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Wahlen und ihre Ergebnisse: Steiermark; Burgenland

1. Juni 2015
Von A.F.Reiterer

Jenseits des Fetischismus der Wahlen geben sie ein Stimmungsbild


Die politische Klasse in Österreich ist genügsam geworden, zumindest was ihre Ansprüche an Legitimität betrifft.

Alles, was unter 30 % sei, bedeute für ihn eine Niederlage, ließ der steirische LH Voves verlauten. Angesichts eines Ergebnisses von 38 1/2 % bei den letzten Wahlen heißt dies doch wohl: Ein Verlust von bis zu 22 % (8,5 Punkte von 38, 1/2 %), von fast einem Viertel des Anteils, ist für ihn ein Erfolg. Aber man hätte es wissen können: Es sind heute nur 29 % geworden, aber er geht doch nicht. Ganz Voves mit seinem bekannten Charakter: auf die paar Zehntel (!) drunter kommt’s doch nicht an…

Man erinnert sich: Als Kreisky 1983 6,6 % verlor, von 51 % auf 48,7 % abbaute, betrachtete er dies als eindeutige Niederlage und trat zurück. Und als der Arbeiterkammer-Präsident Vogler bei einem deutlichen Verlust, 10 Punkte in Wien, nach den AK-Wahlen 1994 von einem „ganz ganz großen Erfolg“ sprach, hat ihn der damalige SP-Vorsitzende Vranitzky, der ja selbst nicht gerade ein Wahlsieger war, zum Rücktritt gezwungen. Aber die Zeiten ändern sich, wie wir wissen.

Man muss Wahlen immer auf zwei Ebenen betrachten, auf der Ebene der Wähler und auf der Ebene der Institutionen. Beides kann recht deutlich auseinander fallen, wie wir in Großbritan­nien eben sahen. Die Konservativen haben dort stagniert. Ihre minimalen Gewinne lagen unter jenen von Labour. Aber mit dem dortigen Wahlrecht, das die ÖVP auch hier so gerne möchte, haben sie genug Mandate für eine Mehrheit gewonnen. In der Steiermark haben die Regierungsparteien auch ein wenig manipuliert, mit der Verkleinerung des Landtags. Das sollte vor allem die KP treffen. Die anderen Kleinparteien sind so oder so zu klein, um davon noch benachteiligt zu werden.

Auf der Ebene der Bevölkerung aber kann eine Wahl recht aussagekräftig sein. So auch heute. Es ist eine schallende Ohrfeige für die Regierungsparteien. Alle Medien haben die „Reform­partnerschaft“, die Leistungsabbau-Partnerschaft der SPÖVP in der Steiermark kräftig unter­stützt. Noch vor einer Woche hat z. B. das Profil (22. Mai) seine Ausgabe den „mutigsten Politikern“ in Österreich gewidmet. Es scheint nicht, als ob’s viel genutzt hätte. Möglicher Weise hat diese Zeitungswalze den Regierungsparteien sogar geschadet.

Der steirische LH, der sich noch vor wenigen Jahren als „links“ bezeichnete und allein wegen dieser Fürwitzigkeit eine Kampagne der „Krone“ aushalten musste, ist ganz weit nach rechts gerückt. Seine zahme innerparteiliche „linke“ Opposition hat er hinaus geworfen. So konnte denn die steirische konservative Einheitspartei ungeniert den Kindergarten verteuern, die Pflegekosten privatisieren und weitere solche „modernisierende Maßnahmen“ setzen. Über­haupt: Wenn ein Sozialdemokrat sich als „links“ einstuft, ist höchste Vorsicht geboten. Man kann ziemlich sicher sein, dass damit etwas Schmutziges und Übles geplant ist. Man sehe nach Deutschland, zur „linken“ Nahles und zu Gabriel, der sich früher auch einmal als „Linker“ aufspielte. Aber auch in Österreich haben wir genug dieser „linken“ Typen; man denke an den Ex-Finanzminister Lacina oder den Bundesgrüßaugust Fischer.

Im Burgenland gehen die Uhren zwar immer etwas langsamer. Aber auch da hat dieser unsägliche LH Niessl und der nicht weniger unsägliche Vize von der ÖVP eine schwere Schlappe eingefahren. Man hat der Bevölkerung von den Vorteilen der EU vorgeschwärmt. Die aber spürte steigende Arbeitslosigkeit und Lohndruck. Und beschränkt wie sie ist, wollte sie das nicht.

Und die FPÖ?

Nun, hier gilt es, den Unterschied zwischen den Absichten ihrer Wähler und dem Programm dieser Partei zu machen. Für die meisten Menschen in Österreich ist es offenkundig: Vor wem fürchten sich die Regierungsparteien am meisten? Eindeutig vor der FPÖ. Wenn es also drum geht, die Regierungen abzustrafen, wählen sie durchaus mit einer gewissen Rationalität diese Partei. Denn gewählt wird mittlerweile schon lange nicht mehr für etwas, sondern gegen.

Die steirische KP hat ein Wahlergebnis errungen, das bei näherem Zusehen nicht so schlecht ist – vorausgesetzt, sie kommt doch in den Landtag. Hier kommt es sehr wohl auch auf die Institution an. Sie hat sich nämlich mittlerweile eine kleine, aber doch halbwegs konstante Wählerschaft erarbeitet. Noch vor Kurzem hatte man den Eindruck: Die Partei wird nicht als politische Kraft wahrgenommen, sondern als eine Art linke Caritas. Überdies hat sie von frei flottierenden Proteststimmen profitiert, welche genauso gut auch Stronach wählen könnten. Die hat sie offenbar verloren, und das hat ihr den leichten prozentmäßigen Verlust beschert. Die KP als Caritas oder als eine undifferenzierte Protestpartei neben anderen – das scheint inzwischen eine überholte Einschätzung zu sein. Man muss sich die Ergebnisse auf regionaler und lokaler Ebene ansehen. In der Umgebung von Graz und auf dem flachen Land in der Oststeiermark und sonstwo hat sie tatsächlich etwas verloren. Aber in der Obersteiermark, in den ehemaligen Industrie-Bezirken, da hat sie vereinzelt beachtlich gewonnen. Das spricht für den politischen Charakter der neuen Wahrnehmung.

Die Steirer führen im Gegensatz zur Bundes-KPÖ und noch viel stärker zur Wiener Partei eine ziemlich konsequente und linke Politik. Man muss keineswegs mit Allem einverstanden sein, um dies festzustellen. Trotzdem könnte die steirische KP eine Hoffnung für die öster­reichische Linke sein. Dazu gehört auch, dass sie den Illusionen eines „sozialen Europa“ nicht aufsitzt und eine kritische Haltung zur EU hat.

Es gibt auch noch einen allgemeinen Hintergrund. Wir wissen, dass die Kompetenzen der nationalen Politik von der EU immer stärker eingeengt werden und mittlerweile bald schon zum Vernachlässigbaren hin tendieren, soweit es um die Grundlagen geht. Aber noch immer benehmen sich die nationalen Politiker, als ob sie das Sagen hätten. Dieser Widerspruch fällt natürlich auch der Bevölkerung auf. Sie ist immer weniger gewillt, sich frozzeln zu lassen.

Die Politik ist also aus eigener Verantwortung immer stärker außenbestimmt und abhängig. Über das kommen auch die nationalen Spitzen nicht hinweg. Aber selbst innerhalb dieser ernsthaften Beschränkungen wäre noch Einiges möglich. TINA („There isno alternative“) war und bleibt eine zutiefst reaktionäre Phrase.

Allerdings hat man den Eindruck: Das ist den Hauptakteuren mittlerweile wurscht. Noch halten sie ihre Positionen. Aber das kann nicht mehr lange so dauern. Ich freue mich bereits auf die nächsten Wahlen in Oberösterreich und Wien.

Da stellt sich allerdings die Frage: Was kommt dann? Im zweiten Bezirk kleben anarchisti­sche Zettel: „Wenn Wahlen etwas ändern könnten, wären sie verboten.“ Das ist ein grober Fehler. Aber in einem Punkt haben sie historisch Recht. Wenn Wahlen etwas änderten, wurden sie meist tatsächlich verboten. Das ist heute nicht mehr möglich? So ganz sicher bin ich mir nicht. Vielleicht werden sie nicht formell verboten. Aber die Manipulationen am Wahlrecht lassen Böses ahnen, nicht nur in Italien.

31. Mai 2015

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