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„Eurobonds“ – Der falsche Sozialismus der französischen Sozialdemokratie

5. Juni 2012
Von A.F.Reiterer

François Hollande hat in seinem Wahlkampf die Ausgabe von Eurobonds versprochen. Eurobonds sollen den verschuldeten und vom Finanzkapital gehetzten Ländern des Olivengürtels – und vielleicht bald auch Frankreich? – zu niedrigen Zinsen bei der Refinanzierung ihrer Schulden verhelfen. Ist das nicht ein vernünftiges Anliegen? Wer möchte schon den Bank-Haien 11,7 % (derzeit, Mai-Ultimo 2012, Portugal für zehnjährige Staatsanleihen) in den Rachen werfen, wenn 2,5 % (derzeit Frankreich) oder gar 1,6 % (derzeit BRD) auch möglich sind?


Eurobonds sind der finanzpolitische Ausdruck einer akzentuierten Politik des „Weiter wie bisher“. Sie setzen die Währungsunion, die Ursache der derzeitigen Misere voraus und verewigen sie. Sie machen die „Schuldenbremse“ unumkehrbar, d. h. die Knebelung jeder aktiven Wirtschaftspolitik. Sie treiben also den Teufel mit Beelzebub aus. Wenig verwunderlich, dass die Kommission und insbesondere Baroso ein Fan der Eurobonds ist. Im „Grünbuch über die Durchführbarkeit der Einführung von Stabilitätsanleihen“ vom 23. November 2011 [KOM(2011)818] wird dies auch deutlich genug gesagt: Die „Stabilitätsbonds“, der Propaganda-Ausdruck für Eurobonds, sind ein ideales Mittel, um die Ziele der Kommission durchzubringen. Warum auch nicht? Solche Berichte lesen ohnehin fast nur solche, die mit der Brüsseler Mafia einverstanden sind. So kann man ohne Scheu nach verstärkter Zentralisierung und „unerlässlichen Vertragsänderungen“ rufen. Dieses Grünbuch sollte insbesondere in seinem 3. Teil eine Pflichtlektüre für Interessierte sein: Es ist nicht weniger als ein Programm für die Abschaffung nationaler parlamentarischer Demokratie.

Als sich in den 1990ern die Währungsunion abzeichnete, begannen die Zinsen für Länder wie Italien und auch Griechenland stark zu sinken. 1989 /1998 betrugen die durchschnittlichen nominalen Zinssätze im Schnitt z. B. für Griechenland 19 %, für Italien immerhin 10,1 %. Im Zeitraum 1999/2008, als man sich, auch auf dem Finanzmarkt, der Illusion hingab, dieses Konstrukt würde funktionieren, sanken sie in Griechenland um 3 Viertel, und in Italien um 2 Drittel. Mit diesen niedrigen Zinsen bot sich für Griechenland die Möglichkeit, über die dringliche Staatsreform wegzugleiten. Das Steuersystem wurde belassen, wie es eben heute noch ist; die Wohlhabenden konnten sich fast jeder Steuerleistung entziehen. Für die unteren Mittelschichten aber wurde mittels Klientelismus und Begünstigungen der eigenen Anhänger gewissermaßen eine dauernde Bestechungsprämie ausgegeben. Die Korruption blühte; der Militär-Etat ist mit 3,2 % des BIP der mit Abstand höchste in der EU und einer der höchsten in der entwickelten Welt.

Dann kam der Clash. Die Zinsen für die Randstaaten schossen in die Höhe. Aber sie sind noch immer in einem Bereich, der nicht höher als Anfang der 1990er ist. Warum dann eigentlich die große Aufregung? Das gilt übrigens auch für eine Reihe anderer Indikatoren. Doch durch die forcierte Zentralisierung ist offenbar die Sensibilität des gesamten Systems enorm angestiegen. Was seinerzeit nur teuer und unangenehm war, wird heute als untragbar betrachtet.

Eine verhängnisvolle Konsequenz dieser Zentralisierung war die Synchronisierung des Konjunktur-Zyklus. Das klingt technisch. Doch das Auf und Ab war früher selbst in eng verflochtenen Wirtschaften gegeneinander verschoben. Das dämpfte die Zacken nach oben und unten. Jetzt gibt es einen einheitlichen (west-) europäischen und darüber hinaus in der Tendenz einen globalen Zyklus. Das macht wirksame antizyklische Politik fast unmöglich. Es verschärft die Ausschläge. Aus jedem Abschwung kann nun eine die Bevölkerung bedrohende Krise werden. Das Geschehen seit 2008 zeigt dies nur zu deutlich. Österreich hatte in diesem Fall aus Gründen, die hier nicht diskutiert werden können, etwas Glück und ist selbst wenig betroffen.

Nun sollen Eurobonds, d. h. die Haftungsübernahme durch die Bevölkerung der zentralen Staaten, die Situation retten. Das wird für sie wieder ein „gutes Geschäft“ (© M. Fekter) werden: Bisher gelten für Österreich erst 1 ½ Milliarden als verloren; es wird ein Mehrfaches davon werden. Die Griechen sehen davon nichts, es geht direkt an die Banken. Wer in Österreich wird dies wohl zahlen?

Tatsächlich würden Eurobonds nichts anderes bedeuten, als dass die EU um jeden Preis die gegenwärtige Situation noch mehrere Jahre verlängerte und die Masse vor allem, aber nicht nur der wohlhabenderen Länder dafür zu zahlen hätte. Was das für die weitere Entwicklung der westeuropäischen Sozialstaaten bedeutete, kann man sich ohne große Phantasie ausmalen. Es heißt Kaufkraft-Verlust durch höhere Mehrwertsteuer, sinkende Pensionen und, z. B., Studiengebühren. Die Banken allerdings wären eine Zeitlang aus dem Schneider. So verwundert es auch nicht, dass diese Banken sich im Wesentlichen für die Eurobonds aussprechen. Sie hätten auf jeden Fall einen besseren Ertrag – derzeit ist das Zinsniveau in den Kernländern so niedrig wie nie in der Nachkriegszeit. Und darüber hinaus wäre für sie weitgehende Sicherheit gegeben. Die EU-Kommission und ihre Ideologen sorgen sich angeblich um „moral hasard“. Den betreiben Banken, die Kredite vergeben, ohne sich um die Zahlungsfähigkeit und ihre Folgen für die Länder zu kümmern. Die Bürger werden schon zahlen, bail out-Verbot hin oder her… Vergessen wir nicht: Im kleineren Ausmaß (klein?) haben wir Eurobonds ja schon (ESM, ESFS, MFA, Zahlungsbilanzhilfe nach Art. 143 AEUV)!

Die konservative deutsche Bundesregierung stellt sich – noch – gegen das, was deutsche Beamte in Brüssel ausschnapsen. Merkel beurteilt es wohl als selbstmörderisch, dies ihren Wählern aus der unteren Mittelschicht zuzumuten: Sie sollen nicht nur höhere Zinsen zahlen; sie hätten auch die Ausfallshaftung für Griechenland, Spanien, Portugal, Italien … zu übernehmen. Offenbar haben die Sozialdemokraten diese Skrupel nicht. Sie sind seit Längerem die eigentliche Partei der bürokratischen Eliten. Nicht einmal der Selbsterhaltungstrieb reicht aus, sie davon abzubringen.

Hier zeigen sich aber auch die Widersprüche der derzeitigen Konstruktion.

Das Imperium, die Brüsseler Bürokratie ist noch nicht selbständig. Noch hat die Kommission zu tun, was die Großen anschaffen und viele Kleinen, Faymann und Spindelegger z. B., devotest abnicken. Und noch fürchtet sich die deutsche Bundesregierung vor ihren Wählern und vor dem Bundesgericht. Das ist überhaupt ein guter Witz. Eine Bürokratie, wie sie kaum abgehobener sein könnte, ein deutsches Oberst-Gericht, bremst die Begehrlichkeiten einer anderen Bürokratie im Namen einer parlamentarisch-demokratischen Verfassung ein.
Der wesentliche Punkt ist einfach. Aber er wird so hinterhältig und verführerisch formuliert, dass nicht wenige, die ihre politische Moral nicht ganz verloren haben, darauf hinein fallen. Eurobonds spiegeln uns eine solidarische Haltung vor. Aber allein, dass dies zum Lieblingswort der Eliten geworden ist, müsste alle Alarmglocken schrillen lassen. Wenn Solidarität irgendwo keinen Platz hat, dann in dieser Welt der Haie. Die funktioniert nach dem Prinzip der Stärkeren. Wäre die EU eine sozialistische Insel in einem kapitalistischen Globalsystem, so wäre Hilfe für die ins Schlamassel Geratenen sinnvoll, und man könnte sie auch sinnvoll planen.

Aber das erinnert an die krude Sicht der alten Zweit- und Dritt-Internationalisten. Sie hielten auch Planung schon für Sozialismus. Eine Technik, nämlich die Planung, macht eine Gesellschaft noch nicht sozialistisch, nur bürokratisch. Daraus entstanden dann solche Absurditäten, dass man Despotien für sozialistisch hielt („Der sozialistische Staat der Inkas“, usf.).

Das nützt das Imperium, seine Bürokratie und seine intellektuellen Eliten.

Eurobonds, das bedeutet Solidarität mit den Banken und dem Finanzkapital; es bedeutet Solidarität mit korrupten Regierungen und Brüsseler oder Berliner oder Pariser Marionetten. Eurobonds, das ist die Hoffnung des bürokratischen Superstaats.

5. Juni 2012

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