In der Schweiz versucht eben ein Verein „Monetäre Modernisierung“ eine Volks-Initiative zur Geld-Reform zu starten. Sie steht unter dem Stichwort Vollgeld. Die Schweizer Verfassung im Artikel 90 soll geändert werden: Ziel ist eine Währungspolitik „im Gesamtinteresse des Landes“. Die Mittel dazu wären eine Finanzmarktregulierung, die auch „vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen“ kann, aber „eine liberale Grundausrichtung der Schweiz“ beachten muss; und eine stärkere Kontrolle der Geldmenge M1.
Die Chose ist hochinteressant. Zeigt sie doch einerseits die Unzufriedenheit der Mittelschichten mit den gegenwärtigen Zuständen und ihren Willen, sie zu ändern; gleichzeitig aber auch die Illusionen dieser Schichten und ihr fehlendes Verständnis für die gegebenen Strukturen.
Basis ist ein altmodisches Geldverständnis: Geld soll tendenziell auf seine Funktion als Zahlungsmittel reduziert werden. „Vollgeld“ soll nur die Geldmenge M1 sein, „Münzen, Banknoten und Buchgeld“, und unter Letzterem werden nur die Girokonten verstanden. Diese drei Kategorien sollen „gesetzliches Zahlungsmittel“ sein und nur vom Bund geschaffen werden dürfen.
Hier stutzt man zum ersten Mal: Was soll dies ändern? Das ist doch ohnehin der Fall! Jede größere Zahlung geht heute über ein Konto. Aber hier wird eine rechtlich feine Unterscheidung eingeführt: Damit dieses Vollgeld „sicheres reines Zahlungsmittel“ (Erläuterungen) ist, sollen „die Finanzdienstleister die Zahlungsverkehrskonten der Kunden außerhalb der Bilanz“ auf „Geldkonten“ führen, und diese würden somit auch nicht in eine eventuelle Konkursmasse fallen. Die sonstigen Guthaben dagegen, auch die Sparbücher, bleiben weiter „Anlagekonten“ und werden nur durch die Einlagesicherung bis zu 100.000 Franken garantiert.
Nun ist der Unterschied zwischen diesen Konten ziemlich diffus. Die Sparkonten mit Bindungsfrist werden üblicher Weise zur Geldmenge M2 gezählt. Es ist kein Zufall, dass die Versuche der Geldmengensteuerung seitens der Zentralbanken schon längst von diesen Geldmengen weggegangen sind. Die Initiative versucht, hier wieder eine scharfe Grenze zu ziehen. Der reale Gewinn an Sicherheit würde sich in engen Grenzen halten und nur eine weitgehend uninteressante Geldmenge betreffen. Denn selbstverständlich könnten Banken auch ihre „Treuhandkonten“ (das wären dann nämlich die Giro-Konten) bei ernsthaften Schwierigkeiten einsetzen. Das wäre zwar ungesetzlich und strafrechtlich relevant. Aber davon haben sie sich auch bisher nicht sonderlich abschrecken lassen. Der Berg scheint zu kreisen und eine Maus zu gebären – immerhin soll gleich die Verfassung geändert werden.
Aber warum erschrecken dann die Banken und lassen ihre offiziellen und inoffiziellen Sprecher, die Zeitungen, gegen die Initiative los?
Sehen wir uns nochmals den „Art. 99, Abs. 1“ an (Anführungszeichen, weil dies erst ein Vorschlag ist)! „Der Bund kann [bei der Geldregulierung] vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen“. Das ist eine Deklaration, zwar ohne praktischen Wert, aber von großer rhetorisch-ideologischer Tragweite. Die Gesellschaft übernimmt via Staat die „Gesamtverantwortung“. Sie darf dafür den Markt ausschalten und „die Wirtschaftsfreiheit“ einschränken. Das ist ein ideologischer Bruch! Es ist klar, dass dies, zusammen mit den Ansätzen zu einer stärkeren Finanzmarktregulierung in „Art. 99a“, den Banken und den neoliberalen Ideologen ganz gegen den Strich geht. Doch ob es auch eine praktische Wirkung hätte, ist weniger sicher. Denn dies Alles geschieht selbstverständlich auch heute, aber ohne diese Rhetorik.
Was könnte ein Schweizer Linker tun? Die Initiative unterstützen? Ich bin mir da nicht so ganz sicher.
Der theoretische Punkt ist: Die Initiatoren verstehen ganz offenkundig nicht, was „Geld“ ist. Sagen wir es einmal in aller Schärfe: In einer Wirtschaft, die Tauschwert produziert und diesen homogen in Zahleneinheiten misst, ist prinzipiell das ganze Produkt und jeder Teil des Produkts „Geld“, nämlich der Anspruch auf einen ebenso großen Anteil des Produkts. Das sogenannte Ausschöpfungs-Theorem (das gesamte Produkt, das BIP, löst sich restlos in Einkommen auf) besagt nichts Anderes.
Da dies im Grund wenig anderes ist als eine ex post-Formulierung des „Say’schen Gesetzes“ (Angebot = Nachfrage), muss irgend jemand dies garantieren. Der Staat soll dafür sorgen, dass dies auch stimmt. Damit nicht was übrig bleibt, darf nicht zuwenig Geld da sein – „Geldklemme“ heißt dies im Text; realistischer: Überproduktion. Es darf nicht zuviel Geld da sein („Geldschwemme“), denn das führte zu Verteilungskämpfen um das reale Produkt und zu Inflation.
Man sieht an diesen leicht geänderten Formulierungen: Es geht um wesentlich mehr als „nur“ um die Geldmenge. Aber diese Einsicht fehlt den Initiatoren leider völlig. Das heißt nicht, dass es nicht überragend wichtig wäre, das Geldwesen zu regulieren und strikt zu kontrollieren – ganz im Gegenteil.
Zum Geld, jetzt ohne Anführungszeichen, wird ein Teil des Produkts (Warengeld) oder auch nur die symbolische Repräsentation (Papiergeld; die Buchungszeile) dann, wenn diese Repräsentation allgemein als Leistung akzeptiert wird, hauptsächlich, weil es von irgendeiner überragenden Institution glaubwürdig gesichert ist.
Zwei einzelne Punkte sind noch anzusprechen, weil sie den Geist der Initiatoren zeigen.
Um die Umgehung der Regelung zu verhindern, schlagen sie für „Anlagekonten“ eine Mindesthaltefrist vor. Das wäre ein überlegenswertes wirtschaftspolitisches Instrument und würde etwa wie die Tobin-Steuer wirken, nur direkt. Es würde jedenfalls den Hochfrequenz-Handel, das Kaufen und Verkaufen in Sekunden-Bruchteilen, ein besonders übles Phänomen, unmöglich machen.
Einen ganz anderen Charakter trägt der Vorschlag: Die Banken müssten die Giro-Guthaben als Verbindlichkeiten gegen die Nationalbank betrachten und innert längerer Frist abtragen. Hier wird explizit mit der Idee des Münzgewinns, der Differenz zwischen den Herstellungs-Kosten von Geld und dessen Nominalwert, gespielt. In Wirklichkeit läuft dies auf eine Steuer auf Banken hinaus. Dagegen wäre nun an sich nichts einzuwenden. Wir sehen allerdings gegenwärtig in Österreich mit den frechen Drohungen von Raiffeisen OÖ und angeblich auch der Ersten mit Sitz-Verlagerung ins Ausland, wie die Banken unter gegenwärtigen Umständen darauf reagieren. Vor allem aber sollte man sagen, was Sache ist, und nicht in ganz absurder Weise von einem „echten Zuwachs an Volksvermögen ohne Steuererhöhungen, Sparpakete und Inflation, … öffentlichen Mehreinnahmen von vielen Milliarden Franken“ schwafeln – das ist die Erfindung eines ökonomischen Perpetuum mobile!
Die Initiative ist politisch überaus interessant. Sie zeigt den Unwillen eines nicht unerheblichen Teils der Mittelschichten mit den gegenwärtigen Zuständen. Aber es ist ein um Großen und Ganzen untauglicher Versuch, die Dinge in den Griff zu kriegen und doch möglichst wenig zu ändern. Als Schweizer würde ich vielleicht dafür stimmen, weil sie ein wenig mehr an Kontrolle brächte. Andererseits ist sie auf den Sand von Illusionen gebaut, welcher bald davon geweht würde.
25. April 2014