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Bericht von der Veranstaltung „Ist Syrien noch zu retten?“

28. Januar 2014
Von Leo Gabriel

Unter diesem provokanten Titel trafen sich am vergangenen Freitag im Bürgerzentrum der katholischen Kirchengemeine in Aachen verschiedene Repräsentanten der wichtigsten Organisationen der syrischen Opposition, um über die Perspektiven der Genfer Staatenkonferenz zu diskutieren, die nächste Woche über Krieg und Frieden in diesem leidgeprüften Land zu diskutieren.


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Vor einem Publikum von über 100 Interessierten, das vor allem aus türkischen und syrischen Kurden bestand machte gleich zu Beginn Zuhat Kobani, der Sprecher der der PKK nahestehenden kurdischen PYD (Partei der demokratischen Einheit), einen interessanten Vorschlag: wenn die Kämpfer tatsächlich die Demokratie umsetzen wollten, mögen sie sich an den 59 kurdischen Selbstverwaltungsgemeinden im Nordosten Syriens ein Beispiel nehmen, die – dem syrischen „Mosaik an Ethnien und Religionen“ Rechnung tragend – einen Dritten Weg eingeschlagen hätten.
Die Kurden bedauerten zutiefst, dass sie, ebenso wie der „National Body for Democratic Change“ (NBC), dem sie angehörten, nicht nach Genf eingeladen wären, was die NBC so sehr verstimmt hatte, dass sie am Vortag bereits ihren Rückzug von der Genfer Konferenz angekündigt hatte.
Für eine Teilnahme an Genf sprach sich hingegen Samir Abu Laban vom politischen Büro der Moslembruderschaft aus. Er bedauerte es jedoch zutiefst, dass das Regime Bashar al Assads bisher noch kein einziges Zeichen des guten Willens zur Lösung des Konflikts gesetzt hätte, sonderndie Forderung nach „Terrorismusbekämpfung“ als seine oberste Priorität bei den Genfer Verhandlungen angekündigt hatte.
Im Gegensatz dazu führte Abu Laban 6 Punkte an, die seinerseits die Voraussetzung für ein Gelingen der Genfer Verhandlungen wären:

1) Die Rebellen müssen in die Verhandlungen einbezogen werden;
2) Menschenrechtsverbrechen wie die Bombardements der eigenen Zivilbevölkerung sollten unverzüglich gestoppt werden;
3) Sofortige Freilassung der politischen Gefangenen;
4) Freien Weg für die Hilfslieferungen an die notleidende,zum Teil eingeschlossene Bevölkerung;
5) Garantien der Internationalen Staatengemeinschaft für die Bildung einer Übergangsregierung;
6) Ausländische Kämpfer wie die Angehörigen der schiitischen Hezbollah, aber auch der sunnitischen hauptsächlich aus irakischen Kämpfern bestehenden Organisation für einen islamischen Staat (ISIS) müssen unverzüglich das Land verlassen.

Äußerst skeptisch in Bezug auf die Erfolgsperspektiven der Genfer Konferenz zeigte sich auch die syrische Soziologin von der Universität Köln, Huda Sein, die meinte, die Lösungen für den Konflikt müssten hauptsächlich im Landesinneren gefunden werden. „Wenn man Syrien auf den Krieg reduziert, erreicht man nur noch mehr Krieg“. Es gäbe aber auch einen revolutionären Widerstand, über den in der Öffentlichkeit aber immer weniger diskutiert würde.

Dass von Genf II wenig zu erwarten wäre, meinte auch Samir Aita, der Mitbegründer des „Demokratischen Forums“, ein in Paris lebender Intellektueller aus Damaskus, der 2005-2013 Herausgeber der arabischen Ausgabe von „Le Monde Diplomatique“ war. Den zu erwartenden Misserfolg führte Aita einerseits darauf zurück, dass sich wichtige Steakholders wie der Iran, Saudi Arabien und Katar dem Genfer Prozess gegenüber eher ablehnend verhalten hätten; andererseits gäbe es auch innerhalb der Koalition, die den syrischen Widerstand bei den Genfern Verhandlungen vertreten soll, eine große Uneinigkeit. „Wenn die Koalitation nach Genf geht, wird sie das nur geschwächt tun oder sich über diese Frage überhaupt spalten,“ sagte er. Hingegen würden die zentralen Fragen wie der Platz der Religion in der zukünftigen Verfassung, die Kurdenproblematik, und die Frage, ob ein zukünftiges Syrien eine parlamentarische oder eine Präsidentschaftsrepublik sein solle, im Vorfeld von Genf überhaupt nicht diskutiert werden.

Angesichts der durch den Krieg hervorgerufenen, tiefen Spaltung innerhalb der syrischen Gesellschaft , die sich bei der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung mitgesponserten Veranstaltung in Aachen auch in zahlreichen Wortmeldungen niederschlugen, tauchte die Frage auf: Wie soll es weitergehen, wenn die geplanten Genfer Verhandlungen scheitern?
So wie bisher, auf keinen Fall. „Denn je länger der Krieg weitergeht, desto mehr wird der Konflikt von Konfessionalismus und Sektierertum beherrscht werden,“ sagte Samir Aita, „Syrien ist ja jetzt bereits zu einer Terroristenfabrik geworden, die dazu geführt hat, dass die legitimen Interessen der Volksbewegung immer mehr verdrängt werden.“
Das ist auch der Grund, warum der im Anschluss an die Genfer Konferenz geplanten zivilgesellschaftlichen Friedenskonferenz in Wien (siehe www.peaceinsyria.org), an der VertreterInnen des gesamten sozialen, regionalen und konfessionellen Spektrums der syrischen Gesellschaft teilnehmen werden, eine besondere Bedeutung zukommen würde. Dabei könnten die bei dem Treffen in Aachen erörterten Vorschläge der Kurden, der Muslim Brotherhood und anderer TeilnehmerInnen viel mehr zum Tragen kommen, als das vermutlich in Genf der Fall sein wird.

*)Leo Gabriel ist Journalist und Sozialanthropologe, Mitglied des Internationalen Rates des Weltsozialforums und hatte bei der Veranstaltung in Aachen die Moderation übernommen.

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