Die Schweizer Nationalbank (SNB) soll wenigstens 20 % ihrer Währungsreserven in Gold halten. Derzeit sind es nur 7 1/2 %. Das fordert eine Volksinitiative, die am 30. November zur Abstimmung stehen wird. Dazu ist zu ergänzen: Der Schweizer Bundesrat, die dortige Regierung, hat seit Beginn des Jahrtausends mehrere Tonnen des „überflüssigen“ Golds verkauft. Ein gutes Geschäft war dies für den Schweizer Staat nicht – oder höchstens i. S. der unsäglichen gewesenen österreichischen Finanzministerin Fekter. Der Goldpreis stand im Schnitt des Jahrs 2000 bei US-$ 280,- die Feinunze, auch 2005 erst bei 445,- Im Moment steht er bei $ 1.208,- (7. Okt.), aber zwischenzeitlich war er bereits bei 1.900. Dafür wurden u. a. US-$ und Euros angeschafft. Der US-$ war im Oktober 2000 1,75 Franken wert. Heute braucht man nur mehr 96 Rappen dafür geben. Und dazwischen waren es noch deutlich weniger.
Aber überlassen wir dies den Schweizern. Sie haben ihre Bundesrats-Parteien ja gewählt. Und die sind einander wert, von der SP bis zur SVP.
Text der Initiative
I. Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
Art. 99a (neu) Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank
1 Die Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank sind unverkäuflich.
2 Die Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank sind in der Schweiz zu lagern.
3 Die Schweizerische Nationalbank hat ihre Aktiven zu einem wesentlichen Teil in Gold zu halten. Der Goldanteil darf zwanzig Prozent nicht unterschreiten.
II. Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert:
Art. 197 Ziff. 9 (neu)
9. Übergangsbestimmung zu Art. 99a (Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank)
1 Für die Erfüllung von Absatz 2 gilt eine Übergangszeit von zwei Jahren nach Annahme von Artikel 99a durch Volk und Stände.
2 Für die Erfüllung von Absatz 3 gilt eine Übergangszeit von fünf Jahren nach Annahme von Artikel 99a durch Volk und Stände.
Wieso wollen aber die Initianten gerade Gold als kollektiven Notgroschen? Glauben sie noch an die Märchen ihrer Kindheit, wo Gold stets der Reichtum schlechthin und der Luxus pur war. In gewissem Sinn schon. Gold ist eine Ware, wie Toblerone und Resyl (ein Hustenmittel von Novartis) Waren sind. Warum stappelt die SNB also nicht Tonnen von Resyl? Als Kind erhielt ich vom Dorfgreißler manchmal Stollwercvk heraus, wenn er gerade keine 10-Groschenstücke mehr hatte. Die waren also auch Tauschmittel, also „Geld“.
Aber Gold hat gegenüber Toblerone einige Vorteile. Es hat per Gewicht sehr viel mehr Wert, ist dauerhaft, und vor allem wird es internationale allgemein angenommen. Allerdings wechseln die Preise täglich.
Es ist also eigentlich ein ziemlich primitives Verhältnis, nicht viel anders als das damals beim Dorfgreißler. Warum ist Gold international „Geld“ aber Toblerone nicht? National stimmt die Chose sowieso nicht. Da ist Gold demonetisiert und in dieser Perspektive so halb illegal. Man versuche nur einmal einen Goldbarren zu kaufen oder zu verkaufen!
Damit sind wir beim Punkt.
Im Jahr 2014 wird das österreichische Jahresprodukt, das BIP, etwa 330 Mrd. € betragen. Was heißt das? Ist das ein Haufen Waren, dem ein Haufen Geld gegenübersteht, eine Reihe von Stappeln aus Euro-Hunderter oder rund 10.000 T Gold? Hier ist Geld nur eine fiktive Recheneinheit. Sehen wir uns das etwas genauer an!
Vor einem Jahrhundert, ja noch vor 80 Jahren, wären wir zu so einer Aussage nicht fähig gewesen. Die VGR wurde erst in der Zwischenkriegszeit entwickelt. Erst in der Nachkriegszeit wurden für Österreich halbwegs verlässliche Daten geschätzt. (Die VGR ist eine Schätzung, auch heute, aus mehreren Komponenten, keine „Zählung“. Vor allem aber ist sie eine Definition.)
Und das ist kein Zufall, der lediglich auf fehlende Statistiken zurück zu führen wäre. Ein volkswirtschaftliches Gesamtprodukt ist ein Konzept, das erst entwickelt werden konnte, als die Wirtschaft zum hochkomplexen Netzwerk wurde.
Wenn wir heute von Geld sprechen, so ist dies eine Rechengröße. Diese Größe repräsentiert Waren-Aggregate. Aber Geld ist auch eine Größe, welche sich verselbständigt hatte, und welche durch ganz unterschiedliche materielle Signifikanten repräsentiert wird: durch ein standardisiert produziertes Stückchen Metall; durch ein Blatt Papier; vor allem aber durch numerische Größen in Buchhaltungen.
Gemeinsam haben alle diese Repräsentationen, dass sie von einem Staat in unterschiedlichem Ausmaß garantiert und deshalb von Menschen als „Werte“ akzeptiert werden.
Dieser eher abstrakte Charakter des Gelds, diese „Erwartungs-Größe“, ist für die meisten Menschen schwer begreifbar. Aber sie ist nur eine Ausdrucksform von Gesellschaft überhaupt. Alle Gesellschaft besteht aus angelernten Handlungen und aus Erwartungen.
Es ist also absurd, sich über „Falschgeld“, über „billiges Geld“ etc. aufzuregen, wie es rebellisch gewordene Kleinbürger tun (man vgl. etwa Maier 2014 über die „Plünderung der Welt“). Das ist nun einmal der Charakter des Gelds, und es gibt alle möglichen Grade und Schattierungen von Wert-Repräsentationen.
Was aber politisch passiert: Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass mit dem Geldsystem was nicht stimmt. Und sie haben natürlich recht. Aber das liegt nicht sosehr am Geld, als vielmehr am System. Einigermaßen theoretisch ausgedrückt:
Die Vergesellschaftung der Wirtschaft ist dermaßen stark geworden, dass dieses private Regulierungs-Instrument, welches wir Geld nennen, schlichtweg ungenügend wird. Und darüber hinaus ist nicht jede Geld-Qualität für alle Ebenen von Gesellschaft und Politik geeignet. Private Alternativgeld-Formen können u. U. auf lokaler und regionaler Ebene nützlich sein. Sie sind bereits national völlig ungenügend. International gibt es erst recht eine ziemlich gebrochene Dialektik von nationalen Eigenständigkeiten und Globalisierung, von Vernetzung im Weltmaßstab und einzelstaatlichen Regelansprüchen. Daher gewinnt denn auch das Gold immer noch und immer wieder eine Rolle, die man ihm seit Jahrzehnten immer wieder schon abgesprochen hat, als internationales Warengeld. Und doch wird auch dieses Warengeld normaler Weise nicht körperlich hin und her geschickt, sondern nur in verbrieften Ansprüchen. Das Schweizer Gold lagert ja nicht einmal in der Schweiz.
Aber auch als Mittel in einer schweren Krise wird Gold höchsten ganz kurzfristig eine Hilfe sein. Insofern ist die Schweizer Volks-Initiative vielleicht nützlich, wenn sie klug umgesetzt wird, z. B. wann man die Goldbestände wider aufstockt – jedenfalls nicht in einer Hochpreis-Periode.
Aber das Problem lösen wird sie nicht, und schon gar nicht in der Schweiz, diesem Knotenpunkt des Finanz- und Banken-Kapitalismus. Der Wunsch nach Gold als sicheren Hafen, als ungefährdete Wertanlage, ist die Suche nach einem archimedischen Punkt besonderer Art: Man will die Welt nicht aus den Angeln heben. Im Gegenteil: Man möchte zu gern, dass sie sich zu drehen aufhört, damit es nicht ständig neue Unsicherheiten gibt.
Wie aber eine stärkere Kongruenz zwischen der Vergesellschaftung der Produktion und der individuellen Verteilung ihrer Ergebnisse zu lösen sein wird, ist die Frage unserer Gesellschaft schlechthin. Ob eifernde Kleinbürger und ehemalige Chefredakteure von Wirtschafts-Zeitungen mit ihrer Sehnsucht nach der guten alten Zeit da viel beitragen, ist zu bezweifeln.
8. Okt. 2014