Der Spiegel-Artikel zeigt deutlich die Verwirrung und die Furcht die die italienischen Wahlen in der deutschen Bourgeoisie ausgelöst haben. Das „Vierte Reich“ hatte sich eine Erschütterung erwartet aber nicht ein Erdbeben von diesem gewaltigen Ausmaß. In Berlin hat man ruhig geschlafen, man glaubte dass der antideutsche Berlusconi schon im Graben lag und dass dem treu zum deutschen Austeritätsdiktat stehenden Duo Monti-Bersani der Wahlsieg gelingen werde.
Doppelte Ohrfeige: der antideutsche Berlusconi ist immer noch sehr lebendig und, noch schlimmer, die Flut der Fünf Sterne Bewegung ist gewaltiger als gedacht.
Die Italiener haben nicht nur all jene Opfer, die man ihnen aufzwingen will um einen wackligen Euro zu retten, abgelehnt. Sie haben, wenn auch noch chaotisch und in Form der Protestwahl, ein klares Zeichen für die Souveränität zum Ausdruck gebracht. Es ist noch nicht das volle Bewusstsein um die Notwendigkeit eines Austritts aus dem Euro und für die nationale Währungssouveränität, aber viel fehlt nicht.
Dass die Italiener eine latente Tendenz für die Souveränität geäußert haben, haben die Mächtigen in Europa verstanden. Das Signal ist laut und stark auch in Berlin angekommen und es herrscht Panik: die deutsche Hegemonie ist in Frage gestellt, nicht vom kleinen Griechenland, sondern vom großen Italien und wenn diese Tendenz nicht rechtzeitig gestoppt wird, wird es für die technokratischen Pläne eines oligarchischen Europas unter deutscher Hegemonie das Ende bedeuten.
Wie versucht nun die Pro-Euro-Armee ihre Gegenoffensive zu organisieren? Der Artikel des Spiegel hilft uns das zu verstehen. Er kündigt eine kräftige ideologische Offensive an um die Fünf Sterne Bewegung unter Druck zu setzen und zu vernichten. Und da wir über eine ideologische Offensive sprechen, wundert es nicht, dass die ersten Angriffe von der kultivierten und „fortschrittlichen“ Intelligenzija kommen. Der Artikel im Spiegel ist ein Appel zur allgemeinen Mobilisierung der europäischen Eliten.
Jan Fleischhauer spricht klare Worte und zitiert den englischen Kollegen Nicholas Farrel, der Beppe Grillo als einen neuen Duce bezeichnet: „Mussolinis Faschismus war schwarz, Grillos ist grün, aber beide haben ein rotes Herz“. Schon wieder wird in der öffentlichen Debatte der Geist des „rot-braunen Blocks“ angerufen.
Es ist also klar was der Kriegsruf bedeutet. Einmal die Parallele geschaffen, lautet die Parole die angeblich wiedererwachenden neo-faschistischen Triebe des italienischen Volkes zu bekämpfen und zu vernichten. Mit guten, und falls sie nicht ausreichen, mit bösen Mitteln.
Welche guten und welche bösen Mittel? Die guten Mittel könnten Zugeständnisse an Italien sein, die harte Sparpolitik zu lockern, ohne natürlich den Bilanzausgleich, den Fiscal compact, und die Lohndeflation zur Exportankurbelung anzutasten. Aber auch kleine Zugeständnisse scheinen unwahrscheinlich.
Ich tendiere zu glauben, dass die Euro-Oligarchen, auch wenn sie derzeit noch eine abwartende Haltung haben, in der Hoffnung dass ihre italienischen Prokonsuln selbst eine Lösung finden (vielleicht auch durch neue Wahlen), sich schon für die bösen Mitteln entschieden haben.
Was das bedeutet hat Emiliano Brancaccio erklärt: um zu vermeiden, dass die italienische Krise den Euro zerreißt, wird Rom erlaubt den Euro zu verlassen. Ein Austritt von rechts, schreibt Brancaccio. Die neoliberalen Eliten werden den Austritt planen, um ihn so zu lenken dass seine Kosten nur das arbeitende Volk bezahlen wird. Das strategische Projekt des Euro wird so aufrecht erhalten und eine Tür für die Wiederkehr Italiens nach einer Sanierung offen gelassen, ähnlich wie es schon im Jahr 1992 geschah mit dem kurzen Austritt der Lira aus dem SME.
Die antifaschistische ideologische Offensive ist offensichtlich rein funktional: man muss die Italiener terrorisieren, sie zwingen Beppe Grillo den Rücken zu kehren, sonst gibt es großen Ärger. Diese Drohung muss ernst genommen werden.
Die paranoide deutsche Intelligenzija erhebt sich zum Richter und Inquisitor gegen die wieder auflebenden Souveränitätsbestrebungen der Italiener. Diese pseudoliberale und pseudolinke Intelligenzija behauptet, sie hätte das Recht dazu. Sie hat mehr als alle anderen die Denkweise der Globalisierung made in USA angenommen und jeglicher Form des nationalen Patriotismus abgeschworen, den sie als Nazi-Revanchismus sieht.
In Wirklichkeit deckt dieser “Globalismus made in Germany“, der behauptet er sei rein demokratisch da „anti-national“, die wiederkehrenden und aggressiven deutschen imperialistischen Hegemoniebestrebungen, er verbirgt den unermesslichen Nationalstolz der deutschen Bourgeoisie. Eine Vorherrschaft die nicht mit Panzern, sondern unter den Schlägen einer ökonomischen Kriegsmaschine vorangetrieben wird.
Die italienischen Revolutionäre müssen aufpassen: die militärische Nazi-Besatzung von Europa hat den antifaschistischen Partisanenwiderstand hervorgerufen. Die deutsche ökonomische Besatzung des Finanz-, Banken- und Währungssystems könnte in den zermürbten Ländern einen nationalen Widerstand in Form eines neofaschistischen Revanchismus auslösen.
Es wäre ein strategisch katastrophaler Fehler, ein politisches Verbrechen, zu denken man könnte dieses Risiko bekämpfen indem man die imperialistische Intelligenzija nachahmt, ihre dämonisierende Kampagne gegen die M5S unterstützt, die diese nicht nur als populistische Bewegung sondern Grillo auch als neuen Mussolini bezeichnet. Die M5S hat den Aufschrei der Massen gegen eine Kaste von korrupten Lakaien und ihre Pro-Euro Auftraggeber kanalisiert. Diesen Ruf für die Souveränität als reaktionär zu verurteilen, die dämonisierende Vernichtungskampagne gegen den „Grillismus“ zu unterstützen, wäre der beste Dienst für die herrschenden Klassen.
Die Wählerstromanalyse beweist, dass die M5S nicht nur die Partei ist, die die meisten Stimmen bei den Arbeiter bekommen hat, sondern Stimmen quer durch das Parteienspektrum , von links, von recht und vom Zentrum. Nur so konnte der große Erfolg erreicht werden.
Die Revolutionäre müssen diese Bewegung begleiten, sie vor der Belagerung schützen, sie unterstützen falls sie wirklich regieren will. An diesem Punkt der systemischen Krise stellt sich nicht mehr nur die Frage wie die Proteste der Massen zu erweitern sind, sondern wer in diesem Land die Macht übernehmen wird, um eine ökonomische und soziale Katastrophe von historischem Ausmaß zu verhindern.
Vor dieser Herausforderung wird die M5S mutige Positionen einnehmen müssen und es ist sehr unwahrscheinlich dass die Bewegung so bleiben wird wie sie ist. Ihre antikapitalistischen Strömungen werden hervortreten und sich gegen die moderaten und bourgeoisen Strömungen stellen müssen, die sich erschrocken vor der Herausforderung einer Lösung der Krise zugunsten der Arbeiter zurückziehen werden. Das wissen die schlauen Füchse der herrschenden Klassen und sie werden die M5S von allen Seiten attackieren um sie von ihrem radikalen und sozialistischen Flügel zu bereinigen.
Es ist nicht im Interesse der Arbeiter, dass das passiert. Im Gegenteil es ist in ihrem Interesse die M5S nach vorne zu treiben, sie zu zwingen ihr Programm für die Rettung des Landes genauer auszuarbeiten und den Worten Taten folgen zu lassen. Und wenn die herrschenden Seilschaften versuchen werden zu sabotieren, dann wird der richtige Zeitpunkt gekommen sein um sie wegzufegen.
Was Beppe Grillo gestern in seinem Blog geschrieben hat lässt uns hoffen. Es zeigt Bewusstsein über das was aufs Spiel steht: „In Italien hat eine legale Revolution angefangen. Vielleicht gelingt es ihnen, sie zu stoppen, aber nicht durch die Rufe ihrer Sirenen. Wir sind jetzt im Krieg und wenn wir schon sterben werden, dann werden wir es nur auf dem Schlachtfeld der nächsten Wahlen tun. Ein Sprung ins Unbekannte ist besser als ein intellektueller Selbstmord“.