Herr von Sponeck, Sie haben den Aufruf der Internationalen Initiative zur Beendigung des Krieges in Syrien unterschrieben. Da heißt es »Ja zur Demokratie, Nein zur militärischen Intervention«. Was ist das Ziel dieser Initiative?
Wir wollen dazu beitragen, dass eine diplomatische Lösung, die auf internationaler Ebene eingefroren wurde, wieder aufgetaut wird. Insbesondere im UNO-Sicherheitsrat muss das Gespräch zwischen den Vetomächten wieder aufgenommen werden, um die kriegerische Auseinandersetzung in Syrien zu stoppen.
Der ehemalige UNO-Sondervermittler für Syrien, Kofi Annan, hatte im Juni dieses Jahres in Genf eine Vereinbarung für Syrien vorgelegt, die die Vetomächte unterzeichnet haben. Kürzlich kritisierte Annan, dass die USA, Frankreich und Großbritannien genau in die entgegengesetzte Richtung gegangen seien und die Vereinbarung zu Fall gebracht hätten.
Ich glaube, ein Grund für Annans kritische Äußerungen ist, dass sein Vorschlag, Iran in die Verhandlungen und in Friedensgespräche einzubeziehen, von den USA und Großbritannien abgelehnt wurde. Das ist auch der Hauptgrund, weshalb er seinen Vermittlerauftrag zurückgegeben hat. Die westlichen Staaten wollen nicht verstehen, dass in einer Krise wie in Syrien alle an einen Tisch gehören. Man kann nicht – wie so oft von den Amerikanern gemacht – nur mit denen Gespräche führen, die auf der eigenen Seite stehen. Das ist das große Verhängnis.
Wie hat doch Russlands Außenminister Sergei Lawrow immer wieder mit absolute Berechtigung gesagt: Der Sicherheitsrat ist nicht dazu da, um über Regimewechsel zu entscheiden. Die Amerikaner, Briten und Franzosen haben aber eine andere Meinung dazu. Die UNO hat überhaupt keine Rolle mehr gespielt.
Übernehmen die »Freunde Syriens« die Rolle des UNO-Sicherheitsrates?
Sicherlich nicht, denn diese Freunde sind ja sehr einseitig alle Freunde der Franzosen, Amerikaner und Briten. Die Chinesen und die Russen haben eine ganz andere Position zu Syrien. Der erste falsche Schritt war schon, dass dieser Freundeskreis überhaupt nicht bereit ist, einen Dialog mit dem Assad-Regime zu führen.
Auch die Bevölkerung in Syrien wird in diesen Prozess nicht einbezogen. Wollen Sie mit der Initiative »Ja zur Demokratie, Nein zur militärischen Intervention« auch ein Signal an die Zivilgesellschaft geben, aktiver für eine friedliche Lösung einzutreten?
Das trifft nicht nur für die Zivilgesellschaft in Syrien zu. Die europäische Zivilgesellschaft muss sich sehr viel stärker einbringen und deutlich machen, dass es so nicht geht. Alle gehören an den Verhandlungstisch, idealerweise auch die syrische Regierung. So weit denken die Staaten, die sich in Marokko getroffen haben, aber nicht, weil sie gar keine friedliche Lösung mehr verfolgen. Zwar sind die Amerikaner nicht mehr, wie noch im Falle Iraks 2003, aktiv mit ihren Truppen beteiligt, aber im Hintergrund schwingen sie weiter den Taktstock und geben den Ton an.
Der Bundestag hat über die Stationierung von Patriot-Raketen und Soldaten im türkisch-syrischen Grenzgebiet entschieden. Ist das hilfreich?
Hilfreich? Überhaupt nicht! Der ganze Ansatz ist eine Provokation. Als ob die Syrer jetzt daran dächten, die Türkei anzugreifen! Damit wird nur das ohnehin aufgebaute Feindbild Syrien weiter aufgebauscht. Für uns Deutsche ist diese Stationierung von Patriot-Raketen tragisch. Ich bin entsetzt darüber, dass die Bundesregierung sich dazu hat verleiten lassen, dass wir so leichtfertig das letzte politische Kapital in der Region, das wir haben, unser Ansehen, verspielen, indem wir uns an dieser Raketenstationierung beteiligen.