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Symbolpolitik und schlechte Taktik

7. Juni 2015
Von A.F.Reiterer

Die Befindlichkeiten der SPÖ und ihrer Organisationen


Man ist versucht, ironisch zu werden. Die SPÖ führt seit Jahrzehnten eine Politik, welche diametral gegen die Interessen und die Wünsche ihrer seinerzeitigen Anhängerschaft geht, gegen die Bedürfnisse der Unterschichten und der Unteren Mittelschichten. Nun entschließt sich ein Landeshäuptling aus reinem Machterhalt zu einer Koalition mit der FPÖ. Im Koali­tionsabkommen stehen Vorhaben, wovon man eigentlich sagen müsste: Alles Selbstverständ­lichkeiten für eine alte Sozialdemokratie.

Aber die Partei ist in Aufruhr, und insbesondere die Organisationen der Jüngeren überschla­gen sich und werfen mit Vokabeln um sich, die nicht eigentlich politische Kategorien sind: „Frechheit“, ….

Seit der neokonservativen Wende der SPÖ, insbesondere nach den Sinowatz-Vranitzky-Kanzlerschaften, hatte diese Partei stets ein Riesenproblem. Sie hatte sich resolut auf eine Politik der Umverteilung nach oben, der Unterstützung des Großkapitals und der Aufgabe des eigenständigen österreichischen Wegs im Rahmen des EU-Imperiums festgelegt. Die ersten zwei Punkte hat ja auch Kreisky bereits verfolgt („Solange ich regiere, wird rechts regiert“). Der dritte Punkt aber, den Anschluss an die EU und über sie an Deutschland, war ein Bruch mit dessen Politik. Das hat er denn auch deutlichst so akzentuiert, und erst knapp vor seinem Tod konnte man ihn dazu bringen, sich mit Vranitzky photographieren zu lassen, sich mit ihm zu „versöhnen“.

Aber das Problem der SPÖ war: Wie hält man die eigene Klientel bei der Stange? Wie real dies war, zeigen die Stimmenanteile: Am Ende der paar Jahre Sinowatz war die SPÖ in den Nationalratswahlen bei 43 % angelangt – nach fast 48 % drei Jahre zuvor. Und es ging weiter abwärts, erst nur langsam, dann aber steil: 1994 war der Ex-Banker und seine Partei bereits bei 34,9 % angelangt.

Schon 1986 hatte Vranitzky einen Trick gefunden. Jörg Haider machte ihm den Gefallen und spielte den System-Oppositionellen. Damit konnte der neue SP-Grande die Wahl zu einer Anti-FP-Wahl stilisieren. Und diese Taktik behielt die SPÖ bei, bis eben die Haider-Partei 1999 mit 27 % die zweitstärkste Partei war und die SPÖ vom Rosstäuscher Schüssel aus­manövriert wurde.

Was hat es damit auf sich? Es ist ein taktisches Spielchen sehr kurzfristiger Natur, das im Grunde inzwischen mit Eklat gescheitert ist. Erst ging es vor allem darum, die durch die Politik der Partei verärgerten Stammwähler am Wahltag aus der Protesthaltung und den Wohnungen zu holen. Denn die blieben in zunehmendem Maß zu Hause, nachdem im Verlauf der EG-Kampagne die letzten Linken die Partei verlassen hatten. Es waren also die alten Sozialdemokraten, welche man ansprechen wollte. Für sie setzten die SP-Spitzen die Masken der „Antifaschisten“ auf. Die Wahl dieser Taktik war schon damals zweifelhaft. Eben hatte die SPÖ in der Waldheim-Episode eine massive Niederlage einstecken müssen.

Inzwischen hat sich ein Gutteil der Arbeiter von der SPÖ verabschiedet. Sie bleiben nicht mehr einfach zu Hause; sie wählt direkt die Herren Strache und Kumpanen. Die setzen näm­lich nun viele der Vokabel aus der alten Sozialdemokratie ein. Noch 1994 hatte Haider ge­stottert, wirklich und wortwörtlich gestottert, als er abrupt von „deutsch“ auf „österreichisch“ umschaltete. Seinem Nachfolger und Widersacher geht dies inzwischen ganz geläufig von den Lippen.

Aber irgendwie hat sich die Taktik der SPÖ seither verselbständigt. Dabei geht der Schuss immer wieder nach hinten los. Ein paar alten Sozialdemokraten kann man noch aus den Altersheimen zur Wahl locken: Sie fallen zahlenmäßig kaum mehr ins Gewicht. Aber der Herr Häupl und der Herr Faymann, die glauben immer noch, sie könnten damit Staat machen. Man muss entweder sehr verzweifelt sein, oder aber den Kopf tief im Sand haben.

Aber da kommt nun der zweite Aspekt dazu. Den finden wir ausgeprägt bei der SJ und ähnli­chen Vereinen. Von der SPÖ ist buchstäblich nichts mehr übrig geblieben, was man noch als links interpretieren könnte. Selbst im kulturpolitischen Bereich – Geschlechter-Politik, Bil­dung, Umwelt – gibt es wenig Grund, ausgerechnet die SP zu bevorzugen. Da wird die Partei wiederum von den BOBOs der Grünen und der Haute volée der Neos angeknabbert. Die spielen diese Themen viel konsequenter, nicht zuletzt deswegen, weil es unmittelbar eher Themen der Mittelschicht sind. Also greift man auf den „Antifaschismus“ zurück.

Es ist reine Symbol-Politik, welche da von den Gruppen ins Spiel gebracht wird, welche sich lautstark als „links“ aufspielen. Wenn schon von den alten Versprechungen sonst nichts mehr übrig bleibt, dann sind wir wenigstens „antifaschistisch“. Dass die Bevölkerung vielleicht darüber nur mehr lacht, stört sie nicht.

Aber selbst das ist ganz und gar unglaubwürdig. Wenn sie es wirklich ernst meinten, müssten sie erst einmal die Umbenennung ihrer Partei-Akademie durchsetzen, sie überhaupt einmal fordern. Karl Renner hat sich 1938 / 39 aktiv für die Nazis eingesetzt. Niemand hat ihn darum gebeten, auch die Nazis nicht. Er hat sich den neuen Machthabern aufgedrängt. Wenn er nicht noch stärker kompromittiert wurde, als er ohnehin ist, dann nur, weil die Nazis ihn nicht wirk­lich brauchten und er ihnen schlussendlich lästig fiel. Gesetzt war seine schändliche Schrift bereits. Aber gedruckt hat man sie nicht mehr, man brauchte sie nicht.

Diese Sorte von „Antifaschismus“ dient ausschließlich der Ablenkung von den wirklichen politischen Problemen und im Inneren der SP zu taktischen Spielchen und belanglosen Auseinandersetzungen. Auf das können wir ganz gut verzichten. Warum äußert sich die SJ nicht zu realen und wesentlich wichtigeren faschistischen Tendenzen in der Ukraine? Hat man von ihr irgendetwas zu as-Sisi gehört? Hat sie gegen den immer extremeren israelischen Faschismus einmal was gesagt? Hat sie jemals zu den faschistoid-neoliberalen Tendenzen in den Baltischen Staaten Stellung genommen?

Die Aufregung in der SP wegen Burgenland ist aufgesetzt. Die Partei hat schließlich bisher Alles der Regierungsbeteiligung geopfert. Nunmehr macht sie seit Jahrzehnten gegen Alles Politik, was sie einmal vertreten. Man findet bei ihr nur mehr Sozialabbau, Umverteilung nach oben und den nächsten Schritt zum Verlust von Demokratie und Partizipation.

Man würde das Magengrollen aus der SPÖ nicht wirklich zur Kenntnis nehmen. Der ORF bläst dies allerdings zu einem Problem auf, die im Hintergrund Anderes vermuten lässt. Denn auch um die nächste Watschen für die SPÖ in Oberösterreich und Wien allein geht es offenbar nicht.

Die SPÖ ist nicht willens, ihre Politik zu ändern, und sagt dies auch deutlich genug. Und damit entspricht sie wieder dem Wunsch ihrer Auftraggeber. Da wird Juncker zitiert, der „Juncker-Fluch“ (Spiegel, 11. März 2013): „Wir Regierungschefs wissen alle, was zu tun ist, aber wir wissen nicht, wie wir danach wiedergewählt werden sollen.“ Nach den Niederlagen in der Steiermark und im Burgenland war der Tenor durchgehend: Weiter wie bisher, jetzt erst recht, „Zukunftspartnerschaft“…

Die Strategie der EU war und ist bekanntlich: Alle Entscheidungen von Bedeutung auf eine Ebene verlagern, wo die Bevölkerung einfach keine Möglichkeit mehr hat, einen Einfluss zu nehmen. Aber diese Strategie scheint an ihre Grenzen zu stoßen. Noch ist es prinzipiell ja möglich, den Verein auflaufen zu lassen. Jedenfalls die Größeren tun dies ab und zu. Und die Möglichkeit des Austritts besteht formell auch.

Die Eliten sind des längeren dabei, sich etwas Neues zu überlegen. Vorderhand wird noch experimentiert. Italien ist z. B. ein solches Experimentierfeld, wie es früher einmal Galizien war, wenn die Habsburger ein neues Gesetz ausprobieren wollten. Dort findet seit Jahren ein schleichender Staatsstreich statt. Da geht es nicht zuletzt um das Wahlrecht. Der PD hat mit 30 % der Stimmen 55 % der Kammer-Abgeordneten erhalten und damit die Regierung gebildet. Aber das war noch nicht perfekt, vor allem wegen des Senats. Nun hat er das Wahlrecht geändert, um die Situation an der Macht zu verewigen.

Aber ob das funktioniert, muss sich erst noch zeigen. Renzi hat schon bessere Zeiten gesehen. Die letzten Regionalwahlen liefen nicht gut für seine Partie. Vielleicht muss er etwas weiter gehen. Schon einmal war ein Sozialist aus der Romagna ein „rottamattore“.

Angesichts dieser Probleme ist es für die Eliten höchst nützlich, wenn da Leute „Antifaschis­mus“ schreien. Damit lenken sie von den wirklichen Fragen ab und erleichtern es, ihre Vorhaben durchzuziehen.

7. Juni 2015

Man möge einmal das lesen, was Karl Renner, der „Antifaschist“, selbst geschrieben hat:

Renner, Karl (1991 [1938]), Die Gründung der Republik. Deutschösterreich, der Anschluss und die Sudetendeutschen. Dokumente eines Kampfes ums Recht. Mit einer Einführung von Eduard Rabovsky. Wien: Globus.

 

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