Europa steckt in einer strukturellen Wirtschaftskrise fest, die Währungsunion wird entweder zerfallen oder Südeuropa in der Depression halten, dazu ein Bankensystem, das für eine staatliche Rettung eigentlich zu groß ist: Man könnte sagen, dass die österreichische Politik vor gewaltigen Herausforderungen steht. Interessanterweise spielt all das im Wahlkampf keine Rolle.
Werner Faymanns Sozialdemokratie setzt „mit sicherer Hand“ auf einen „Amtsinhaber-Stabilität-Merkelbonus“. Der wird seine Wirkung nicht verfehlen, besonders spannend ist das aber nicht. Die christlich-sozialen plakatieren Kulturkampf: Rot-Grün bringe Zwangskindergarten ab dem ersten Lebensjahr. Könnte wirken, sofern das irgendjemand glauben würde, an den wesentlichen Themen geht aber auch das vorbei.
Der austrokanadische Milliardär Frank Stronach wird einen Wahlerfolg einfahren (bis zu 10 Prozent), es ist aber nicht so einfach herauszufinden, was er eigentlich will. Der angedeutete Ultraliberalismus versteckt sich hinter schwer verständlichem Deutsch und fortgeschrittenem Alter.
Grüne und FPÖ haben derweil das Christentum entdeckt – als Erben des Atheismus der Neuen Linken, sowie des deutschnationalen Antiklerikalismus ist das eigentlich ganz lustig. Die FPÖ macht Ausländerwahlkampf brutal mit Bibelsprüchen: „Liebe Deinen Nächsten – Für mich sind das unsere Österreicherinnen und Österreicher“.
Und die Grüne Obfrau Eva Glawischnig posiert im Wahlkampffinale als Jesus Christus mit einem weißen Lamm auf dem Schoß. Nach einer Kampagne, die sich in erster Linie um das Thema Korruption gedreht hat, nimmt sie hinweg die Sünde der Welt. Die wirklich entscheidenden Themen werden aber ebenfalls ausgelassen, beziehungswese verschleiert – mehr dazu weiter unten.
Der Wahlkampf lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Österreich bereitet sich darauf vor, sich weiter durch die große Krise durchzuwurschteln, ohne die entscheidenden Probleme auch nur anzusprechen. Wahrscheinlich will sie auch niemand hören, zu gering die Lust sich aus der Ruhe wecken zu lassen, zu verstörend die globale und kontinentale Krise, die letztlich doch als jenseits eigener Handlungsmöglichkeiten empfunden wird.
Bisher hat das Durchwurschteln auch nicht besonders schlecht funktioniert. Die Arbeitslosigkeit ist die niedrigste der Eurozone, ein Kollaps des Bankensystems konnte verhindert werden, von einer tiefen Krise bekommt der Durchschnittsbürger wenig mit. Das liegt einmal an einem gewissen Pragmatismus in der Wirtschaftspolitik. Was die Geschwindigkeit der Budgetkonsolidierung und die Bedeutung der Gesamtnachfrage betrifft, steht auch die konservative ÖVP links von der rein angebotsseitigen orthodoxen Wirtschaftspolitik der deutschen sozialdemokratischen Opposition. Von Wolfgang Schäuble ganz zu schweigen. Während SPÖ und ÖVP das liberale Mantra vom Schuldenabbau heftig nachbeten und auch der EU-Fiskalpakt sofort unterschrieben wurde (nur nicht auffallen), lässt man sich mit den ganz wilden „Strukturreformen“ ein bisschen Zeit – was der Beschäftigung natürlich guttut.
Und aus einer strukturellen Bankenkrise hat man ein Narrativ der dummen und korrupten Landespolitiker gemacht. Die Salzburger, die sich verspekulieren, und die unzurechnungsfähigen Kärntner, die der Hypo-Alpe-Adria umfassende Landesgarantien gegeben hätten. Weshalb man diese, leider, leider, retten müsse. Kein Wort davon, dass das Bankensystem der Hauptprofiteur von 20 Mrd. zusätzlichen Staatsschulden ist. Der Korruptionswahlkampf der Opposition stützt diese Erzählung: Er macht aus einer strukturellen Wirtschaftskrise ein Lehrstück über Moral und Anstand.
Nur: Wenn die entscheidenden Dinge nicht entschieden werden können und nicht einmal debattiert werden, wenn die Regierung ihre Wirtschafts- und Krisenpolitik hinter Batterien von Nebelwerfern verbirgt und die Opposition im Wesentlichen nichts dagegen hat, dann ist man zu einer Operettendemokratie geworden.
Nicht, dass man nichts mehr mitentscheiden kann: Wir dürfen entscheiden ob Eva Glawischnig gute Figur als Messias abgibt, ob die Hand des Werner Fayman uns sicher genug erscheint, oder ob Michael Spindelegger doch der bessere Staatsmann sei. Aber über die Zukunft der Eurozone wird nicht einmal debattiert, das scheint sich irgendwo zwischen Berlin, Brüssel und Paris abzuspielen. In jedem Fall hat es mit Österreich angeblich nichts zu tun.