1929 hat die Verfassung einen neuen Bundespräsidenten installiert. Es war eine proto-faschistische Institution. Heimwehren und Christlichsoziale hatten mit Putsch gedroht, und die Sozialdemokratie knickte ein. Der „autoritäre Staat“ – so nannten seine Unterstützer den Austrofaschismus – schickte seine institutionellen Vorboten. Übrigens: Es war nicht der Bundespräsident, welcher stark sein sollte. Der kann fast nur „auf Vorschlag der Bundesregierung“ handeln. Die Regierung sollte die Möglichkeit erhalten, vom Parlament unabhängig und gegen das Parlament zu agieren. Das erinnert durchaus an faschistoide Tendenzen heute in Frankreich und Italien, jeweils vorangetrieben von Sozialdemokraten.
1945 aber übernahm die Sozialdemokratie diese Institution unverändert. Sie hätte damals jede Möglichkeit gehabt, den Führer-Präsidenten wieder zurecht zu stutzen. Warum hat sie es nicht getan? Warum kommt sie erst heute wieder auf diese Idee, wo ein FP-ler die realistische Chance hat, die Wahl zu gewinnen?
Wir wissen wie die Wahl ablief. Die unsäglichen Schlampereien der österreichischen Bürokratie wiederholen nur die Schlampereien, die diese Bürokratie seit Jahren in vielen Bereichen an den Tag legt. So erklärte das Verfassungsgericht die Wahl widerwillig für ungültig – konnte gar nicht anders, wenn es nicht Alles umstoßen wollte, was es bisher stipuliert hatte.
Nicht dass wir dieses Gremium von abgehobenen Spitzen-Bürokraten deswegen jetzt in den Himmel heben sollten. Es findet immerhin nichts an der Briefwahl auszusetzen, die alle Prinzipien eines Wahlablaufs missachtet und Manipulationen Tür und Tor öffnet. Es war auch dieses Gremium, welches vor zwei Jahrzehnten gegen jede Logik des hiesigen Wahlrechts die „Auslandsösterreicher“ zu Wahlen zuließ – jene Hamburger oder Frankfurter oder Londoner, die gewöhnlich seit Jahren keinen Fuß mehr nach Österreich setzten. Aber die Menschen aus der Türkei oder Ex-Jugoslawien, die seit Jahrzehnten hier leben, dürfen nicht wählen.
Auf diese Schmierenkomödie dürfen wir nicht einsteigen! Nicht zu wählen ist in manchen Zeiten die einzige politisch und moralisch akzeptable Wahl. Lassen wir uns nicht betrügen. Es ist eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Aber niemand soll glauben, dass alle dabei brav mitspielen.
Van der Bellen hat die skandalösen Vorfälle bei der Wahl die längste Zeit nonchalant ignoriert. Wirkten sie doch zu seinen Gunsten. Vor allem aber: Van der Bellen vertritt eine Politik, die diametral gegen Alles gerichtet ist, was wir anstreben. Wenn er etwa einer Mehrheit nicht nachkommen will, welche vielleicht (!!) EU-kritisch ist, dann müssen wir uns direkt bedroht fühlen. Van der Bellen ist der Kandidat aller jener Kräfte, die nur nach Außen schielen. Er ist die letzte Verteidigungslinie des Systems der Umverteilung nach Oben, der Gesellschaftsspaltung, der Ausverkaufs und der politischen Korruption.
Und Hofer? Natürlich ist er um nichts besser! Neoliberale Politik à la Vranitzky, Gusenbauer und Faymann, verkauft mit altsozialdemokratischen Phrasen; eine Politik gegen die Schwachen à la Lopatka, Schelling und Kurz; ein Sprachrohr von Strache und Kickl – auch eine Kompetenz für eine moralische Instanz!
Aber Hofer ist ein Deutschnationaler! Und was ist Van der Bellen? Ein politischer Deutschnationaler, der das bloß nicht zu sagen wagt, der sich aber an den Wünschen von Berlin, an den Befehlen von Merkel, Schäuble und Gabriel und deren Exekutoren in Brüssel ausrichtet.
Aber die untere Hälfte der Bevölkerung hat für Hofer gestimmt? Es gibt keinen Grund, dass wir darauf einsteigen – genauso wenig, wie wir auf die Hysterie der oberen Hälfte einsteigen.
Ein Linker, der sich selbst nicht aufgeben will, kann weder für Van der Bellen noch für Hofer stimmen.
7. Juli 2016