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Kommunist, kritischer Geist, Grantler

Werner Pirker hat uns verlassen


16. Januar 2014
von Wilhelm Langthaler

Werner war ein wirklicher Kommunist, mit Herz und Hirn, mit Leib und Seele.


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Als ich ihn Anfang der 90er Jahre kennenlernte, lag das wichtigste Ereignis seines Lebens schon hinter ihm: der Zusammenbruch der Sowjetunion. Diese historische Niederlage, das Scheitern eines ganzen Jahrhunderts der Emanzipation, prägte ihn zutiefst. Es war die tiefere Ursache seines Zorns nach außen, der bisweilen in Grant – auch nach innen gerichtet – umschlagen konnte.

So sehr er am Ziel des Kommunismus festhielt, so sehr suchte sein kritischer Intellekt nach den Ursachen des Scheiterns. Diejenigen, die ihn als Dogmatiker sehen wollten, irrten. So verstand unter seinen Freunden kaum jemand, warum er die Chrustschow’schen Reformen auch retrospektiv befürwortete. Wozu er sich niemals durchringen konnte, war den ungarischen Arbeiteraufstand von 1956 zu unterstützen – so sehr er auch die langfristig zerstörerischen Folgen durch den Hegemonieverlust des Antikapitalismus im Gramsci’schen Sinn erkannte. (Gramsci war übrigens ein Autor, den er durchaus schätzte. Seine späten Interpreten, die die „Zivilgesellschaft“ zum Ersatz der Arbeiterklasse emporhoben, hasste er als Apologeten des sich ab der Zeitenwende von 1989/91 links tarnenden kapitalistischen Systems zutiefst.)

Zum ersten Opfer dieser rekonfigurierten globalen Herrschaft wurde Jugoslawien. Dessen Verteidigung betrachtete Werner für ein Jahrzehnt als seine wichtigste Aufgabe, so wie er im Allgemeinen nach der Niederlage des Kommunismus den Antiimperialismus als erste Front ansah. Doch Serbien war mehr für ihn, hatte auch eine emotionale Komponente. Darin drückte sich einerseits die Solidarität mit den Slowenen in seiner Kärntner Heimat aus, die gegen den Nazi-Faschismus die Waffen erhoben hatten und in der Folge mit Zwangsassimilation dafür bestraft wurden und selbst von seinen kommunistischen Genossen mit ihrer antijugoslawischen Haltung nicht entsprechend gewürdigt worden waren. Andererseits repräsentierte das Serbisch-Jugoslawische die letzten Reste einer nichtkapitalistischen kulturellen Identität, eine Brücke zwischen vor- und nachkapitalistischen Momenten, in der das Kollektiv noch Bedeutung hat. Es diente gleichsam als Surrogat für das viel gröbere Russische, dessen antikapitalistisches Moment die sowjetische Führung zu Grunde gerichtet hatte. Beim Singen von Partisanenliedern war Werner wirklich in seinem Element.

Die Schwächen dieses Verteidigungskampfes blieben ihm nicht verborgen, doch ihm ging es vor allem auch darum, die in Entstehung begriffenen ideologischen Paradigen der nunmehr „politisch korrekten“ Herrschaft zu sezieren und zu attackieren. Gegen den historischen Nationalismus präsentierten sich die neuen Herren als Internationalisten, um in Wirklichkeit in Form des Multikulturalismus die konfessionell-identitäre Spaltung der Subalternen voranzutreiben und damit zur Oligarchie oppositionelle Staaten zu vernichten. Gegen die als Humanitarismus verkleidete imperialistische Intervention verteidigte Werner das Völkerrecht und sein Subjekt, den Nationalstaat. Am meisten ärgerte ihn die Perversion des Antifaschismus im Dienste der Herrschenden. Paradigmatisch war der deutsche „Auschwitz“-Schrei zum Kosovo, um Berlins abermaligen Griff auf Jugoslawien zu legitimieren.

Nach der Jahrtausendwende rückte zunehmend Palästina als Symbol der Verlogenheit des globalen Regimes ins Zentrum von Werners Aufmerksamkeit. Der imperialistische Kapitalismus hatte den Faschismus zur Vernichtung des Kommunismus hervorgebracht. Statt aus dem „Niemals vergessen“ den Auftrag zum Kampf gegen dieses System, nunmehr geführt von den USA, abzuleiten, missbrauchte man den Holocaust, um einen neuerlichen imperialistischen Völkermord zu rechtfertigen, nämlich den an den arabischen Palästinensern als Nation. Hier unternahm Werner den größten Bruch mit seiner Tradition, die den zionistischen Staat Israel nicht grundsätzlich ablehnte. Für ihn konnte ein exklusiv jüdischer Staat per definitionem für die kolonisierte und vertriebene arabische Urbevölkerung nur Ausschluss und rassistische Unterdrückung bedeuten. Er setzte sich daher mit ganzem Herzen für einen gemeinsamen demokratischen Staat in Palästina ein.

2003, am Höhepunkt des American Empire, verfassten wir gemeinsam das Buch „Ami go home“. Der Feind hatte das linke Gesicht nicht durchgehalten, auch wenn selbst den Neocons linke Wurzeln nachgewiesen werden können. Den Antiamerikanismus verstand Werner als populäre Plattform gegen das kapitalistisch-imperialistische System. Entsprechend war er ein leidenschaftlicher Unterstützer des irakischen Widerstands, wobei es ihm wie fast immer gleichzeitig um Ideologiekritik ging. Er wollte den Begriff des Widerstands vom systemisch-bipolaren Anti-Schwarz-Blau wieder zu etwas Antisystemischen rehabilitieren. Doch mit der islamischen Komponente der antiimperialistischen Mobilisierung wurde er nie in gleicher Weise warm wie mit der slawischen. Dazu war er zur sehr Atheist und Provokateur gleichermaßen.

Unser Bruch kam mit Syrien. Die Position, dass weder der Kommunismus noch der Antiimperialismus dauerhaft gegen den Willen des Volkes durchgesetzt werden können, konnte er abstrakt zwar akzeptieren, doch letztlich überwog immer die Geopolitik, bedingungslos und mit Verbitterung.

Werner hat mit seiner feinen, dialektischen Feder einen großen und unvergesslichen Beitrag im Kampf gegen einen übermächtigen Feind geleistet.

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