In 10 Foren innerhalb von 4 Tagen sollte versucht werden die verschiedensten Kräfte aus dem Arabischen Raum mit RepräsentantInnen der europäischen Revolte zusammen zu bringen. Es waren Vertreter und Vertreterinnen aus Ägypten, Tunesien, Syrien, Libanon, Bahrein, Griechenland, Italien, England und den USA gekommen.
Bei der gemeinsamen Diskussion kamen die Differenzen klar durch. Zum einen die Diskussion der griechischen Linken untereinander. Über die notwendige strategische Ausrichtung des Widerstandes gegen die Troika auf der einen Seite und auf der anderen Seite die inner-arabische Diskussion zur Haltung und Bewertung der Tahrir-Bewegung im Kontext der Entwicklungen in Syrien.
Bei allen Kontroversen und politischem Pessimismus der europäischen Linken, ist es doch gelungen eine Brücke zu den verschiedenen Positionen zu schlagen. Zum Ausdruck kam dies vor allem durch die Einsicht, dass der gemeinsame Kampf in der Region gegen die proimperialistischen und zionistischen Kräfte eine gemeinsame Front nötig macht, die letztlich die Gegensätze zwischen antiimperialistischem Widerstand und demokratischer Volksbewegung beseitigt.
Aber es gilt zur Kenntnis zu nehmen, dass aufgrund der Widersprüchlichkeit oder besser Uneindeutigkeit der Entwicklungen im arabischen Raum die Spaltung der antiimperialistischen Kräfte existiert und anhält.
Im Arabischen Raum wie z.B. in Ägypten findet innerhalb der linken Tahrir-Kräfte eine kontroverse Auseinandersetzung statt.Dabei steht die Bewertung des Verhältnisses der Muslimbrüderschaft zum Militärrat, zu den USA und zu den Golf Cooperation Concil (GCC)im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen, die sich letztlich um die Frage drehen: Sind die Muslimbrüderschaft und der von ihnen gestellte Präsident Mursi bereits ein Regime der Restauration gegen die demokratische Volksbewegung oder weiter ein Teil der Bewegung selbst?
In Europa führt diese Spaltung und der anhaltende politische Pessimismus dazu, dass selbst in der aktuellen politischen und sozialen Krise, die Linke keine solidarische Position zur Tahrir-Bewegung (Jugend, Frauen, Unterklasse, Linke, Nationalisten, Liberale und islamische Kräfte) entwickelt.
Vielmehr spaltet sich die Linke in Europa heute in zwei Lager. Während ein Teil die Widerstandsbewegung vorbehaltlos unterstützt, ist der andere Teil dazu übergegangen in der Tahrir-Bewegung eine Verschwörung des Westens gegen den antiimperialistischen Widerstand zu sehen- der zum Teil antiislamische Züge trägt. Wenn auch zu Recht Kritik an der Muslimbrüderschaft in Ägypten und der Ennahda in Tunesien geäußert wurde, so ist und bleibt die Frage bestehen:
Ist die geäußerte Kritik eine Kritik die man in einem Bündnis äußert, gegen Kräfte also mit denen man gemeinsam die alte amerikanische Ordnung im Nahen Osten gestürzt hat? Oder aber sind diese Kräfte heute nicht mehr Teil der Lösung sondern Teil des Problem, gegen die sich der Kampf heute genauso entwickeln muss wie gegen die alte Ordnung?
Sind die Entwicklungen abgeschlossen? Sind mit der zunehmenden Bedeutung der islamischen Kräfte die demokratischen Volksaufstände am Ende? Wer die letzte Frage mit ja beantwortet muss den Aufständen ihre sozialen und politischen Forderungen absprechen. Der oder die muss rückwirkend die Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und Demokratie, die sich in den Forderungen nach Brot, Würde und sozialer Gerechtigkeit ausdrückten, leugnen.
Die Geschichte der Entwicklung der Tahrir -Bewegung wird in der Weise dann umgeschrieben, dass der Motor für die Dynamik, nämlich die demokratische Volksbewegung, verschwindet. Dies wird besonders deutlich an der Auseinandersetzung im Kontext mit den Entwicklungen in Syrien. Für einen Teil der internationalen antiimperialistischen Linken, ist der Versuch der USA und des Golf Cooperation Council (GCC), durch die Unterstützung der bewaffneten Opposition in Syrien, Einfluss auf die Entwicklung zu bekommen Beweis genug für das Scheitern der Tahrir-Bewegung. Der Pawlowsche Reflex führt dazu sich auf das geopolitische Schachbrett zurück zu ziehen, auf dem die aufbegehrenden Unterklassen in Syrien kein politisches Subjekt mehr sind und auf dem das syrische Regime zu einer strategischen Figur im Kampf gegen den Imperialismus wird.
Statt also die Ereignisse im arabischen Raum in ihrer historischen Bedeutung zu begreifen und die politischen Möglichkeiten darin zu sehen, gerade weil sie mit der Krise im amerikanischen System zusammenfallen, verschanzen sich Teile der antiimperialistischen Linken hinter einem verfaulenden Status quo, der aktuell von der demokratischen Volksbewegung zu Grabe getragen wird.
Wie und ob es gelingen kann diese Spaltung zu überwinden war Diskussion vieler Foren. Es hat sich aber gezeigt, dass es Möglichkeiten gibt diese zu überwinden. Das man sich dabei gemeinsam gegen eine US-amerikanische/westliche Einmischung und Intervention richtet, war dabei natürlich breiter Konsens in den Diskussionen.
Der zweite große Block der Zusammenkunft bezog sich auf die Entwicklungen in Griechenland und Italien. Es waren Vertreter von Syriza und Antarsya aus Griechenland zugegen, und Vertreter verschiedenster Bewegungen aus Italien. Hier war vor allem von Interesse zu hören in welchen Zustand sich die verschieden Bewegungen befinden, welche Diskussionen stattfinden, und was unmittelbar in den nächsten Monaten zu erwarten ist. Insbesondere wurde über die Situation vor den Wahlen und heute in Griechenland berichtet. Von mehreren Rednern wurden insbesondere kritische Punkte angemerkt: Die Frage nach dem Austritt aus der EU und dem €uro – Währungsverbund, die Diskrepanz zwischen Selbstorganisation der Massen und den Organisationen der Linken, die Frage der Bündnisse in der Linken und das Erscheinen und die Gefahr des Neofaschismus. Dabei zeigte sich in den Debatten zu Griechenland, wie notwendig ein solidarischer Streit in der Linken ist, um sich gegen die Angriffe der Troika zu wehren und eine Perspektive zu entwickeln.
Den Blick auf Europa gerichtet, mit dem Wissen über den Stand der Bewegung in Griechenland ausgestattet, können wir klar sagen, dass wir im Rest von Europa noch sehr weit am Anfang stehen.
Lasst uns den Widerstand mit der Demokratie verbinden, dann werden wir sicher weiter fortschreiten im Kampf gegen Neoliberalismus und Krieg.
Duisburg, den 03.09.2012