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Tsipras: Angst vor dem eigenen Mut

Das Akzeptieren des Euro-Regime leitet den Anfang von Syrizas Ende ein


21. Februar 2015
Antiimperialistische Koordination (AIK)

Hat mit der Brüsseler Einigung über die Verlängerung des EU-Programms für Griechenland die gemeine Vernunft gesiegt? Oder handelt es sich um eine Kapitulation, die die Hoffungen auf eine Änderung der sozialen Lage der breiten Massen zerstört?


Die bisherige harte Haltung Tsipras’ gegen die europäische und speziell gegen die deutsche Finanzoligarchie setzte die Herzen in Brand.* Nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa wurde Tsipras zum Hoffnungsträger für die Opfer des Neoliberalismus und der Krise des Kapitalismus.

Die Botschaft war glasklar: Schluss mit der Lüge der Elite, dass nur eisernes Sparen bei den breiten Massen zum Heil führen würde – während sie sich selbst hemmungslos bereichert. Wir pfeifen auf die menschenverachtende Logik der Finanzmärkte, auf die angebliche ökonomische Vernunft, die Arm und Reich immer weiter auseinander treibt. Die Demokratie ist zurück, die Interessen der Mehrheit zählen wieder! Der Jubel war groß und hätte noch weiter anwachsen können.

Doch Syriza bekam Angst vor ihrem eigenen Mut. Es genügten ein paar harte Worte von Zuchtmeister der Gläubigergier, Wolfgang Schäuble, nach dem es mit Griechenland und dem Euro bald aus sein könnte, und sie fühlen sich mit dem Rücken zur Wand. Denn Syriza hatte nicht nur das Ende des Hungerdiktats versprochen, sondern den gleichzeitig unmöglichen Verbleib in der Euro-Zone. Varoufakis hatte hoch gepokert, ohne den einzig möglichen Trumpf in der Hand zu halten – nämlich den aktiven Bruch mit der kapitalistischen Elite, den selbst gesteuerten Austritt aus dem Euro-Regime, für den sich gegenwärtig eine außergewöhnliche Möglichkeit der Massenmobilisierung bietet.

Syriza ist leider Gefangener seiner Vergangenheit, seiner Herkunft von der eurokommunistischen Synaspismos. Nach dieser ist die EU die höchste Errungenschaft der Nachkriegsgeschichte. Man müsse sie nur noch sozialer machen. Dass die Union genau dafür gebildet wurde, um die national konstituierten Sozialstaaten aus dem Weg zu räumen, kommt Syriza nicht in den Sinn.

Klar, das Volk will Sicherheit, wollte den Spagat zwischen Ende der Austerität und Verbleib im Euro. Man will zum Zentrum gehören und nicht zur Peripherie. Aber Syriza versteckt sich zunehmend hinter dem Volk, hinter dem von der Realität überholten Wählerauftrag mit unauflösbarem Widerspruch. Doch während das Volk zu verstehen beginnt, spielt die Syriza-Führung die Rolle der Nachhut, bremst den Lernprozess. Die Antwort liegt in der Luft und auf der Hand: Wenn Berlin, Brüssel und Frankfurt auf das Hungerprogramm bestehen, dann sollen die Gläubiger doch zum Teufel gehen. Dann wäre es nämlich Schäuble und die Goldmänner, die in Panik geraten würden. Dass die Annullierung der Schulden möglich ist, haben schon weit weniger links stehende Regierungen in Argentinien oder Island vorexerziert. Am Ende einer solchen Politik hätte eine breite Koalition für den offensiven Bruch stehen können – weit über Griechenland hinaus, siehe Podemos in Spanien. Die Konturen des wahren sozialen Europa – auf den Trümmern des Euro und der EU – hätten sich abzeichnen können.

Aber Syriza hat die Hosen bereits heruntergelassen. Sicher, sie werden versuchen nach zu verhandeln. Doch der von der Oligarchie vorgegebene Rahmen ist eng abgesteckt, vor allem soll die Unterschrift an alle signalisieren, wer das Sagen hat. Nun kann es nur mehr um Kosmetik gehen. Die Herrschenden haben Syriza fast so weit, dass die „Radikale Linke“ ihr Programm weiterführt. Sollte sich das bestätigen, ist Syriza mausetot.

Im Angesicht des drohenden Untergangs könnte man auch alles auf eine Karte setzen und die Flucht nach vorne antreten. Vielleicht würde bei einem aktiven Austritt Syriza einen Teil der Unterstützung des Mittelstands verlieren, aber das ist keineswegs sicher. Doch der Kampf wäre offen und eine mögliche Niederlage ehrenhaft und zumindest Basis für weitere Versuche. Als Henker der Troika zu dienen bedeutete indes die größtmögliche Schande und die sichere Niederlage.

Was dann folgen würde, ist unklar. Jedenfalls würde sich die Rechte konsolidieren, einerseits um einen Bürgerblock geführt von den alten Eliten, andererseits um einen faschistischen Pol vom Typus Goldene Morgenröte.

Noch ist die Schlacht aber nicht verloren. Die genauen Bedingungen des Hungerprogramms sind noch nicht definiert und es kann noch zum Platzen gebracht werden. Jede noch so kleine soziale Maßnahme kann von der Banker-Kaste abgelehnt werden und stellt damit die Kapitulation in Frage. Vor allem ist der Verbleib im Euro auch mit der Verlängerung der EU-Vormundschaft in keiner Weise gesichert, denn in ein paar Monaten steht der Bankrott wieder vor der Tür, zumal die neoliberalen Rezepte nicht funktionieren.

Die zentrale Forderung der subalternen Klassen bleibt: Austritt aus dem Euro – Bruch mit dem kapitalistischen Zentrum.

Dann folgen auf den Fuß: Kapitalverkehrskontrollen. Streichung der Schulden. Verstaatlichung der Banken. Investitionsprogramm. Austritt aus EU und NATO. Hinwendung zu Russland, China und einem vom Westen unabhängigen Bündnis.

Es bedarf der anhebenden Volksbewegung, um die Kapitulation zu verhindern und der internationalen Solidarität mit diesen Kräften.

* „Arbeiter, Bauern, nehmt die Gewehre zur Hand. Zerschlagt die faschistischen Räuberheere, setzt alle Herzen in Brand!“ Gedicht von Erich Weinert, vertont von Hanns Eisler, gesungen von Ernst Busch

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