräfte die unersetzliche Voraussetzung des Übergangs der Menschheit zum Sozialismus ist. Doch mit dem Auftreten des Imperialismus hat sich der antagonistische Charakter dieser Kräfte und ihrer Entwicklung verändert, verschoben. Die Produktivkräfte wurden zu Destruktivkräften. Ihre Entwicklung kann zum Untergang der gesamten Zivilisation führen. Nicht alles was die Bourgeoisie in ihrer Erbschaft bereit hält, kann aufrecht erhalten werden. Vieles muss zerstört und radikal verändert werden, nicht nur in der Sphäre des Überbaus, sondern auch in jener der Wirtschaft. Die Elemente des Bruchs im Übergang vorn Kapitalismus zum Sozialismus sind stärker als jene der Kontinuität. Damit diese materiellen Produktivkräfte in einem kommunistischen Sinn nutzbar werden, ist es in Wirklichkeit notwendig, dass sie sowohl ihrer Form als auch ihres Inhaltes entkleidet werden. Das ist nicht durch einen spontanen Prozess möglich, sondern nur kraft des bewussten Eingreifens der assoziierten Werktätigen, die mittels des Plans die blinden Gesetze des Marktes unterdrücken. Die Mittel, die eine Klasse benutzt, hängen vom Charakter ihrer Mission und der Natur ihrer Aufgaben ab. Das Proletariat ist an sich betrachtet nur ein Objekt der Ausbeutung. Damit es seine revolutionäre Mission erfüllen kann, muss es sich seines Zieles bewusst werden und sich dafür organisieren. Dieses Bewusstsein, diese Organisation reift nicht automatisch mit dem Wachstum seiner numerischen und sozialen Stärke. Die Kraft des Proletariats hängt zuallererst von seinem politischen Vermögen ab. Ohne eine revolutionäre Partei. die über eine revolutionäre Strategie und ein revolutionäres Programm verfügt, ist die ausgebeutete Klasse politisch machtlos. Der Klassenkampf führt nur zum Sozialismus, wenn er in revolutionärer Art und Weise geführt wird, wenn er sich nicht auf die Veränderung des Bestehenden beschränkt, sondern ein Projekt mittels der Eroberung der politischen Macht realisiert. In diesem Sinn fällt das Primat nicht so sehr dem zahlenmäßig stärksten und ,entwickeltsten’ Proletariat zu. Das Gesetz der ungleichen und kombinierten Entwicklung sagt uns, dass die Vorreiterrolle vielmehr jenem Proletariat zukommt, das mit einer schwachen Bourgeoisie und einem rachitischen Kapitalismus konfrontiert ist, mit einem Kapitalismus, der sich als unfähig erweist, seine eigene Revolution zu machen und seine Produktivkräfte zu entwickeln. Jenem Proletariat also wird die Vorreiterrolle zufallen, das an feuerbeständigsten gegenüber dem Kapitalismus ist, weil es seine fauligsten und barbarischsten Elemente ohne jedwede Vermittlung kennt und erleidet, das es versteht, eine politische leninistische Avantgarde hervorzubringen, die entschlossen ist die Macht zu erobern. Er gibt kein Epizentrum, keinen neuralgischen Punkt der Weltrevolution mehr. Der Kapitalismus ist ein gänzlich und vollständig weltumspannendes System. Im Zentrum ist es noch stark, aber an der ,zurückgebliebenen’ Peripherie schwankt es. Es wird diese Peripherie sein, von der neue verheerende soziale Konflikte ausgehen, die auf das Zentrum zurückwirken und schließlich zur höchsten Steigerung des Klassenkampfes bis zur Schlussabrechnung zwischen Revolution und Konterrevolution führen werden.
Die Frage der Fragen bleibt mehr als jemals zuvor der Aufbau einer politischen Partei, die dazu geeignet ist, um die Diktatur des Proletariats zu kämpfen. Eine sicherlich schwere und lange Arbeit, die nur internationalistisch, im Zusammenhang mit dem Aufbau einer neuen proletarischen Internationale geleistet werden kann. Ihre Grundlage wird die Theorie von Marx und die Methode von Lenin sein.
Wie alle historischen Erfahrungen lehren, kann keine proletarische Partei, noch weniger eine Internationale, ohne Fusionsprozesse entstehen, die einen Schnitt durch die proletarische Linke machen und die unversöhnlichsten Teile verschmilzt. Derartige Prozesse können nicht am grünen Tisch, nicht in erster Linie auf der Basis von theoretischen Disputen vollzogen werden. Es ist der Klassenkampf der darüber entscheidet, welche Tendenz tatsächlich revolutionär wirkt. Es ist der Klassenkampf, der darüber entscheidet, welche Kräfte einer kräftigen, gefestigten und einheitlichen Internationale das Leben schenken können. Wir wissen, dass ein Fusionsprozess (der keine Versöhnung ohne Prinzipien sein darf) nur möglich ist, wenn es eine Tendenz gibt, die am Schlachtfeld bereits eine politische und organisatorische Hegemonie erobert hat, die bereits in der Praxis bewiesen hat, dass ihr Programm und ihre Methode relevante und sichtbare Ergebnisse zeitigen.
Heute kämpfen wir mit der Waffe der Kritik, um auf internationaler Ebene die besten Teile der proletarischen Avantgarde zu vereinigen, wohl wissend, dass es zum Aufbau einer zukünftigen Internationale unverzüglich notwendig ist, zur Kritik der Waffen überzugehen.