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Gaza: die Verdammten dieser Erde leisten Widerstand

Hamas’ Standhalten könnte Israel zur weiteren Eskalation veranlassen


28. Juli 2014
AIK

Die Bodenoffensive der israelischen Armee in Gaza stößt– wie so oft zuvor – auf heftigen Widerstand. Trotz massiver Zerstörungen und mehr als Tausend vorwiegend ziviler Toter zeigen sich die Résistance und die politische Führung von Hamas kampfbereit. Die von Israel und Ägypten geforderte Kapitulation wurde zurückgewiesen. Die zentrale, unmittelbare Forderung der Palästinenser als Basis für einen Waffenstillstand bleibt: Aufhebung des Embargos. Das ist gerecht und muss von allen Demokraten weltweit unterstützt werden!


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1) Israel unter Erfolgszwang

Der aktuelle Angriff auf Gaza hat sich zu einer regelrechten Machtprobe entwickelt. Für den asymmetrischen Krieg gilt die Annahme: Endet er nicht mit einer substantiellen Schwächung der Hamas, macht der palästinensische David einen Punkt gegen den zionistischen Goliath.

Israel proklamiert seit mehr als zwei Jahrzehnten die Zerstörung der Hamas, der dominanten Kraft des palästinensischen Widerstands. Doch das ist ihr bis heute trotz zahlreicher militärischer und politischer Versuche nicht gelungen. Auch bei diesem Waffengang gibt es keinen Anlass anzunehmen, dass der palästinensische Widerstand strategisch geschlagen werden würde.

Im Laufe der Operation hat der Tsahal die Zerstörung der Tunnelinfrastruktur zum Hauptziel erklärt. Seit der Verhängung des Embargos nach dem Sieg der Hamas bei demokratischen Wahlen, sichern die Tunnel das Überleben der Zivilbevölkerung. Aber natürlich werden einige auch zu militärischen Zwecken benutzt – was nicht nur moralisch, sondern nach Völkerrecht legitim ist, wie der bewaffnete Widerstand gegen Besatzung überhaupt.

Der arabische Frühling insbesondere in Ägypten verbesserte die Situation der Palästinenser in Gaza de facto, wenn auch an der politischen Oberfläche de jure selbst unter Mursi nicht viel davon zu sehen war. Es stärkte die Position des Widerstands und der Hamas politisch wie militärisch zumindest graduell. Israels unmittelbares Kriegsziel könnte man in der Wiederherstellung der Situation von vor 2011 fassen.

2) Günstige politische Bedingungen für Israel durch die ägyptisch-arabische Konterrevolution

Das Scheitern des arabischen Frühlings, seine Transformation in einen konfessionellen Bürgerkrieg und vor allem die Restauration des ägyptischen Militärregimes führte zur zunehmenden Isolation der Muslimbrüder und der Hamas. Als institutionelle Verbündete sind nur mehr die Türkei und in der arabischen Welt der Öl-Zwergstaat Qatar verblieben. Das Verhältnis zu Teheran, Israels Hauptfeind, hatte sich über den syrischen Bürgerkrieg stark abgekühlt. Hamas befindet sich in der bisher stärksten internationalen Isolation seit 2006.

Ein Ausdruck der Schwächung war die Bildung der sogenannten Einheitsregierung mit Fatah, dem Handlanger des Westens und damit indirekt Israels. Allein die Tatsache, dass im israelischen Establishment die harte Linie dominiert, die keinerlei Kompromiss mit Hamas will und damit auch die Einheitsregierung ablehnt, erlaubte Hamas diesen Spagat zwischen Widerstand und Annäherung in die regionale Ordnung. In den Bedingungen der Hamas für einen Waffenstillstand findet sich dann folgerichtig auch die Forderung nach „Nichteinmischung in die palästinensische Versöhnung“.

3) Bodenoffensive

Israel hatte bald angekündigt, dass es diesmal nicht beim üblichen imperialen Luftkrieg bleiben würde. Die Zerstörung der Tunnelsysteme und der militärischen Infrastruktur des Widerstands erfordert das lokale Eingreifen mit Infanterie vor Ort. Das bietet der Hamas und den anderen Guerilla-Gruppen die einzige Möglichkeit dem Angreifer Verluste zuzufügen, was ihnen bisher auch gelungen zu sein scheint. Laut den Medienberichten und selbst Aussagen der israelischen Armee konnte auch nach ca. drei Wochen intensiver militärischer Operationen weder das Gros der Tunnel vernichtet, noch der Widerstand erkennbar geschwächt werden.

Im Gegensatz zu den westlichen Gesellschaften ist die israelische Bevölkerung weitgehend für den Krieg und die rücksichtslose Unterwerfung (bisweilen gar Vernichtung) der Palästinenser. Für dieses Ziel kann sie Verluste durchaus hinnehmen, die weit über die bisherigen hinausgehen. Umso größer wird jedoch der politische Druck einen präsentablen Erfolg zu erzielen.

Als Inkarnation der „Verdammten dieser Erde“ wissen die Palästinenser, dass der Widerstand nur über ein exorbitantes Missverhältnis der Opfer zu führen ist – nach dem Prinzip mit Steinen gegen Kampfflugzeuge die Herzen in Brand setzen. Doch für das Märtyrertum gilt noch viel mehr, dass es politischen Sinn haben muss. Die große Mehrheit der Palästinenser – und nicht nur jener in Gaza – unterstützen den Widerstand und lehnen eine Kapitulation, wie sie der Sisi-Plan vorsieht, ab. Sie wissen, dass nur der erfolgreiche Widerstand ihre elendige Situation zu verbessern und schließlich das Freiluftgefängnis zu sprengen vermag.

Unter diesen Rahmenbedingungen scheint es als wahrscheinlich, dass Israel den Krieg intensiviert und damit den politischen Einsatz weiter erhöht. Inmitten der humanitären Tragödie bietet das jedoch der Hamas die Möglichkeit sich im städtischen Nahkampf zu verteidigen, während der Luftkrieg dies nicht erlaubt und sie auf symbolische Raketenangriffe zur Vergeltung reduziert.

4) Amerikanisches Schwanken

Der ägyptische Diktator Sisi hatte einen Waffenstillstand ohne Aufhebung der Blockade, ohne Abzug der israelischen Besatzungstruppen und implizit der Fortsetzung der Tunnelzerstörung ventiliert – ohne dabei direkt Hamas einzubeziehen und stattdessen die Ramallah-Behörde als „Vermittler“ ins Spiel zu bringen. Für Hamas wäre das einer Kapitulation gleichgekommen. Nicht umsonst wurde der Plan von Netanyahu umgehend unterstützt. De facto sind Israel und Ägypten wieder die engsten Verbündeten gegen die Hamas, mit Unterstützung fast der gesamten arabischen Staatenwelt.

Qatar und die Türkei spielen indes die Rolle der Vertretung für Hamas. Sie fordern die Aufhebung des Embargos, die direkte Einbeziehung der Hamas in Waffenstellstandsverhandlungen und damit auch ein Stück weit ihre Anerkennung.

Bemerkenswert erscheint in diesem Kontext der Versuch des US-Außenminister Kerrys unter Einbeziehung der Türkei und Qatars eine Plattform vorzuschlagen, die eine teilweise Aufhebung des Embargos vorsieht. Das führte in Tel Aviv postwendend zu wütenden Reaktionen und treibt zur weiteren Eskalation um fait accomplis zu schaffen. Dennoch, hier kommt eine Linie der Obama-Exekutive zum Ausdruck, die Eskalation zu dämpfen und die Muslimbrüder einzubeziehen wie bereits zuvor in Ägypten. Der Chef des US-Militärgeheimdienstes DIA, Michael Flynn, meinte ganz in diesem Sinn, dass man kein Interesse an der Zerstörung der Hamas habe, weil dann etwas viel schlimmeres wie ISIS nachkommen könnte. Dahinter steht die Ansicht, dass die alte Ordnung trotz Sisis Konterrevolution brüchig bleibt und ohne „indirect rule, „devolution“ oder Einbeziehung islamischer Kräfte es zu unkontrollierten Explosionen kommen wird. Die Machtübernahme der sunnitischen Jihadisten der ISIS in wichtigen Teilen des Irak und Syrien auf der einen Seite sowie die Stärkung der proiranischen, schiitischen Achse auf der anderen Seite können als Fanal gedeutet werden.

Indes darf nicht vergessen werden, dass in der US-Elite die bedingungslos radikalzionistischen Kräfte tonangebend sind, ungeachtet der im Sinne des US-Machterhalts „vernünftigeren“ Haltung von Obama & Co.

Trotzdem zeigt der Kerry-Vorschlag an, dass die radikalzionistische Position, die vom gesamten Westen einschließlich der EU, Deutschland und auch Österreich letztlich unterstützt wird, immer kostspieliger wird. Ohne Aufhebung des Embargos gegen Gaza erhöhen sich die Spannungen im globalen Herrschaftssystem und insbesondere in der Nahost-Ordnung unvermeidlich weiter.

Früher oder später muss und wird das Embargo fallen!

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