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Alexis Tsipras bereitet sich aufs Regieren vor

23. September 2013
Von Gernot Bodner, Antiimperialistische Koordination

Bericht vom Vortrag des Vorsitzenden der Partei Syriza in Wien


Auf Einladung des Bruno Kreisky Forums referierte der Vorsitzende der Syriza, Alexis Tsipras, am Freitag, 20. September, in Wien. Mit Erstaunen berichteten die österreichischen Medien, dass Tsipras sich in Wien von seinem populistischen Anti-Europakurs abgewendet hatte (ZIB2). Man kann vom österreichischen Journalismus keine tiefere Kenntnis der immer schon pro-europäischen Programmatik („soziales Europa“) von Synaspismos, der führenden Gruppierung in Syriza, der Tsipras angehört, erwarten. Das Aufhorchen angesichts von Tsipras „versöhnlichen“ Tönen ist dennoch symptomatisch für die politische Dynamik von Syriza.

Der Kern seiner Argumentation war, dass das Sparprogramm, das die Troika Griechenland auferlegt hat, gescheitert ist und es daher im Interesse des gemeinsamen Europas ist, einen anderen Weg (Schuldenschnitt, zeitlich begrenztes Aussetzen der Rückzahlungen, deren Bindung an das Wirtschaftswachstum, etc.) einzuschlagen. Alle Aspekte in Tsipras Argumentation sind zweifelsfrei wahr und kein Geheimnis (Anwachsen der Staatsschuld durch Abwürgen der Wirtschaft, Nutzen der Hilfsgelder für die Banken der Geberländer, humanitäre Katastrophe im Land). Nur die neoliberale Starrköpfigkeit in Deutschland und Europas Angst vor dem politischen Schlag bei Eingestehen des Scheiterns der verordneten Medizin verhindern eine rationale Linie, die Griechenland mit einem Schuldenerlass entgegenkommt.

Es ist bekannt, dass Tsipras mittlerweile selbst im zentraleuropäischen Meinungsapparat von intelligenteren Teilen als mögliche Alternative anerkannt ist, insofern er nicht aus dem alten Klientelapparat von PASOK und Nea Demokratia kommt. Mit ihm kann potentiell ein Staat gemacht werden, im Interesse der Stabilität Europas und bei verkraftbaren Kosten für das Finanzkapital.

Tsipras Argumentation kann als Vorbereitung auf die Übernahme von „Regierungsverantwortung“ gelesen werden. Er setzt darauf, die europäischen „Partner“ mit etwas Druck überzeugen zu können. Auch geht es ihm um den durchaus greifbaren Wahlsieg im eigenen Land mit dem Ziel einer Linksregierung (Mit wem? Welche Rolle kommt dabei der PASOK zu?). Es besteht kein Zweifel, dass die fehlenden/wackelnden Prozente trotz der katastrophalen Lage eher mit einer moderaten, „staatstragenden“ Linie zu gewinnen sind als durch eine konfrontative revolutionäre Rhetorik.

Einige untergeordnete Formulierungen in Tsipras Vortrag ließen dies
erahnen: Auf die Frage der Gefahr eines rechten Putsches gegen eine Syriza-Regierung antwortete er, dass in Polizei und Militär ein verfassungstreuer, demokratischer Konsens herrsche. Nun ist zweifellos ein Rechtsputsch für Europa keine Option (mit den antieuropäischen Nazis der Goldenen Morgenröte ist kein Staat zu machen). Dennoch ist es weithin bekannt, dass die Goldene Morgenröte eine Polizei- und Militärpartei ist. Warum also dermaßen versöhnliche Signal zu jenen, deren Job es ist linke Demonstrationen anzugreifen und die nach Dienstschluss Ausländer jagen? Oder auf die Frage seiner Haltung zu gewaltbereiten Demonstranten aus seinen eigenen Reihen. Antwort: für das demokratische Recht auf Demonstrationen, aber wer ihm Namen von Gewalttätern aus seiner Partei nennen könne, dem versichere er, dass er diese der Staatsanwaltschaft melden werde. Bei aller unvermeidlichen Diplomatie angesichts solcher Fragen; eine derartige Antwort ist einfach ein Schlag gegen die kämpferischen Bewegungen, die sich mit der ganzen Gewalt des Staatsapparats und der Nazis auseinandersetzen müssen.
Geht man davon aus, dass all das nötig ist, um die Wahlen zu gewinnen, um „an die Macht zu kommen“, dann ist die entscheidende Frage, wie eine mögliche Linksregierung unter einem Premier Tsipras reagieren wird, wenn Europa nicht nachgibt. Dieses Szenario ist durchaus wahrscheinlicher, als dass die EU plötzlich „mea culpa“ ruft und sich mit Tsipras vernünftig verständigt. Wird Tsipras die Konfrontation akzeptieren, mit all dem Risiko einer Dämonisierung, Isolation und dem totalen Bruch?

Kann eine Partei und ihre Wählerbasis, die auf „Verantwortung“ eingeschworen sind, dann doch auf Konfrontation umgestellt werden? In der Logik: die Macht übernehmen wir moderat, aber eigentlich bereiten wir im geheimen den Krieg vor? Wir glauben nicht, dass das die Idee in den Köpfen der Synaspismos ist. In einem zu erwartenden Kräftemessen mit Europa scheint es viel wahrscheinlicher, dass eine Linksregierung Tsipras sich der Eskalation nicht stellen wird und soweit nachgeben wird, dass sie mit ein paar kosmetischen Änderungen weiterhin im gemeinsamen Haus Europa bleiben kann.

Die „antifaschistische Einheitsfront“, die nach dem Mord an Pavlos Fyssas durch einen Anhänger der Goldenen Morgenröte von Brüssel bis Syriza alle beschwören, kann eine Vertiefung des Konsenses unter den Gemäßigten werden. Man erinnere sich an die Anti-Berlusconi-Allianz, die die Linke in den liberalen Mainstream brachte.

Die griechische radikale, anti-europäische Linke mag vorübergehend durch den Erfolg von Syriza geschwächt worden sein. Es ist jedoch keineswegs auszuschließen, dass ihr Moment kommen wird. Die Krise Europas ist keineswegs gelöst und eine konsequente anti-EU Linie kann sich mittelfristig durchaus auszahlen. Auch in Italien wurde das Randphänomen Grillo zum Kristallisationspunkt der Unzufriedenen, nachdem die Linke in allen wesentlichen politischen Fragen Teil des Establishments geworden war.

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