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Am Kern vorbei

Zu Haytham Mannas Kritik an den Genfer Syrien-Gesprächen


15. Februar 2014
von Wilhelm Langthaler

Haytham Manna, sowohl als Vertreter des National Co-ordination Body als auch als Person, war bei den Verhandlungen in Genf der wichtigste „anwesende Abwesende“. So sehr man versuchte, seine Tendenz auszuschließen, so wichtig ist seine Stellung. Diesmal enttäuscht sie jedoch: das meiste an der Kritik ist richtig, doch eine Perspektive bietet sie nicht.


Ich lese grundsätzlich jeden übersetzten Artikel Haythams mit großer Aufmerksamkeit. Denn es ist aus dieser Ecke des syrischen Spektrums von dem ich mir am ehesten Lösungen, Perspektiven oder zumindest plausible Erklärung erwarte.

Doch der am 13.2.14 erschienene Kommentar zum Scheitern der Verhandlungen „Beyond Geneva“ enttäuscht. Nicht nur, dass ich ihn drei Mal lesen musste, um die Quintessenz herauszukitzeln – das mag der schwachen Übersetzung geschuldet sein. Vor allem lässt er keine Konturen eines alternativen Weges erkennen, der zu einer Verhandlungslösung für einen demokratischen Übergang führen könnte.

„Die Beteiligten töteten Genf II.“ Das ist zweifellos richtig. Haytham kritisiert nicht nur die Großmächte und vor allem die USA, die die Repräsentativität der Oppositionsdelegation auf die ihre und die Interessen des Golfs reduzierten.

Er attackiert insbesondere die offizielle Opposition, dass sie die „Schwelle ihrer Forderungen so hoch ansetzt, dass sie am Ende immer Recht behalten“ würde. Stimmte diese Kritik bisher immer, so hob sich der während der zweiten Verhandlungsrunde vorgelegte Plan positiv davon ab. Er schwieg über Assad und ließ damit mehr Verhandlungsspielraum zu als bisher. Haytham erwähnt zwar die Regierungsseite, die den Kampf gegen Terrorismus als Schild vor sich her schob, betont aber nicht ausreichend, dass es diese Bush-artige Verweigerung der Anerkennung der politischen und sozialen Ursachen der Revolte ist, die im Kern eine Lösung versperrt.

Sein Lösungsansatz wird nur retrospektiv formuliert: Die Notwendigkeit von symbolischen Handlungen wie die Freilassung von Frauen und Kindern sowie handfesteren Maßnahmen vor den Verhandlungen, wie zum Beispiel eine Verurteilung der ausländischen Kämpfer auf beiden Seiten durch den UN-Sicherheitsrat.

Die genannten Schritte sind ohne Zweifel richtig und notwendig, ja fast Voraussetzungen. Ohne solche führen Verhandlungen zum „geplanten Scheitern“ – und das ist tatsächlich passiert. Doch hier ist dann Schluss. Es bleibt offen, wie man dahin kommen kann. Es findet sich keine Stoßrichtung.

Alternative

Warum sind die Verhandlungen gescheitert?

Die Kritik an der Oppositionsseite ist richtig. Ihr fehlt die Repräsentativität. Das grenzt an Lächerlichkeit dort wo sie Ausschließlichkeit für sich in Anspruch nimmt. Sie hat sich weitgehend in die Arme der USA und ihrer lokalen Verbündeten begeben. Auf die bewaffneten Kräfte hat sie entgegen der Behauptungen nur marginalen Einfluss.

Doch sind daran die Verhandlungen gescheitert, wie die Regierung unterstellt? Alle seriösen Versuche im Land selbst eine repräsentative Opposition zu bilden wurden mit aller Härte unterdrückt. Die Regierung weist gerne auf den ausländischen Charakter der Opposition hin. Doch das ist ein hermetisches Argument. Sie verhindert mit Waffengewalt die Herausbildung einer Volksvertretung und verteidigt so ihren exklusiven Machtanspruch. Repräsentativität kann also nicht der Ausgangspunkt sein, sondern der Endpunkt eines demokratischen Übergangs.

Es ist die Regierung, die sich geweigert hat, über eine Übergangsregierung zu sprechen. Sie deckte sich dabei mit dem wohlbekannten Terror-Argument, mit dem die USA die Welt über zehn Jahre mit Krieg überzogen, den sie bis heute nicht gewinnen konnten. Sie fühlt sich stark genug, den Krieg fortzusetzen ohne jegliches Zugeständnis. Diese Feststellung muss Dreh- und Angelpunkt jeglicher politischen Überlegung sein.

Dabei ist sekundär, dass die Opposition wie ein aufgeplusterter Pfau agiert. Das hilft nur der Regierung. Angemessener wäre es, mit einer realistischen Einschätzung der eigenen Stärke vorzugehen. Kern dabei müsste die Überlegung sein, dass der militärische Weg nur zu einer weiteren Schwächung der demokratischen Kräfte führt, während die Schlacht nur politisch und langfristig zu gewinnen ist – wenn überhaupt. An diesem Punkt muss man der Gerechtigkeit halber einräumen, dass NCB und Haytham diese Position immer mit Standhaftigkeit und sehr hohen Kosten vertraten und weiterhin vertreten.

Daraus ergibt sich, dass die zentrale Aufgabe darin besteht eine politische Allianz, eine breite demokratische Front zu bilden, mit den revolutionären Demokraten im Zentrum. Auf der einen Flanke müssen sich Demokratie und Pluralität akzeptierende Islamisten, auf der anderen Seite kooperationsbereite Milieus des herrschenden Regimes (oft aber nicht immer kongruent mit konfessionellen Minderheiten) befinden.

Erst wenn ein solcher Block Gestalt annimmt, gewinnt Genf III Sinn.

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