Am 13. Dezember hat die 5 Sterne Bewegung (Movimento 5 Stelle, M5S) eine Kampagne zur Sammlung von Unterschriften für ein Volksbegehren über den Austritt Italiens aus dem Euro angekündigt. Damit äußert die M5S zum ersten Mal eine klare Position über die Europäische Union und den Euro, gefolgt von einer klaren politischen Aktion, nämlich einer Kampagne für die Befragung der Bürger über den Austritt aus dem Euro.
Die Linke Koordination gegen den Euro begrüßt die Eröffnung des politischen Kampfes um die Frage des Euro und der demokratischen Souveränität, auch wenn wir den Weg des Volksbegehrens in Anbetracht der Kräfteverhältnisse und des vorherzusehenden Versuchs der Pro-Euro Medien die Bevölkerung zu verängstigen und die politische Debatte zu vergiften als schwer umzusetzen und als riskant betrachten.
Trotz der obengenannten Schwächen und unserer Überzeugung, dass Italien nicht durch ein Referendum aus dem Euro austreten wird, betrachtet die Linke Koordination gegen den Euro das Volksbegehren als ein nützliches Instrument für eine breite öffentliche Debatte, eine Gelegenheit um jedem Bürger eine umfassende und nicht verzerrte Information über die Verantwortung der Einheitswährung Euro für das ökonomisches Desaster in unserem Land und über mögliche Lösungen zu geben.
Die Unhaltbarkeit eines einheitlichen Währungsraumes wie des europäischen ist eine jedem Ökonom bekannte Tatsache. Dies erklärt, dass seit einiger Zeit innerhalb der politischen Kräfte eine Neupositionierung bezüglich des Euro stattfindet, begonnen bei der chauvinistischen Rechten der Lega Nord, über die liberale Rechte von Berlusconi bis hin zu Teilen der Demokratischen Partei (PD). Demnach könnte der Austritt aus der einheitlichen Währung – der einen starken politischen Druck erfordert – keine reale Änderung des Kurses der ökonomischen Politik des Kontinents und in unserem Land mit sich bringen. Wenn die politische Klasse, die Italien aus dem Euro führen wird, derselben Art ist wie diejenige, die uns in die Eurozone geführt hat, wird sie weiterhin die Interessen der großen ökonomischen Mächte verteidigen und würde mit der gleichen neoliberalen Politik weitermachen, also den Reichtum von den Armen zu den Reichen umverteilen, sowie öffentliche, gemeinnützige Güter und Leistungen privatisieren.
Der Austritt aus dem Euro ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung um unserem Land eine Zukunft zu garantieren. Daher meinen wir, dass eine Reihe von Maßnahmen unverzichtbar ist:
1. Aufhebung der Gründungsverträge der EU (von Maastricht bis zum Fiskalpakt)
2. Verstaatlichung der Bank von Italien und des Bankensystems
3. Ökonomische Politik für die Erreichung der Vollbeschäftigung
4. Ausgabe einer neuen souveränen Währung
5. Kontrolle der Kapitalbewegung
6. Pläne für „garantierte Arbeit“ für die Erreichung der Vollbeschäftigung
7. Moratorium der Staatsschulden
8. Anwendung der Verfassungsprinzipien für eine demokratische Ökonomie als Grundlage realer Demokratie
Es handelt sich dabei um Fragen der vollen und korrekten Anwendung unserer Verfassung, Ziele von lebenswichtiger Bedeutung damit die grundsätzlichen demokratischen Werte Wirklichkeit werden und die volle Volkssouveränität erreicht wird.
Die Linke Koordination gegen den Euro unterstützt die Unterschriftensammlung der M5S, mit dem Wunsch nach einer klaren und aufrichtigen Auseinandersetzung und der konkreten Mitarbeit aller Bürger und Militanten, die dafür arbeiten, dass das Land, das sich heute in einer nie vorher dagewesenen sozio-ökonomischen Krise befindet, frei, demokratisch und souverän wird, dass die Politik als Mittel zur Verteidigung der Interessen des Volkes dient und der Idee der Zentralität der Arbeit, wie sie in Artikel 1 der Verfassung vorgesehen ist, folgt.
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Wir dokumentieren die Initiative der 5 Sterne Bewegung (Link siehe Kasten):
Wie man aus dem Euro austreten kann
Das konsultative Referendum, um aus dem Euro auszutreten, ist möglich. Um es einzuberufen ist die Verabschiedung eines „ad hoc“ Verfassungsgesetzes notwendig, wie etwa im Jahr 1989 passiert, als die Italiener über ein Mandat zur Erarbeitung einer europäischen Verfassung durch die Europäische Union abstimmten.
Die Entscheidung über ein solches Verfassungsgesetz, aus dem heraus ein Referendum einberufen werden kann, wird den Italienern über ein Volksbegehren präsentiert. Dafür müssen innerhalb von 6 Monaten 50.000 Unterschriften gesammelt werden. In diesem Fall können danach, wahrscheinlich im Mai 2015, die Sprecher der 5 Sterne Bewegung ein solches Gesetz im Parlament und im Senat präsentieren. Nachdem das „ad hoc“ Verfassungsgesetz, um ein Referendum einzuberufen, approbiert ist, werden die Italiener voraussichtlich im Dezember 2015 zu den Urnen gerufen, um ihre Meinung über den Austritt aus dem Euro zu äußern.
Wir brauchen die größtmögliche Zahl an Unterschriften, um den Befehlsvollstrecker von Merkel und der EZB unter Renzis Führung kein Alibi mehr zu geben. Die Italiener müssen entscheiden können, ob sie mit dem Euro sterben oder leben und ihre Souveränität zurückerobern wollen.
Erlangen wir unsere Währungssouveränität zurück
Die Zinsen auf die Staatsschulden töten das Land und haben zum Abbau des Sozialstaates geführt. Der jährliche passive Zinsaufwand wird steigen und im Jahr 2015 100 Milliarden Euro erreichen.[1] Im Jahr 2011 waren es 78 Milliarden, im Jahr 2012 89, im Jahr 2013 95 und im Jahr 2015 werden es 99,808 Milliarden sein. In den letzten 30 Jahren hat Italien also 3100 Milliarden [2] an Zinsen auf die Staatsschulden bezahlt: eine Monstrosität.
Die Milliarden, die der Staat für die Zahlung der Zinsen auf die Schulden ausgibt, werden den primären Leistung für die Bürger entwendet: Renten, Gesundheit, soziale Leistungen, Bildung und Ressourcen für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs).
Mit dem Euro können die Staatsschulden nur weiter wachsen und damit auch die Zinsen, bis der italienische Sozialstaat gänzlich zerstört und nur eine leere Hülle sein wird. Ein von der EZB zerfressener Leib.
Die Staatsschulden sollen deshalb in eine neue Währung übertragen werden, eine Währung die an den Wert unserer Wirtschaft gebunden ist. Wir werden somit weniger Zinsen auf die Staatsschulden zahlen. Der Staat könnte seinen vorhandenen Primärüberschuss (nach Abzug der Schuldzinsen) verwenden, um aktive Wirtschaftspolitik und Sozialausgaben zu finanzieren. Wenn Italien aus dem Euro austritt, werden die kleinen und mittleren Unternehmen wieder wettbewerbsfähig werden und die Beschäftigung wird wachsen und die Auslandsinvestoren würden dennoch unsere Schulden finanzieren, die dann tragbarer und ehrenhafter sein werden.
Eine Rettung aus dem Euro ist möglich, aber die Zeit ist knapp. Erlangen wir unsere Währungssouveränität zurück, um aus dem Alptraum des Defaults herauszukommen. Um nicht wie Griechenland zu enden. Raus aus dem Euro oder Default. Es gibt keine Alternative.
Die Kosten des Euro
Wenn man über eine Rückkehr zur Währungssouveränität spricht, d.h. einer Währung die der Kontrolle des italienischen Staates und nicht der von ausländischen Bankinstituten unterliegt, denken die Menschen oft „und was wird uns danach passieren?“. Sie sind Euro-süchtig geworden und vertrauen mehr den ökonomischen Killern, den Wucherern von nebenan, in diesem Fall den Institutionen der europäischen Länder, die in all diesen Jahren unsere Staatsanleihen gekauft haben (30% davon werden im Ausland gehalten[3]), als jeglicher italienischer Regierung. Und man kann sie sogar verstehen, wenn man an die Regierungen denkt, die uns regiert haben. Die gleichen Zweifler stellen sich aber nicht die Frage: „Wie viel kostet es uns, im Euro zu bleiben?“
Eine erste Antwort lautet: die von Jahr zu Jahr wachsenden Zinsen auf die Staatsverschuldung, die im Juli das historische Niveau von 2.168 Milliarden Euro erreicht haben.[4] Mit einer vom italienischen Staat durch die Banca d’Italia, die somit wieder ihre Funktion als Gläubiger der letzten Instanz annehmen würde, so wie es vor dem Beitritt in den EMS[5] der Fall war, herausgegebenen Währung würden vorhandenen Zinsforderungen und der erzielte Primärüberschuss die Steuern unter Kontrolle halten und uns aus der Spread-Panik befreien, der wir heute regelmäßig ausgesetzt sind. Für die privaten Banken ist es offenbar besser den Schuldner zu töten als neu zu verhandeln. Der Schuldner Italien jedoch hat aber genau das umgekehrte Interesse. Italiens Überschuss vor Zahlung der Zinsen auf die Staatsschuld würde circa 40 Milliarden Euro betragen.[6] „Wie viel kostet es uns im Euro zu bleiben?“ Auf jeden Fall zu viel und das ohne jeglichen Grund.
Der Euro tötet Unternehmen
Wer sind die Verlierer und wer die Gewinner des Euro? Die italienischen Unternehmen haben einen sehr hohen Preis bezahlt. Seit 1997, als Italien die Lira aufgewertet hat um sie an den ECU zu koppeln (aufgezwungene Bedingung um dem Euro beitreten zu können), ist die italienische industrielle Produktion um 25% gefallen. Im selben Zeitraum ist die deutsche industrielle Produktion um 26% gestiegen. Als wären alle Unternehmen Mittelitaliens verschwunden und wieder in Deutschland aufgetaucht.
Seit der Einführung des Euro ist die positive Zahlungsbilanz Deutschlands gleich der negativen der peripheren Länder wie Spanien, Italien, Griechenland, Portugal, Irland und Zypern. Mit anderen Worten es hat ein Nettovermögenstransfer von der Peripherie ins Zentrum stattgefunden, mit einem Nullsummenspiel für die Eurozone als Ganzes.
Zum Vermögensverlust kommt der Verlust an unternehmerischem Know-How, Wettbewerbsfähigkeit, Ansehen und Kompetenz dazu. Konkret bedeutete es ein BIP im freien Fall, die Verwüstung der industriellen Basis, explodierende Arbeitslosigkeit, nicht qualifizierte Arbeiter und Hungerlöhne.
Außerhalb des Euro und mit einer eigenen Währung, die mit der realen Wirtschaft verbunden ist, wären die italienischen Unternehmen beim Export bevorzugt und es wäre billiger in Italien statt im Ausland zu produzieren. Neue Aktivitäten würden wieder entstehen, die damit verbundenen Vorleistungen würden sich entwickeln und Arbeitsplätze geschaffen.
Die Kollaborateure, die dieses Debakel erlaubt haben, sind die gleichen die weiterhin Italiens Kopf in der Schlinge des Euro sehen wollen. Die Erpressung, mit der sie die Italiener schikanieren, ist der Grund warum diese Troika-Bürokraten sich noch an der Macht halten. Sie wollen nicht aus dem Euro austreten, weil sie ihre Macht bewahren wollen.
Im ersten Semester 2014 haben in Italien 8.101 Unternehmen Konkurs angemeldet,[7] 10% mehr als noch im Vorjahr. Im Durchschnitt haben jeden Tag 63 Unternehmen Konkurs angemeldet: mehr als zwei Unternehmen pro Stunde. Wir können keine Minute verlieren! Raus aus dem Euro um die Unternehmen zu retten!
Befreien wir uns von den Schulden
Die Staatsverschuldung ist eine Art Mythos, über sie kursieren Gerüchte, Lügen, Halbwahrheiten. Diese schwer zu fassende Wahrnehmung macht die Staatsverschuldung zu einem sehr nützlichen Instrument in den Händen der Regierenden. Die Staatsverschuldung dient dem Staat dazu, die öffentlichen Ausgaben, die nicht von den Steuern gedeckt sind, zu finanzieren. Mit anderen Worten, wenn sich der Staat in einer Defizit-Position (Ausgaben > Steuern) befindet, leiht er sich Geld um weitere Ausgaben zu tätigen.
Der Staat finanziert sich, indem er Schuldverschreibungen mit verschiedener Laufzeiten (im Fall Italiens Bot, Cct, Btp) ausgibt. Die Sparer, ob inländische oder ausländische, kaufen diese Schuldtiteln und finanzieren damit den ausstellenden Staat. Bei Fälligkeit der Wertpapiere hat der Staat die Pflicht, an den Gläubiger die ganze Kreditsumme zurück zu zahlen, während der Kreditlaufzeit zahlt er Zinsen. Am Ende hat der Gläubiger, der 100 geliehen hat, diese 100 plus die Zinsen der gekauften Titel zurückbekommen.
Das eigentliche Problem sind also die Zinsen. Wenn sie zu stark steigen muss jedes Jahr eine immer höhere Quote der Staatsausgaben für die Zahlung dieser Zinsen verwendet werden.
Die Zinsen steigen, wenn der Staat nicht alle seine Titel verkaufen kann und gezwungen ist, die Zinsen zu erhöhen um Investoren anzuziehen oder auch wenn die gekauften Titel massenhaft wiederverkauft werden. Das passiert in der Regel bei mangelndem Vertrauen auf die Rückzahlung. Die Kosten der Staatsverschuldung hängen damit von der Zuversicht der Anleger gegenüber dem Schuldnerstaat ab.
Es ist damit klar, dass es für einen Staat und seine Bürger entscheidend ist eine eigene Währung zu besitzen. Italien kann nicht Euros drucken, aber hätte sehr wohl Lira drucken können.
Wenn ein Staat das Geld drucken kann, das er für die Zahlung seiner Schulden benötigt, ist die Rückzahlung der Staatsanleihen IMMER gesichert. Wenn jedoch der Staat kein Geld drucken kann, muss er sich jeden Cent, den er für die Zahlung der Staatsanleihen und deren Zinsen benötigt woanders anschaffen. Dazu wird er seine Bürger noch mehr besteuern, die produktiven Ausgaben reduzieren und sich noch mehr verschulden. Paradoxerweise werden neue Schulden gemacht, um die existierenden Schulden zu bezahlen und damit multipliziert sich die Verschuldung weiter. Ein Teufelskreis, der mit der fehlenden Währungssouveränität beginnt.
Wir müssen so schnell wie möglich aus diesem Käfig ausbrechen, die Kontrolle über unsere Banca d’Italia zurückerlangen und ihr ermöglichen, falls notwendig, Geld zu drucken, die Zinsen zu reduzieren und die Liquidität für die reale Wirtschaft zu erhöhen. Sich der Erpressung der Märkte zu entziehen ist einfacher als man denkt.
Die in der neuen Währung übertragenen Staatsschulden könnten tugendhaft verwaltet und ein Reichtum für die Bürger sein, indem damit strategische Projekte, Sektoren mit höheren Beschäftigungsgraden, soziale Dienste, Bildung, Forschung und Schulen finanziert werden. Es ist eine Verschuldung, die sich durch das Wachstum des BIPs, der Beschäftigung und der Steuereinnahmen selbst finanziert.
Würde Italien aus dem Euro austreten, eine de facto ausländische Währung, würden circa 94% seiner Verschuldung in Lire übergehen und der Spread würde damit in Vergessenheit geraten.
Raus aus dem Euro, um gemeinsam eine Italien der 5 Sterne zu erreichen!
[1] http://www.ilsole24ore.com/art/finanza-e-mercati/2013-04-03/come-sara-italia-2015-154535.shtml?uuid=AbVN2xjH