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Salameh Kaileh: Kollaps des Assad-Regimes steht bevor

OKAZ und Union der Syrer im Ausland feiern Beginn des Ramadan mit Vortrag und Benifiz-Iftar


26. Juli 2012
Mohammad Aburous

Salameh Kaileh, ein palästinensisch-syrischer Schriftsteller und politischer Aktivist, hielt am 21. Juli im OKAZ einen Vortrag mit dem Titel „Ziviler Ungehorsam in Damaskus“. Die Veranstaltung war eine Zusammenarbeit zwischen dem OKAZ und der Union der Syrer im Ausland und fand am zweiten Tag des Fastenmonats Ramandan statt. Auf Vortrag und Diskussion folgte ein Benefiz-Fastenbrechen zur Unterstützung humanitärer Hilfsaktionen in Syrien.


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Salameh Kaileh hielt seinen Vortrag im Zeichen der unmittelbar zuvor begonnenen schweren Kämpfe in Damaskus und des Attentats auf hohen Würdenträger des Staates. Die derzeitige politische Situation deutet auf eine baldige Entscheidung des Kampfes hin sowie auf die Möglichkeit eines Sieges des Aufstands ohne ausländische Hilfe. Kaileh sprach von einem internen Wechsel im Apparat selbst, der danach einen Kompromiss mit Teilen der Opposition suchen wird. Gelingt das nicht, so könnte das Land ins Chaos abrutschen. Kaileh sieht in der Bevölkerung und in der Rebellenarmee keine Bereitschaft zum konfessionellen Bürgerkrieg, warnt jedoch vor Kräften, die mit der Unterstützung Saudi-Arabiens und des Westens die Volksrevolte in einen konfessionellen Bürgerkrieg verwandeln möchten. In diesem Zusammenhang kritisierte Kaileh Teile der Opposition, die einen konfessionalistischen Diskurs pflegen und forderte die Syrer im Ausland auf, neben Hilfsaktionen auch den politischen Diskurs über die syrische Revolution zu verdeutlichen.

Ende in Sicht

Kaileh beschrieb, wie das Regime seine vermeintliche soziale Basis verloren hat. Als Zeichen dafür gilt die Tatsache, dass der Aufstand die Großstädte Damaskus und Aleppo erreicht hat. Die bisherige Strategie des Regimes bestand einerseits in der gewalttätigen Niederschlagung friedlicher Proteste, und andererseits in Angstmacherei vor einem konfessionellen Bürgerkrieg bzw. vor Fundamentalismus. Diese Methode schien anfangs gewirkt zu haben, da sich die Ausbreitung der Proteste verlangsamte. Mehrere Gruppen und konfessionelle Minderheiten blieben am Anfang reserviert. Bei diesem Spiel wurde dem Regime jedoch von bestimmten Teilen der Opposition geholfen, die dem Aufstand tatsächlich einen sunnitisch-fundamentalistischen Charakter verleihen wollten.

Dass sich nun diese Gruppen auch gegen das Regime stellen, das resultiert aus dem Andauern des Volksaufstands und dem Unvermögen des Regimes, ihn zu beenden. Im Gegensatz: die Brutalität der Repression zwang die Bewegung zur bewaffneten Selbstverteidigung, während sich die Proteste allmählich auf alle Gebiete ausdehnten. Die Macht der Behörde fing an abzubröckeln. Das Ausfallen von Einnahmen (Ölexportstop und Entfallen von Steuereinnahmen) brachte das Regime in eine Finanzkrise, die es durch Drucken von Währung zu lösen versuchte. Die daraus resultierende Verteuerung vertiefte die sozialen Probleme und brachte weitere bisher passive Gruppen auf die Seite der Protestbewegung.

Der Übergang der Protestbewegung zum bewaffneten Kampf betrachtet Kaileh als eine natürliche Entwicklung in Anbetracht der Gewalttätigkeit des Regimes. Nach sechsmonatigem gewaltlosem Protest sahen sich die Aktivisten mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich gegen die bewaffneten Angriffe der Militärs und der Paramilitärs zu schützen. Die Involvierung der Armee in die Repression hat diesen Prozess beschleunigt.

Jetzt werden Zeichen der Schwäche des Regimes deutlich. Der Anschlag auf die „Krisenzelle“ der Regierung könnte entweder als interne Liquidierung oder als eine erfolgreiche Aktion der Aufständischen interpretiert werden. Beides deutet auf eine Vertrauenskrise innerhalb der Behörde hin. Große Teile der militärischen, polizeilichen und bürokratischen Apparate zweifeln an der Möglichkeit einer militärischen Entscheidung zugunsten des Regimes und sind bereit, mit den Aufständischen zu kooperieren. Auf der anderen Seite nimmt das Vertrauen des engen Kreises um Assad in die Staatsapparate ab und das Regime weicht auf treue Gruppen innerhalb und außerhalb des Apparates aus.

In Hinblick auf den bevorstehenden Wechsel erwägt Kaileh zwei Szenarien:

1. Interner Wechsel im Staatsapparat. Das kann stattfinden, wenn eine Gruppe die Situation retten will und einen Kompromiss mit Teilen der Opposition sucht, um die Übergangsperiode zu leiten. Auch Russland, das eine große Rolle bei der Unterstützung des Regimes spielte, ändert allmählich seine Position. Russland ist auf der Suche nach einem Träger der Übergangsphase, der auch russische Interessen sichert. Findet ein solcher interner Wechsel nicht statt, so würde das Regime bis zum bitteren Ende kämpfen, und es resultiert.

2. Chaos. Das kann durch weiteres Abbröckeln des Staatapparates und das Fehlen einer führenden Kraft innerhalb der Opposition entstehen.

Gefahr eines Bürgerkriegs

Auch wenn Kaileh das erste Szenario für wahrscheinlicher hält, warnt er vor Gruppen, die das zweite Szenario vorziehen und sich darauf vorbereiten. Unterstützt von Saudi Arabien und anderen Golfstaaten, arbeiten diese Gruppen daran, dem Aufstand ihren konfessionalistischen Charakter zu geben und verfolgen Ziele, die nicht den sozialen und politischen Forderungen der Massen entsprechen.

Die unterschiedlichen Interessen der internationalen und regionalen Spieler trugen zur Verkomplizierung der Situation bei:

Saudi Arabien stand vom Anfang an gegen die Demokratiebewegungen im Arabischen Raum und hatte Angst davor, dass diese das eigene Territorium erreichen könnten. In den ersten Monaten des syrischen Aufstandes unterstützte Saudi Arabien das Assad-Regime finanziell. Später unterstützten die Saudis islamisch fundamentalistische Kräfte innerhalb der syrischen Opposition mit dem Ziel, die Revolution zu beenden, indem diese von einer Volksrevolte gegen das Regime in einen konfessionellen Bürgerkrieg verwandelt wird. Saudi-Arabien und die imperialistischen Staaten möchten die Kampfdauer möglichst verlängern. Der Ausgang eines langwierigen Bürgerkriegs ist hier einerlei. Der Sieger wird dermaßen geschwächt sein, dass die Saudis ihre Bedingungen diktieren können.

Nichtsdestotrotz sieht Kaileh wenig Bereitschaft in der Bevölkerung, sich in einen konfessionellen Krieg hineinziehen zu lassen. Religiöse Minderheiten, die anfangs Angst vor Fundamentalismus hatten, treten heute vermehrt gegen das Regime auf. Auch unter Alewiten ist die Unterstützung weniger stark als dargestellt wird. Es sei eine Aufgabe der Opposition, so Kaileh, diesen Gruppen die Ängste und das Misstrauen durch vertrauenerweckende Haltungen zu nehmen. Selbst das Heer der Schläger besteht nicht nur aus Alewiten. In Aleppo zum Beispiel waren die Schläger keine Alewiten. Die Wurzeln dieses Phänomens liegen in der organisierten Kriminalität, die von den Assads geführt und später als para-militärische Struktur institutionalisiert wurde. Die Schläger stammen aus unterschiedlichen Konfessionen und sind bei allen verhasst.

Aufstand umstritten, weil Analysen mangelhaft

Unter den arabischen Aufständen war der syrische Aufstand am umstrittensten. Solidarische Kräfte, die bei den Aufständen in Tunesien, Ägypten, Bahrain und sogar Libyen auf der Seite der Aufständischen waren, konnten sich über Syrien nicht einigen. Grund dafür ist die offizielle, unterstützende Haltung zum palästinensischen Widerstand. Nach Kaileh liegt der Fehler in dieser Debatte im vergangenheitsbehafteten Verständnis der Situation in Syrien und der mangelhaften Methode, die nur den Imperialismus und seine offiziellen Gegner sieht.
Tatsächlich fanden in Syrien seit den 1990er Jahren große wirtschaftliche Veränderungen in Richtung Liberalisierung statt. Der Prozess wurde 2000 nach der Machtvererbung an Baschar Assad beschleunigt. Seit 2007 ähnelt die Situation in Syrien jenen der anderen Ländern in der Region, wo die Aufstände stattfanden: Mafiöse Kontrolle der Machthaber über die wichtigsten Sektoren der Wirtschaft, eine Arbeitslosenrate von 30% und zunehmende Armut durch die zunehmende Kluft zwischen niedrigen Löhnen und Preisen, die mit westlichen Ländern vergleichbar sind. Syrien ist in die globalisierte Wirtschaft vollständig eingegliedert. Das Wirtschaftsabkommen mit der Türkei beschleunigte den Kollaps der syrischen Industrie und Landwirtschaft.

Dieser Aspekt, so Kaileh, wird in vielen Analysen nicht berücksichtigt, die nur die politische Ebene sehen wollen.

Die zweite Fehlerebene sieht Kaileh im Verständnis der internationalen Situation im Kontext der Wirtschaftskrise. Die Fähigkeit der Imperialismen, Abläufe zu kontrollieren ist zurückgegangen. Der Imperialismus ist nicht in der Lage, eine solche „Verschwörung“ wie den Aufstand in Syrien zu organisieren. Im Gegensatz dazu ist er jedoch zu einem Hegemonieverzicht gezwungen.

Die USA ist nicht in der Lage, eine direkte Rolle im syrischen Inland zu spielen. Sie tendieren zu einem Kompromiss mit Moskau und überlassen europäischen Staaten, der Türkei und Saudi-Arabien die Versuche, Einfluss zu nehmen. Auch wenn diese in der Übergangsphase diesen Einfluss durch Übereinkünfte mit den Islamisten sichern wollen, so kann dies die Probleme nicht lösen, die zum Aufstand geführt haben. Kalileh setzt auf die neuen politischen Kräften aus den Massenbewegungen, die wie in den anderen arabischen Länden den Kampf fortsetzen werden.

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