Spindelegger ist Geschichte. Wenn man dies so sagen kann. Denn in zwei Jahren wird man sich bei seinem Namen allenfalls an Eines erinnern: Die „Lösung“ des Problems Hypo Alpe-Adria. Da hat er offenbar den Auftrag erteilt: Sucht den dümmsten, am wenigsten haltbaren und für alle außer einigen Spekulanten schlechtest möglichen Ausweg aus dieser kriminellen Affäre von Politik und Wirtschaft!
Der ÖVP-Obmann ist an totaler politischer Unfähigkeit gescheitert, und zwar beurteilt nach seinen eigenen Maßstäben. Wir bräuchten uns damit also nicht lange aufhalten. Aber auch in dieser persönlichen Unfähigkeit finden wir Einiges an Politik. Da ist einmal der persönliche Charakter und seine berufliche Herkunft.
Sprössling von gut gestellten Kleinbürgern aus Brunn am Gebirge, die dort u. a. ein öffentliches Bad betrieben, hat er seinen Beruf im Außenministerium gefunden. Und er war ein typischer Beamter dieses Ressorts. Dieses Ministerium wurde im Gegensatz zu den meisten anderen niemals auch nur von einem Hauch an Demokratisierung getroffen. Ein Überbleibsel aus den Zeiten der Monarchie – man findet dort tatsächlich Namen, ehemalige Adelige, die man schon in Amtskalendern des 19. Jahrhunderts lesen kann – hat es stets dem Grundsatz von der Prärogative des Souveräns, des Kaisers, in der Außenpolitik nachgelebt. Zu deutsch: Außenpolitik ist ein Vorrecht des Monarchen, und das Volk hat auch in parlamentarisch-demokratischen Zeiten seine Nase dort nicht hineinzustecken. Bis vor gar nicht so langer Zeit konnten zum préalable, der Aufnahmeprüfung, auch nur Juristen antreten. Gefordert war „gutes Benehmen“ und gutes Französisch. Ein „Handbuch der Außenpolitik“ aus den 1980ern, ein dicker Ordner, ist in dieser Hinsicht mit seinen detaillierten Vorschriften gerade zu köstlich: was man z. B. tun müsse, wenn es bei der Diplomatenjagd zu einem Unfall kommt, etc. … Und der Außenminister Paar, jahrelang unter Kreisky dessen Statthalter im Ministerium, durfte nach seinem Abtritt dort erst Beamter werden, nachdem er eine Dispens (wegen des préalables) erhalten hatte.
So sah denn auch die Politik aus. Bei den Verhandlungen um den Anschluss an die EG waren die Leute dort gar nicht in der Lage, die Tragweite vieler Vereinbarungen abzuschätzen. Die extrem konservative NZZ schrieb z. B. damals: Österreich hat sich reich gerechnet und zahlt nun dafür.
Aber das ist Schnee von gestern. Und doch nicht so wirklich.
Wird es nun einen Politikwechsel geben?
Der letzte Stolperstein des Ex-ÖVP-Häuptlings war die Steuerreform. Er hat bis heute nicht begriffen, was ihm die Gewerkschaft da auf dem Silberteller präsentierte. Anstelle schnell zuzugreifen, hat er sich eingemauert. Denn was fordert denn der ÖGB? „Es muss bei den Unselbständigen mehr im Geldbörsel bleben!“ BEI WEM?
Wie dies der ÖGB anlegt, ist es aus linker Sicht rundum falsch. Es läuft nur auf eine neuerliche Umverteilung nach oben hinaus. Die „Unselbständigen“ sollen also entlastet werden. „Unselbständig“ ist auch der Generaldirektor Andreas Treichl von der ERSTEN BANK. Sein Jahresgehalt zwischen 2 und 10 Mill. €, je nach Konjunktur, soll also entlastet werden. Anstelle auf die Höhe des Einkommens zu sehen, orientiert sich der ÖGB an einem formalen Kriterium „unselbständig“. Ob der Profit als Gewinn oder als formal unselbständiges Einkommen ausgeschüttet wird, ist für die ganz egal, die ihn erarbeiten.
Und weiter: Gibt es eine aggregierte Lohn-/Einkommenssteuer-Senkung, dann stehen wir vor zwei Alternativen:
Der Fehlbetrag wird durch andere Steuern herein gebracht. Hier geht es realistisch um die Umsatzsteuer. Aber die wirkt regressiv, wie allgemein bekannt sein dürfte. Sie trifft die niedrigen Einkommen stärker als die hohen. Die klassische Linke, auch die alte Sozialdemokratie, hat deswegen stets gegen die Umsatz- (Mehrwert-) Steuer gekämpft – bis die Sozialdemokratie im Österreich der 1970er selbst die Regierung führte.
Wenn aber der Ausfall nicht kompensiert wird, dann werden die öffentlichen Leistungen gekürzt. Und wen trifft dies wohl?
Eine „Steuerreform“, ein Umbau des Steuersystems ist überfällig. Aber im Interesse der starken Bevölkerungsmehrheit müsste sie vor allem einen Zug haben: Die Progression muss sich drastisch verstärken. Nur das kann eine weitere Umverteilung nach oben etwas einbremsen. Thomas Piketty, Sozialdemokrat, hat dies begriffen und deutlich nachgewiesen. Das würde zweierlei bedeuten: Zum Einen wären die Unternehmenssteuern (die Körperschaftssteuer vor allem) zumindest zu verdoppeln. Dann wären sie wieder auf dem Niveau, wo sie waren, bevor der „linke“ Ferdinand Lacina sie halbiert hat und damit dem Großkapital das üppigste Geschenk machte, das es in der ganzen Zeit der Republik je bekam. Nur so kommt man an die hohen Gewinne des Auslandskapitals heran. Aber das erfordert auch begleitende Maßnahmen, über die wir ein anderes Mal reden.
Und dann müsste die Progression in der Einkommens-/Lohnsteuer verstärkt oder eigentlich wieder eingeführt werden. Denn derzeit gibt es sie nur für die niedrigen Einkommen, aber praktisch nicht mehr für die etwas höheren. Ein Eingangssteuersatz von 36 % – 38 % ist ein purer Skandal. Umgekehrt ist ein Spitzensteuersatz von 50 % für hohe Einkommen ein Witz. Aber er ist kein Witz mehr, wenn er bereits bei Jahreseinkommen von 60.000, also Monatseinkommen von knapp 4.300,- brutto, einsetzt. Dann trifft es nämlich auch schon einen Teil der Mittelklassen. Und die werden grantig.
Das hat die abtretende ÖVP-Spitze nicht begriffen. Wie auch, wenn solche intellektuelle Helden wie Lopatka und Blüml das Wort führen. Und Lopatka, mindesten ebenso einfältig wie Spindelegger selbst und als ehemaliger steirischer ÖVP-Sekretär ein gut Teil schmutziger, wurde sogar als möglicher neuer Finanzminister genannt.
Wohl aber haben es die SPÖ und der ÖGB begriffen. Und in Wirklichkeit ist die ÖGB-Kampagne eine riesige Ablenkung von Sorgen und Problemen, welche die Bevölkerung sehr wohl hat.
Einen Politikwechsel wird es nicht geben. Das hängt auch und vor allem von den Vorgaben der EU ab. Denn die bisherige Sturheit führt sich auch auf die Befehle der EU und ihres Fiskalpakts zurück. Der brave Beamte aus dem Außenministerium, nun eben kurzfristig Finanzminister gewesen, wollte dem als Musterschüler nachkommen. Selbst für EU-Verhältnisse wären ja die rund 80 % öffentliche Schuld in Österreich eher wenig bedeutsam. Aber man will diese magische Zahl und ihre Verminderung dazu benutzen, den österreichischen Sozialstaat abzubauen.
Dieses Ziel gilt nach wie vor. Vielleicht wird die neue Regierung die Sache ein wenig geschickter angehen als ihre Vorgängerin. Vielleicht auch nicht.
Für die in Österreich kaum vorhandene Linke wäre das aber ein Ansatzpunkt. Dazu müssten wir aber in der Lage sein, die Zusammenhänge klar zu stellen. Das ist im geringen Maß eine Frage des persönlichen Könnens. Wie auch in fast allen anderen Gebieten kann man der Hegemonie nur entgegen arbeiten, wenn man Zugang zu den Medien hat. Die traditionellen Medien, das Fernsehen / der Rundfunk und die Zeitungen sind uns fast hermetisch verschlossen. Gibt es eine Alternative in der öffentlichen Kommunikation?
29. August 2014