Die ägyptische Präsidentenwahl diente dazu, dem blutigen Militärputsch vom vergangenen Jahr Legitimität zu verleihen. Die Methoden der Junta sind bekannt aus den bleiernen Jahrzehnten der jüngeren Vergangenheiten. Die Frage ist, ob wir einem lang anhaltenden arabischen Winter entgegen gehen oder der Tyrann auf tönernen Füßen steht.
Jeder, der das Spiel durchschaut, weiß, dass es vor allem um die Wahlbeteiligung ging, denn der Beschluss der Krönung war bereits lange davor gefällt worden. Das Regime traute sich etwas unter 50% anzugeben. Die Fotos von der gähnenden Leere in den Wahllokalen spricht indes eine andere Sprache, genauso wie die plötzliche Verlängerung des Referendums um einen ganzen Tag. In jedem Fall gibt es keinen Vergleich mit den trotz aller Unzulänglichkeiten lebendigen Wahlen nach dem Fall des letzten Pharao Mubarak.
Die Methoden des Regimes brauchen nicht näher erläutert zu werden. Sie sind bekannt und basieren auf Angst: Scharfe Kontrolle der Medien. Gratis-Bahntransport. Drohung mit Strafen für Nichtbeteiligung etc.
Es darf außerdem nicht vergessen werden, dass der Putsch außerordentlich blutig verlief. In nur wenigen Tagen wurden Tausende getötet, die Gefängnisse wieder aufgefüllt und jede abweichende demokratische Meinungsäußerung unterbunden – nicht nur jene der Muslimbrüder. Die grotesken Massenprozesse, in deren Verlauf Hunderte innerhalb von wenigen Stunden zum Tode verurteilt werden, illustrieren die gespenstische Situation. Es kann nicht von Demokratie oder Demokratisierung gesprochen werden, wenn eine entscheidende Komponente der ägyptischen Gesellschaft, namentlich die Muslimbrüder sowie das weitere Milieu des politischen Islam, unterdrückt wird. Die Gretchenfrage ist, ihnen (und damit dem gesamten politischen Spektrum) die demokratischen Rechte zurückzugeben.
Eine große Enttäuschung – und gleichzeitig die Anzeige für die Krise der Linken – stellt die Beteiligung Hamdeen Sabahis an der Wahlfarce dar. Der Führer der Nasseristen hatte bei der Präsidentenwahl 2012 sensationelle 20% der Stimmen auf sich vereinigen können. Viele Linke hatten den Fehler gemacht, den Putsch als Hilfe für einen Volksaufstand gegen die Muslimbrüder zu interpretieren und damit zu unterstützen. Doch mit den Monaten mussten sie schmerzlich erleben, wie die schweren Geschütze der Militärs sich letztlich gegen die gesamte Opposition wendeten und die Errungenschaften des arabischen Frühlings niederwalzten. Als Beispiel kann die am Tahrir einflussreiche 6.April-Bewegung gelten, die sich Sisi zu- und dann wieder abgewandt hat. Doch die meisten haben sich in die Passivität zurückgezogen. Nur ein kleiner Teil der letzten Aufrechten führte eine Kampagne für den Boykott.
Wir glauben nicht, dass Sisi sich starker Unterstützung im Volk erfreuen kann, wie es der inszenierte Medienhype des Regimes suggeriert. Alle Unerträglichkeiten der Mubarak-Periode machen dem Volk nach wie vor die Existenz schwer ohne Hoffnung auf Besserung. Sisi kann sich an der Macht halten, weil die Opposition sich in eine Sackgasse manövriert hat, aus der sie nicht heraus zu kommen scheint.
Auf den Punkt gebracht: Der Gegensatz zwischen Islamismus und laizistischer Linker stellte sich als stärker heraus als jeweils gegenüber dem alten Regime.
Oft haben wir das Bild des Dreiecks – gebildet aus a) Eliten und ihrem alten Regime, b) Islamismus und, c) Tahrir-Linker – bemüht. Von Anfang an waren wir davon überzeugt, dass es nur mit einer schwierigen und schmerzhaften Kooperation zwischen Islamismus und der demokratischen Bewegung möglich sein würde, das alte Regime wirklich zu schlagen. An keinem Punkt des arabischen Frühlings kam es tatsächlich zu so einem Bündnis.
Die einzige Hoffung in diesem Sinn gibt die Koalition zwischen Aboul-Fotouh, dem Anführer des liberalen Flügels des Muslimbrüder, der von diesen hinausgeworfen wurde, und einigen linken Gruppen, die sich gegen das Militärregime stellen.
Tragisch ist dabei, dass Ägypten das führende Land der arabischen Welt ist und entscheidenden Einfluss auf die Anhänger des sunnitischen Islam in aller Welt ausübt. Gegenwärtig stellt das Land am Nil ein schweres Hindernis auf dem Weg zu mehr Demokratie und sozialen Rechten für die arabischen Volksmassen und ihren Kampf gegen die westliche kapitalistische Ordnung und ihre regionale Herrschaftsarchitektur dar.
Nicht aus Zufall schweigen die westlichen Regierungen zur Inthronisierung des Pharaos per Wahlfarce, was nichts anderes als eine De-facto-Unterstützung darstellt.